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37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Juli 1969 i.S. Rufli und Bänziger gegen Politische Gemeinde St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 141 Abs. 1 lit. b OG. | |
Sachverhalt | |
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Am 11. Oktober 1962 hiess das Kantonsgericht St. Gallen im Berufungsverfahren die von der Vorkaufsberechtigten gegen Frau Ehrbar eingereichte Klage auf Zusprechung des Eigentums an der Parzelle Nr. 2926 gut.
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Am 16. Mai 1963 wies das Bundesgericht die von Frau Ehrbar erklärte Berufung ab und bestätigte das kantonsgerichtliche Urteil.
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B.- Am 19. Dezember 1963 verkaufte Frau Ehrbar der Corvag-Bau AG die Parzelle Grundbuch St. Fiden Nr. 764. Einige Monate später liess sie der Käuferin durch ihren Anwalt mitteilen, sie halte den Vertrag wegen Uebervorteilung nicht und verlange die Rückübertragung der Liegenschaft.
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Nachdem Frau Ehrbar im August 1964 bevormundet worden war, reichte sie - vertreten durch ihren Vormund, Johann Egger - beim Bezirksgericht St. Gallen gegen die Corvag-Bau AG und gegen die Kredit und Anlagen AG (der die Liegenschaft am 15. September 1964 weiterverkauft worden war) Klage auf Ungültigerklärung der Kaufverträge vom 19. Dezember 1963 und 15. September 1964 und auf Rückübertragung der Liegenschaft ein. In diesem Prozess wurde über den Geisteszustand der Klägerin bei Dr. med. Bachmann ein Gutachten eingeholt, das am 7. Oktober 1966 erstattet wurde. Der Experte kam zum Schluss, die Imbezillität der Explorandin sei derart ausgeprägt, dass sie überhaupt nie als urteils- und handlungsfähig hätte betrachtet werden dürfen.
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Im Urteil vom 18. April 1967 stellte das Bezirksgericht dann u.a. fest, der Kaufvertrag vom 19. Dezember 1963 sei wegen fehlender Handlungsfähigkeit der Verkäuferin nichtig.
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C.- Johann Egger hatte sich am 19. Dezember 1966 schriftlich an den Stadtrat von St. Gallen gewandt, um die Zusicherung zu erhalten, dass die gestützt auf das Vorkaufsrecht erworbene ![]() | 7 |
D.- Am 16. Dezember 1967 starb Frau Ehrbar. Als gesetzliche Erben hinterliess sie ihre Halbgeschwister Albert Rufli und Heidy Ruth Bänziger-Rufli. Diese reichten am 6. März 1969 ein Revisionsgesuch ein und beantragten, das Urteil des Bundesgerichts vom 16. Mai 1963 sei aufzuheben und die Gesuchsteller als Eigentümer der Parzelle Nr. 2926 im Grundbuch einzutragen. E. - Die Politische Gemeinde St. Gallen beantragt die Abweisung des Gesuchs.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Gesuchsteller behaupten, die 90-tägige Frist eingehalten zu haben. Sie führen dazu aus, am 4. Oktober 1968 habe ihr Anwalt Dr. med. Bachmann um Mitteilung ersucht, ob Frau Ehrbar zur Zeit des Vertragsschlusses mit der Politischen Gemeinde St. Gallen bzw. mit Osterwalder urteilsfähig gewesen sei. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1968 habe der Experte diese Frage verneint. Erst dadurch hätten sie eine genügend sichere Kenntnis des Revisionsgrundes erhalten.
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a) Die Revision eines bundesgerichtlichen Urteils ist nach Art. 137 lit. b OG u.a. dann möglich, wenn der Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt, die er im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Zweifellos bildet die im Gutachten von Dr. Bachmann festgestellte mangelnde ![]() | 12 |
b) Das Schicksal des vorliegenden Revisionsgesuchs hängt deshalb - abgesehen von der Beweisfrage - davon ab, ob es rechtzeitig, d.h. binnen 90 Tagen seit Entdeckung der neuen erheblichen Tatsache beim Bundesgericht anhängig gemacht wurde. Der genannte Revisionsgrund ist nicht erst dann zu bejahen, wenn der Gesuchsteller die neue erhebliche Tatsache sicher beweisen kann. Denn sonst müsste der weitere Revisionsgrund der neuen Beweismittel überhaupt ausgeschlossen bleiben, weil alsdann eine erhebliche Tatsache solange als neu zu gelten hätte, als sie nicht restlos bewiesen werden kann. Vielmehr muss genügen, dass ein auf sicheren Grundlagen fussendes Wissen vorhanden ist (vgl. H.P. MARTI, Das Neue Recht der bernischen Zivilprozessordnung, S. 23). Blosse Vermutungen oder gar Gerüchte genügen dagegen nicht und vermögen den Lauf der Revisionsfristen nicht in Gang zu setzen. Gleich wie bei den tatbeständlichen Vorbringen einer Partei im ordentlichen Prozess, bei denen es sich um vorläufig noch unbewiesene Behauptungen handelt, müssen begründete Aussichten bestehen, die neue Tatsache zu beweisen (BIRCHMEIER, Handbuch zum OG, S. 513; STEIN/JONAS, 19. Auflage, N. I/2 zu § 586 DZPO).
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Im vorliegenden Fall erfuhr der Vormund der Frau Ehrbar aus dem von Dr. Bachmann am 7. Oktober 1966 verfassten Gutachten, dass die Explorandin überhaupt nie urteils- und handlungsfähig war. Er durfte auf die Schlussfolgerung des Experten abstellen, da das Bezirksgericht St. Gallen im Prozess, der freilich nur Vorgänge aus den Jahren 1963 und 1964 betraf, dieses Gutachten als schlüssig erachtete. Jedenfalls lassen seine weiteren Schritte erkennen, dass er selbst der Auffassung war, über genügend sichere Anhaltspunkte zu verfügen, um die bereits in den Jahren 1958 und 1959 bestehende Handlungsunfähigkeit seines Mündels geltend zu machen. Er wandte sich nämlich vorerst im Dezember 1966 an den Stadtrat von St. Gallen, um die Zusicherung zu erhalten, dass die Parzelle ![]() | 14 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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