BGE 95 II 291 | |||
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39. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juni 1969 i.S. H. gegen H. | |
Regeste |
Prozess auf Anfechtung der Ehelichkeit (Art. 253 ff. ZGB). |
2. Der Entscheid, durch den die kantonale Appellationsinstanz das Eintreten auf die Appellation mangels Beschwerung der appellierenden Partei ablehnt, ist kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG. Behandlung des als Berufung bezeichneten Rechtsmittels als Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. a OG (Erw. 2). |
3. Das Bundesrecht schliesst die Erledigung eines Prozesses auf Anfechtung der Ehelichkeit durch Klageanerkennung aus (Erw. 3). Auslegung einer im kantonalen Verfahren abgegebenen Anerkennungserklärung (Erw. 4). |
4. Es verstösst nicht gegen die im Anfechtungsprozess entsprechend anwendbaren Vorschriften von Art. 158 Ziff. 1 und 3 ZGB, wenn das obere kantonale Gericht auf Grund des kantonalen Prozessrechts annimmt, eine beklagte Partei, die am Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens der Klage zugestimmt hat, könne das die Klage gutheissende Urteil der ersten Instanz mangels Beschwerung nicht weiterziehen (Erw. 5, 6). | |
Sachverhalt | |
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B.- Im Sommer 1966 focht der Ehemann die Ehelichkeit der beiden Kinder gerichtlich an. Die Ehefrau gab vor dem Friedensrichter und vor dem Bezirksgerichte zu, dass der Kläger nicht der Vater der beiden Kinder sei. Dr. med. D., der den Kläger 1953 und 1966 untersucht hatte, erklärte als Zeuge, der Kläger sei in der Zwischenzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zeugungsfähig gewesen. Die Blutuntersuchung schloss den Kläger als Vater des Mädchens aus. Das anthropologisch-erbbiologische Gutachten bezeichnet als sehr unwahrscheinlich, dass der Kläger der Erzeuger des Knaben sei. In der Schlussverhandlung vom 9. Mai 1968 erklärte die Ehefrau laut Protokoll: "Ich anerkenne die Klage, doch beantrage ich, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen."
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C.- Gegen dieses Urteil appellierte die Ehefrau (nicht auch der Beistand der mitbeklagten Kinder) an das Obergericht. Dieses trat am 30. August 1968 auf die Appellation nicht ein mit der Begründung, eine Anerkennung der Klage, wie sie von der Ehefrau laut Protokoll in der bezirksgerichtlichen Schlussverhandlung erklärt wurde, sei im Prozess auf Anfechtung der Ehelichkeit nicht möglich (BGE 65 I 157), doch habe die Erklärung der Ehefrau sinngemäss den Antrag auf Gutheissung der Klage in sich geschlossen; das die Klage gutheissende Urteil des Bezirksgerichtes entspreche also der letzten, abschliessenden Prozesserklärung der Ehefrau, so dass sie durch den angefochtenen Entscheid nicht beschwert und folglich nicht befugt sei, ihn weiterzuziehen.
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D.- Gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichts erklärte Rechtsanwalt Dr. X. im Namen aller drei Beklagten die Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, er sei aufzuheben und die Sache zur Durchführung des Appellationsverfahrens an das Obergericht zurückzuweisen. Er machte geltend, im Verfahren nach Art. 253 ff. ZGB sei eine Klageanerkennung, auch wenn sie erfolgt sei, unerheblich; der angefochtene Entscheid verletze somit Art. 158 Ziff. 1, 3 und 4 ZGB; durch diese eidgenössischen Verfahrensbestimmungen werde das kantonale Prozessrecht beschränkt.
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Die von Rechtsanwalt Dr. X. verlangte Berichtigung der Protokollstelle, wonach die Ehefrau die Klage anerkannt hatte, wurde vom Bezirksgericht am 3. Oktober 1968 abgelehnt.
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Zur Einreichung von Vollmachten der Beklagten aufgefordert, teilte Dr. X. dem Bundesgericht am 28. Oktober 1968 mit, die Vormundschaftsbehörde habe beschlossen, ihn nicht mit der Vertretung der Kinder zu beauftragen. Eine Vollmacht der Ehefrau hatte er schon im kantonalen Appellationsverfahren eingereicht.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Gegen den Entscheid des Bezirksgerichts hat nur die Ehefrau des Klägers ans Obergericht appelliert. Die Kinder waren am Verfahren vor Obergericht nicht mehr beteiligt. Schon deshalb konnte der Entscheid des Obergerichts nicht in ihrem Namen an das Bundesgericht weitergezogen werden. Rechtsanwalt Dr. X. ist überdies zu ihrer Vertretung nicht ermächtigt. Es liegt also nur eine Berufung der Ehefrau vor.
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Der Umstand, dass im Anfechtungsprozess zwischen Mutter und Kind eine notwendige passive Streitgenossenschaft besteht (Art. 253 Abs. 2 ZGB), hindert nicht, dass ein im Verfahren gegen Mutter und Kind ergangener Entscheid von der Mutter oder vom Kind allein weitergezogen wird. Der auf eine solche Weiterziehung hin ergehende Entscheid der obern Instanz wirkt gegenüber allen am Rechtsverhältnis beteiligten Personen (BGE 82 II 2 ff., BGE 87 II 284). Die Beklagte Frau H. konnte also gegen die Entscheide des Bezirksgerichts und des Obergerichts ohne Mitwirkung ihrer Kinder Rechtsmittel ergreifen.
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Der mit der vorliegenden Berufung angefochtene Entscheid des Obergerichts befasst sich mit dem streitigen Anspruch auf Unehelicherklärung der von Frau H. geborenen Kinder in keiner Weise. Er beschränkt sich darauf, die Appellation der Frau H. als unzulässig zu erklären, weil sie durch den Entscheid des Bezirksgerichts nicht beschwert sei. Er ist daher kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG, so dass die Berufung unzulässig ist.
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Die Eingabe der Frau H. kann jedoch als Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 Abs. 1 lit. a OG entgegengenommen werden; denn Frau H. macht darin dem Sinne nach geltend, das Obergericht habe statt des massgebenden eidgenössischen Rechts (Art. 158 Ziff. 1, 3 und 4 ZGB) kantonales Prozessrecht angewendet. Der in der Eingabe enthaltene Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz genügt den Anforderungen von Art. 71 OG, da der Entscheid des Bundesgerichts, wenn die Beschwerde begründet wäre, nur auf Rückweisung zu neuer Entscheidung lauten könnte (Art. 73 Abs. 2 OG).
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5. Für den Fall, dass der Anerkennungserklärung der Frau H. der Antrag auf Gutheissung der Klage zu entnehmen ist, wendet Frau H. gegen die Annahme des Obergerichts, sie sei durch das die Klage des Ehemanns gutheissende Urteil des Bezirksgerichts nicht beschwert, mit Recht nichts ein (vgl. BGE 94 II 210 sowie LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. Aufl., N. 1 zu Art. 333, S. 312/13, und HINDERLING, Das schweiz. Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 212/13, wonach die Ehescheidung den beklagten Ehegatten, der ihr zugestimmt hat, nicht beschwert; anderer Meinung GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 509).
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Da die Regelung der kantonalen Rechtsmittel Sache des kantonalen Prozessrechts ist, lässt sich ein kantonaler Entscheid, der das Eintreten auf ein kantonales Rechtsmittel mangels Beschwerung des Rechtsmittelklägers ablehnt, grundsätzlich nicht mit der Begründung anfechten, das obere kantonale Gericht habe seinen Entscheid zu Unrecht auf kantonales Recht statt auf Bundesrecht gestützt. Zu prüfen bleibt also nur, ob das kantonale Recht, soweit es die Befugnis zur Ergreifung eines Rechtsmittels von einer Beschwerung abhängig macht, im Anfechtungsprozess uneingeschränkt anwendbar sei oder ob hier kraft Bundesrechts gewisse Ausnahmen gelten. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Falle nicht in der Form, ob die klagende Partei, deren Klage geschützt wurde und die daher durch das Urteil nicht beschwert ist, ein Rechtsmittel ergreifen könne, um die Klage vor der obern Instanz zurückzuziehen (vgl. hiezu BGE 84 II 232 ff., besprochen von KUMMER in ZBJV 1960 S. 65 f., wo es sich darum handelte, ob der Scheidungskläger zwecks Rückzugs der vom obern kantonalen Gericht geschützten Scheidungsklage die Berufung an das Bundesgericht erklären könne). Vielmehr ist hier nur zu prüfen, ob sich aus dem Bundesrecht ergebe, dass die beklagte Partei im Anfechtungsprozess ein die Klage gutheissendes Urteil mit dem Antrag auf Abweisung der Klage weiterziehen könne, selbst wenn sie vor der untern Instanz der Klage zugestimmt hat und aus diesem Grunde durch den angefochtenen Entscheid nicht beschwert ist.
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6. InBGE 61 II 159ff. undBGE 76 II 257ff. hatte sich das Bundesgericht mit Art. 89 Abs. 2 der Neuenburger ZPO zu befassen, wonach die - gemäss Art. 89 Abs. 1 dieses Gesetzes grundsätzlich wie ein endgültiges Urteil wirkende - Anerkennung der Klage (acquiescement) in den durch Urteil zu erledigenden Prozessen nur bewirkt, dass der Beklagte von jeder Teilnahme am weitern Verfahren ausgeschlossen ist. Im zuerst genannten Entscheide erklärte es, diese Vorschrift verstosse mindestens insoweit gegen Art. 158 (insbesondere Ziff. 1 und 3) ZGB, als sie die dem Scheidungsbegehren zustimmende beklagte Partei gänzlich vom Verfahren ausschliesst; diese Partei behalte nicht bloss das Recht, an den Verhandlungen teilzunehmen und dazu geladen zu werden, sondern sie müsse auch befugt sein, die Behauptungen der Gegenpartei zu bestreiten, abweichende Anträge zu stellen und alle tatsächlichen und rechtlichen Argumente vorzubringen, wie wenn Art. 89 Abs. 2 ZPO nicht bestünde. InBGE 76 II 257ff. wurde diese Rechtsprechung dahin verdeutlicht, sie verbiete nicht, aus der erwähnten Prozessvorschrift abzuleiten, dass die Partei, welche dem von der ersten Instanz gutgeheissenen Scheidungsbegehren zustimmte, gegen den Ausspruch der Scheidung nicht appellieren könne; der EntscheidBGE 61 II 157ff. wolle verhindern, dass die Parteien mit Hilfe der kantonalen Prozessvorschriften über die Klageanerkennung das Bestehen eines Scheidungsgrundes zu leicht feststellen lassen können; um diesen Zweck zu erreichen, genüge es, die Wirkungen, welche das kantonale Recht an die Klageanerkennung knüpft, für die erste Instanz zuunterdrücken; wenn die zustimmende Partei ihre Anerkennung bis zum erstinstanzlichen Urteil widerrufen und bis dahin abweichende Anträge stellen könne, so dürfe die Zulassung der Appellation davon abhängig gemacht werden, dass solche Anträge vor dem erstinstanzlichen Urteil gestellt wurden.
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In BGE 93 II 218, wo darüber zu befinden war, ob nach Fällung des erstinstanzlichen Scheidungsurteils auf dessen Weiterziehung an das obere kantonale Gericht verzichtet werden könne, bevor die Weiterziehungsfrist abgelaufen ist, bemerkte das Bundesgericht, Art. 158 ZGB befasse sich in keiner Weise mit dem Instanzenzug; Art. 48 OG setze das Bestehen einer obern kantonalen Instanz voraus, schreibe aber deren Anrufung nicht vor.
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Im Falle BGE 94 II 209 ff. trat das Bundesgericht auf die Berufung einer Ehefrau, die vor erster Instanz unter Berufung auf Art. 142 Abs. 2 ZGB die Abweisung der Scheidungsklage des Ehemannes erreicht, vor zweiter Instanz dann aber dem Scheidungsbegehren zugestimmt hatte, nicht ein, weil sie durch den die Scheidung aussprechenden Entscheid der zweiten Instanz nicht beschwert und daher zu seiner Weiterziehung nicht befugt sei.
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Im vorliegenden Falle hatte die Beklagte Frau H. während des ganzen Verfahrens vor erster Instanz die Möglichkeit, sich der Anfechtungsklage ihres Ehemannes zu widersetzen und alle tatsächlichen und rechtlichen Argumente vorzubringen, die ihr gegen die Gutheissung dieser Klage zu sprechen schienen. Sie gab die Erklärung, sie anerkenne die Klage, erst in der Schlussverhandlung ab, nachdem das Bezirksgericht ein einlässliches Beweisverfahren (Vernehmung eines sachverständigen Zeugen, zwei Begutachtungen) durchgeführt hatte. Unter diesen Umständen hat das Obergericht die Grundsätze, die das Bundesgericht aus dem für den Anfechtungsprozess entsprechend geltenden Art. 158 ZGB abgeleitet hat, nicht verletzt, indem es annahm, die Appellation der Frau H. gegen das die Anfechtungsklage schützende Urteil des Bezirksgerichts sei im Hinblick darauf, dass dieses Urteil ihrer letzten, abschliessenden Prozesserklärung vor Bezirksgericht entsprach und sie daher nicht beschwerte, aus Gründen des Prozessrechts nicht zulässig. Mit dieser Entscheidung wird keineswegs die Erledigung einer Anfechtungsklage durch Anerkennung der Klage, d.h. die Unehelicherklärung eines Kindes ohne Urteil zugelassen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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