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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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66. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. März 1969 i.S. Club Méditerranée (Bureau Suisse) SA gegen Tages-Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich AG | |
Regeste |
Verletzung des Persönlichkeitsrechtes durch die Presse. |
2. Begriff der Namensanmassung, Art. 29 Abs. 2 ZGB. (Erw. 3). |
3. Der allgemeine Schutz der Persönlichkeit (Art. 27 und 28 ZGB) kommt grundsätzlich auch den juristischen Personen zu (Erw. 4). |
4. Ehrverletzung; unbefugter Eingriff; Aufgabe der Presse als Rechtfertigungsgrund; Überschreitung des erlaubten Masses. (Erw. 5-8). |
5. Beseitigung der Störung: a) durch gerichtliche Feststellung der Widerrechtlichkeit; b) durch angemessene Veröffentlichung des Urteils. (Erw. 9 und 10.) |
6. Grenzen des Anspruchs auf Unterlassung (Erw.11). |
7. Voraussetzungen der Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung (Erw. 12). |
8. Inwiefern sind Ansprüche aus der Verletzung in den persönlichen Verhältnissen abtretbar? (Erw. 13). | |
Sachverhalt | |
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CLUB MEDITYRANNIS
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hervor, umrahmt von folgenden Texten:
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(links) "Diese Saison völlig neu aufgezogen:"
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(rechts) "Superferien in unseren gut organisierten Lagern rund ums Mittelmeer."
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(unten) "Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit. Devisen willkommen!"
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Über diesem zentralen Teil sieht man eine Autobuskolonne mit Ferienreisenden und Feriengepäck gezeichnet, unter militärischer Bewachung; ein Tank schliesst die Kolonne ab. Auch die (in mehrere Reihen gestaffelten) Karikaturen unterhalb jenes Mittelfeldes stellen politische Ereignisse und Zustände dar, und zwar in der Form eines modernen Ferienbetriebes. Man sieht Nasser, der auf Bomben Wasserski fährt und sich im Schlepptau eines von russischen Machthabern gesteuerten Motorbootes befindet. Darunter ertrinkt König Hussein auf einer Luftmatratze, welche die Luft verliert. Neben ihm schwimmt Schukeiri im Rettungsring. Es werden Touristen gezeichnet, welche in der Wüste, infolge der Schliessung der Erdölleitung, blockiert sind; ![]() | 7 |
Zwang, Unterdrückung, Verfolgung, Unfreiheit kennzeichnen die meisten vom Karikaturisten geschilderten Verhältnisse. Die davon betroffenen Staaten könnten, in der Sicht des Karikaturisten, zu einem Klub zusammengeschlossen werden, dem Klub der Tyrannei, und, weil die meisten am Mittelmeer liegen, zum CLUB MEDITYRANNIS. Auf diese Benennung verfiel H. U. Steger im Gedanken an die Reiseunternehmung Club Méditerranée SA (Stammhaus in Paris, Tochtergesellschaft in Genf, mit einer Geschäftsstelle in Zürich). Wie die Klagebeantwortung ausführt, war er beauftragt, eine ganzseitige Karikatur einzurücken und dabei den Beginn der Sommerferien, der Badesaison, des Massentourismus zu berücksichtigen. Nun sei der "Club Méditerranée" für ihn "der Gedankenblitz" gewesen, "der ihm die Form zeigte, in die er seine Karikatur bringen wollte". Er habe jedoch keine Aussage über den "Club Méditerranée" machen wollen und dies auch nicht getan.
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B.- Die erwähnte Reiseunternehmung Club Méditerranée (Bureau Suisse) SA in Genf erachtet sich durch diese Publikation als in ihrem Persönlichkeits- und Namensrecht verletzt. Sowohl sie wie auch die französische Muttergesellschaft organisieren den Ferientourismus und unterhalten zahlreiche Feriendörfer und Ferienhäuser in vielen Staaten, namentlich rund um das Mittelmeer. Ihr Tätigkeitsbereich umschliesst auch den Betrieb von Hotels in der Schweiz, und die schweizerische Gesellschaft befasst sich unter anderem mit der Vermittlung von Ferien für Schweizer in den Mittelmeer-Dörfern der Organisation sowie mit Überseereisen. Seit Mitte Februar 1967 hatte ![]() | 9 |
Sogleich nach dem Erscheinen der Wochenausgabe TA 7 vom 8. Juli 1967 wurden die beiden Gesellschaften bei der Redaktion des Tages-Anzeigers vorstellig. Am 11. des gleichen Monats fand eine Besprechung statt, die jedoch zu keiner Einigung führte.
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C.- Am 28. November 1967 erhob die schweizerische Gesellschaft, die sich von ihrer Muttergesellschaft alle dieser aus der beanstandeten Publikation erwachsenen Ansprüche hatte abtreten lassen, beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die erwähnte Zeitungsunternehmung Klage mit folgenden Rechtsbegehren:
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"1. Es sei festzustellen, dass die von der Beklagten in der Wochenausgabe des Tagesanzeiger vom Samstag, den 8. Juli 1967 veröffentlichte, mit Texten versehene und mit ,CLUB MEDITYRANNIS' überschriebene Zeichnung das Persönlichkeits- und das Namensrecht der Klägerin verletzt.
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2. Der Beklagten sei zu verbieten, diese mit Texten versehene Zeichnung erneut zu veröffentlichen oder anderweitig zu verwenden unter Androhung der Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Widerhandlungsfalle.
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3. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin innerhalb eines Monates nach Rechtskraft des Urteils die erste Seite der Wochenausgabe für Werbung, eventuell für ein vom Gericht festzusetzendes Inserat unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, eventualiter, den Betrag von Fr. 2200.-- nebst Zins zu 5 % seit 8. Juli 1967 zu zahlen.
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4. Die Beklagte sei zu verpflichten, den Betrag von Fr. 1000.-- an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Genf für wohltätige Zwecke zu bezahlen.
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5. Die Klägerin sei berechtigt zu erklären, das Urteil innerhalb eines Monates nach dessen Rechtskraft auf einer der ersten drei Seiten des Textteiles der Wochenausgabe des Tagesanzeigers unentgeltlich veröffentlichen zu lassen."
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Der Antrag der Beklagten ging auf Abweisung der Klage.
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D.- Mit Urteil vom 28. Mai 1968 wies das Handelsgericht die Klage im vollen Umfange ab. Der Begründung ist zu entnehmen:
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Die Tatbestände des den Namensschutz gewährleistenden Art. 29 ZGB treffen nicht zu. Weder wird der Klägerin das Recht zur Führung des Namens "Club Méditerranée" abgesprochen, noch liegt Namensanmassung vor; denn in der beanstandeten ![]() | 19 |
Den allgemeinen Schutz der Persönlichkeit nach Art. 28 ZGB kann die Klägerin, als juristische Person, schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht beanspruchen. Gegen eine solche Rechtseinräumung sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte des Art. 28 ZGB wie auch die Systematik dieses Gesetzes. Aber auch der Zweck des Persönlichkeitsrechtes ist bei juristischen Personen nicht gegeben, zumal bei solchen, die, wie die Klägerin, nur wirtschaftliche Interessen verfolgen. - Wollte man sich übrigens einer hievon abweichenden Lehre anschliessen, die auch in der Rechtsprechung beachtet wurde, so wäre die von der Klägerin erhobene Rüge einer unbefugten Verletzung in ihren persönlichen Verhältnissen dennoch zu verwerfen. Aus der Tatsache, dass die beanstandete Publikation auf den Namen der Klägerin und auf den von ihr betriebenen Geschäftszweig anspielt, darf nicht kurzerhand auf eine Beeinträchtigung der Klägerin geschlossen werden. Denn insofern hat diese kein Bedürfnis nach Schutz vor der Öffentlichkeit. Aber auch die Art, wie sich diese Bezugnahme in der vorliegenden Publikation darbietet, erscheint nicht als verletzend. Die Publikation hat nichts anderes zum Thema als einige zur Zeit ihres Erscheinens in hohem Grade aktuelle politische Gegebenheiten. Die Annahme, diese Thematik sei dahin missverstanden worden, die Klägerin stehe in einer besonderen Beziehung zu tyrannischen Regimes oder leite ihre Ferienlager in tyrannischer Weise, ist abwegig. Weder der Publikation als Ganzem noch den einzelnen Zeichnungen und Legenden kann irgend eine Aussage über die Klägerin oder ihre Ferienlager entnommen werden. Es ist nicht zu finden, inwiefern die Publikation hätte Anlass geben können, die Klägerin zu verspotten.
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Endlich bestehen keine Anhaltspunkte für den Eintritt eines Schadens. Den Beweis hiefür ist die Klägerin schuldig geblieben.
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Schon deshalb kann ein Schadenersatz nicht zugesprochen werden, wie auch immer es sich mit der Frage der Widerrechtlichkeit im Sinne der neben Art. 28 und 29 ZGB angerufenen Art. 41 ff. OR verhalten mag.
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E.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung an das Bundesgericht eingelegt und ihre Rechtsbegehren erneuert.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Vor dem Erlass des schweizerischen ZGB war freilich die Ansicht verbreitet, die Rechtsfähigkeit der juristischen Personen sei auf die Vermögensrechte begrenzt (vgl. EGGER, 2. A. N. 9, und HAFTER, 2. A. N. 7 zu Art. 53 ZGB). Das kann jedoch für die Auslegung des neuen Rechtes nicht massgebend sein. Bereits die Erläuterungen zum Vorentwurf, zweite Ausgabe, Band I S. 80 (Bemerkungen zu Art. 71 VE, dem im wesentlichen der geltende Art. 53 ZGB entspricht), erklären, die vorgesehene Gesetzesnorm überlasse es der Praxis, "die nähere Abgrenzung festzusetzen, namentlich in bezug auf die Ehre und das persönliche Empfinden von Schmerz oder Kränkung überhaupt". Man dürfe hier der Zukunft um so eher die Entscheidung überlassen, "als es Sache der Kulturentwicklung ist, zu bestimmen, wie weit hier gegangen werden dürfe". Die erwähnten Autoren (EGGER a.a.O. N. 9-12; HAFTER a.a.O. N.7-9) befürworten denn auch einen umfassenden Persönlichkeitsschutz für die juristischen Personen, unter dem selbstverständlichen, der allgemeinen Umschreibung der Rechtsfähigkeit der juristischen Personen in Art. 53 ZGB entsprechenden Vorbehalt, es könne ein Schutz für diejenigen persönlichen Güter nicht in Frage kommen, welche die juristische Person (im Gegensatz zum Menschen als natürlicher Person) nicht besitzt. In diesem Sinne bejahen den Persönlichkeitsschutz der juristischen Personen auch zahlreiche andere Autoren (vgl. ROSSEL/MENTHA, Bd. I S. 127 Nr. 184; VON TUHR, Allg. Teil des schweiz. OR S. 108; BECKER, N. 12 und OSER/SCHÖNENBERGER N. 17 zu Art. 49 OR, die drei letzten namentlich in bezug auf den Genugtuungsanspruch; ![]() | 30 |
Nach der gleichen Richtung entwickelte und festigte sich die Rechtsprechung. Die Wendung bereitete sich schon vor dem Erlass des ZGB vor (BGE 31 II 246 und BGE 32 II 374), und dahin geht auch die Auslegung des neuen Rechtes (vgl. BGE 46 II 425, BGE 52 II 353 und 383 betreffend das Recht auf Achtung und Geltung der Persönlichkeit, wobei namentlich der geschäftliche Ruf als Schutzobjekt nach Art. 28 ZGB bezeichnet wird; BGE 60 II 326 und BGE 64 II 21 Erw. 4, wonach der Genugtuungsanspruch der juristischen Person geschützt wurde; siehe ferner aus der Rechtsprechung über den Boykott BGE 86 II 376, und über die Berücksichtigung des Persönlichkeitsschutzes in Marken- und Firmenrechtsstreitigkeiten vgl. BGE 87 II 46 Erw. 3, BGE 91 II 19, BGE 92 II 309).
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Gegen diese weite Auslegung des Art. 53 ZGB lässt sich aus seiner Stellung im Gesetze nichts einwenden. Indem er die juristischen Personen "aller Rechte und Pflichten ..." fähig erklärt, gibt er auch der Zuerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (nach Art. 27 und 28 ZGB) so gut wie des speziell geregelten Namensrechtes (nach Art. 29 ZGB) Raum, soweit nicht der in Art. 53 ZGB ausgesprochene Vorbehalt Platz greift. Gewiss ist innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der darin enthaltenen einzelnen Ansprüche noch besonders zu prüfen, ob und wie weit sie Eigenschaften voraussetzen, die ihrer Natur nach nur dem Menschen, also der natürlichen Person, zukommen (so bereitsBGE 31 II 246/47). Soweit dies jedoch nicht zutrifft, geniesst auch die juristische Person den sog. generellen Persönlichkeitsschutz (vgl. BGE 90 II 318). Insbesondere hat sie Anspruch auf Achtung ihrer geschäftlichen und beruflichen Ehre, auf soziale Geltung (vgl. EGGER, N. 11 zu Art. 53 ZGB). Wie die Klägerin mit Recht bemerkt, ist die juristische Person, will sie sich in ihrer Umwelt ![]() | 32 |
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Diese Betrachtungsweise ist einseitig auf die Zeichnungen und die ihnen beigegebenen Legenden ausgerichtet. Sie berücksichtigt nicht den die Überschrift umrahmenden Mitteltext, der in auffälliger Weise auf die Tätigkeit der Klägerin anspielt. Wäre die Überschrift CLUB MEDITYRANNIS ohne diesen Text hingesetzt worden, so würde sich zwar gleichwohl bei einem Teil der Leser die naheliegende Gedankenverbindung zum Namen der Klägerin einstellen. In diesem Falle hätte man es aber nur mit einer scherzhaften Verdrehung ihres Namens zu einem sie nicht berührenden Zweck zu tun. Es kann offen bleiben, ob sie Grund hätte, sich über ein solches auf ihren Namen aufgebautes Wortspiel in einer Zeitungsseite satirischen Inhaltes zu beschweren. In Wahrheit weist der in Frage stehende Mitteltext der Klägerin selbst eine Rolle zu, welche sie mit dem Hauptthema der Satire, den politischen Gegebenheiten in verschiedenen Ländern, namentlich am Mittelmeer, in eine aktive Verbindung setzt. Der (an sich, auf die Gesamtheit der Karikaturen bezogen, den Club der Machthaber am Mittelmeer bezeichnende) Titel CLUB MEDITYRANNIS verdeckt an dieser zentralen Stelle, wie bereits in Erw. 3 bemerkt, nur leicht den Namen der Klägerin, die sich hier mit einer Einladung zu "Superferien in unsern gut organisierten Lagern rund ums Mittelmeer" an die Leserschaft wendet. Diese reklamehaft aufgezogene, in den Ausruf "Devisen willkommen!" ausmündende Einladung bleibt dem Leser im Gedächtnis haften, auch wenn er sein Augenmerk dann namentlich den Karikaturen und den sie erläuternden Legenden zuwendet. Dies um so mehr, als die meisten Zeichnungen Anspielungen auf den Reise-, Ferien- und Sportbetrieb enthalten und dadurch ebenfalls den ![]() | 34 |
Zwar ist es eine Übertreibung, wenn behauptet wird, die Karikaturen hätten beim Leserpublikum den Eindruck erwecken können, bei der Klägerin spiele sich alles unfrei ab, oder ihre Organisation werde (allgemein) ins Lächerliche gezogen, ihr Name und ihre Tätigkeit verunglimpft und verspottet. Jener Werbetext mit der hiebei kaum verhüllten Entstellung ihres Namens bezieht aber einen speziellen Zweig ihrer Tätigkeit in die gesamte Satire ein: die Organisation von Reisen nach den betreffenden tyrannisch regierten Ländern. Der Werbetext lässt die Klägerin als eifrige Förderin solcher Reisen und damit auch als Helferin der abgebildeten Machthaber erscheinen. Die Schlussworte "Devisen willkommen!" konnten beim Leser geradezu den Gedanken aufkommen lassen, die Klägerin leiste jenen Regimes finanzielle Unterstützung, bemühe sich jedenfalls, ihnen Devisen zu verschaffen.
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Dass die Klägerin durch diesen dem Titel CLUB MEDITYRANNIS angegliederten Werbetext bei der Leserschaft in ein ungünstiges Licht gesetzt wurde, liegt auf der Hand. Es mag sein, dass es dem Karikaturisten fern lag, sie zu schädigen oder auch nur ihr Ansehen zu beeinträchtigen. Die Klage stützt sich indessen in erster Linie auf Art. 28 Abs. 1 ZGB und setzt insoweit kein Verschulden, sondern bloss die objektive Tatsache einer - unbefugterweise erfolgten - Verletzung in den persönlichen Verhältnissen voraus.
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6. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist eine Verletzung in den persönlichen Verhältnissen "unbefugt", wenn sie auf einem "widerrechtlichen" Eingriff beruht. "Unbefugterweise" bedeutet also in Art. 28 ZGB, was auch die vorherrschende Lehre annimmt (vgl. namentlich JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR 1960 II 208a), dasselbe wie "widerrechtlich" in Art. 41 OR (BGE 71 II 191, BGE 80 II 38, BGE 91 II 405 Erw. 3 a). Widerrechtlich ist ein Verhalten, das gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Es fallen nicht nur in Gesetzen oder andern Erlassen aufgestellte, sondern auch ungeschriebene ![]() | 37 |
7. Hat man es mit einer Veröffentlichung in der Presse zu tun, so ist bei der Anwendung des Art. 28 ZGB den besondern Verhältnissen und der besondern Aufgabe der Presse Rechnung zu tragen. Diese Aufgabe besteht laut der umfassenden Umschreibung in BGE 37 I 388 darin, "dem Leser bestimmte, die Allgemeinheit interessierende Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, ihn über politische, ökonomische, wissenschaftliche, literarische und künstlerische Ereignisse aller Art zu orientieren, über Fragen von allgemeinem Interesse einen öffentlichen Meinungsaustausch zu provozieren, in irgendeiner Richtung auf die praktische Lösung eines die Öffentlichkeit beschäftigenden Problems hinzuwirken, über die Staatsverwaltung und insbesondere über die Verwendung der öffentlichen Gelder Aufschluss zu verlangen, allfällige Missbräuche im Gemeinwesen aufzudecken" (was GROSSEN a.a.O. S. 79a kurz wie folgt ausdrückt: ![]() ![]() | 38 |
8. Ob sich die vorliegende Presseäusserung insoweit im Rahmen des Erlaubten hält, als sie politische Gegebenheiten in satirischer Weise glossiert, braucht nicht geprüft zu werden. Auch dadurch wird die Klägerin nicht verletzt, dass sich die Karikaturen der obersten Reihe gegen den in die betreffenden Länder fliessenden Reisestrom als solchen (also gegen das dorthin reisende Publikum) richten. Dagegen ist (wie bereits in Erw. 5 dargetan) der die Überschrift CLUB MEDITYRANNIS umrahmende zentrale Text dazu geeignet, das Ansehen der Klägerin beim grossen Leserkreis des Tages-Anzeigers zu mindern. Wie in BGE 71 II 193 ausgeführt wird, kann die Presse auf zwei Arten in die persönlichen Verhältnisse eingreifen: entweder durch die Mitteilung von Tatsachen, welche diese Verhältnisse betreffen, oder durch die Würdigung solcher Tatsachen. Das vorliegende Presseerzeugnis berichtet nun in tatsächlicher Hinsicht über die Klägerin nichts an und für sich Unwahres. Zu ihrer Tätigkeit gehört der Natur der Sache nach auch die Werbung durch Inserate, Anschläge usw., und es steht fest, dass sie unter anderem auch Reisen nach den hier in Frage stehenden Ländern organisiert. Wie allgemein bekannt, trifft es auch zu, dass der Bevölkerung und den Regierungen dieser (und anderer) ![]() | 39 |
Der auf die Tätigkeit der Klägerin hinweisende Mitteltext überschreitet somit in zweifacher Hinsicht das Mass des Erlaubten. Es bestand kein durch die Presse zu wahrendes öffentliches Interesse an einer solchen Art der Ansehensminderung.
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Gewiss darf nicht unbeachtet bleiben, dass man es bei dieser ganzen Zeitungsseite mit einer als Witz und Karikatur dargebotenen Darstellung zu tun hat. Und man mag auch anerkennen, dass "an der Erheiterung des öffentlichen Lebens durch Anlässe wie die Fasnacht, durch satirische Darstellungen überhaupt, sichtlich ein allgemeines, berechtigtes Interesse besteht" (NOLL, Satirische Ehrverletzungen, BJM 1959 S. 3 ff., besonders 10 f.). Es bleibt aber offen, "inwieweit die Ehrverletzung als Mittel zur Wahrnehmung dieses Interesses gebilligt werden kann"; dies muss sich (nach den zutreffenden Ausführungen des genannten Autors) "durch eine genaue Abwägung der verletzten und ![]() | 41 |
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Indessen stellt, wie JÄGGI (ZSR 1960 II S. 248a/249a) zutreffend bemerkt, das Fortbestehen der Äusserung (Zeitungs- oder Zeitschriftartikel, Zeichnung) und des Äusserungsträgers (Zeitung) allgemein einen eigenen Störungszustand dar, der es ermöglicht, das Geäusserte später aufs neue Dritten bekanntzumachen und das Ansehen des Verletzten neuerdings und bei weiteren Personen zu mindern. Auch verschwindet der Störungszustand nicht mit der Zeit von selbst; nur die relative Bedeutung der ehrverletzenden Äusserung kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit fortschreitender Zeit abnehmen. Selbst dies ist nicht sicher; noch nach Jahren und Jahrzehnten können scheinbar vergessene Äusserungen als negatives Element nachwirken (ebenso SCHUMACHER, S. 178). Eine Störung solcher Art besteht auch im vorliegenden Falle fort. Die verletzende Presseäusserung ist zweifellos in der Erinnerung vieler Leser haften geblieben, und manche dürften diese sensationell aufgemachte Nummer oder wenigstens den betreffenden Teil aufbewahrt haben.
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Eine Frage für sich ist es, ob die gerichtliche Feststellung einer geschehenen Verletzung als eine Art Genugtuung zu betrachten und aus diesem Grunde an die besonderen Voraussetzungen des Art. 49 OR (auf welchen Art. 28 Abs. 2 ZGB verweist) zu knüpfen sei. KUMMER (Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft nach schweizerischem Recht, S. 42/43) betrachtet zwar eine solche Feststellung als eine Art der Genugtuung. Sie falle aber nicht unter den - einschränkend auszulegenden - Art. 28 Abs. 2 ZGB: Da diese Vorschrift nur eine Form der Genugtuung, nämlich die Leistung einer Geldsumme, erwähnt, seien andere Arten der Genugtuung nicht unbedingt an dieselben Voraussetzungen gebunden. "Nur bei denjenigen Genugtuungsformen, die hinsichtlich ihrer Belastung, ihrer Ächtung des Beklagten einer Geldleistung gleichkommen, wie zum Beispiel die Urteilspublikation oder die ausdrückliche gerichtliche Missbilligung des Verhaltens des Beklagten", rechtfertige sich die Anwendung des Art. 49 ZGB, nicht aber "wo der Kläger ![]() | 45 |
Ob sich Art. 28 Abs. 2 ZGB in solchem Sinne einschränkend auslegen lässt, bleibe dahingestellt. In Wahrheit bezweckt die von der Klägerin verlangte Feststellung einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechtes nicht, ihr im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZGB und Art. 49 OR Genugtuung zu verschaffen, sondern sie soll lediglich die fortdauernde Störung auf eine dazu geeignete Weise beseitigen, was nach Art. 28 Abs. 1 ZGB nichts anderes als eben die Rechtswidrigkeit des Eingriffes voraussetzt. Aus dem durch diese Vorschrift gewährten Beseitigungsanspruch lässt sich ein Recht auf gerichtliche Feststellung unter anderem dann herleiten, wenn durch die Störungshandlung ein Zustand geschaffen wurde, der den Verletzten weiterhin in seinen persönlichen Verhältnissen treffen könnte (BGE 91 II 409), was hier nach dem Gesagten der Fall ist. Damit übereinstimmend hebt KUMMER, Der zivilprozessrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechtes, ZBJV 1967 S. 106 ff., bes. 107, den Charakter einer solchen Feststellung im Unterschied zu einer Genugtuung hervor: Es soll "nicht der Gegner zur Satisfaktion gebeugt, noch der Verletzte über schweres Ungemach durch künstliches Erzeugen von Wohlbefinden hinweggebracht, sondern schlicht des Verletzten Ehre reingewaschen werden". Dieser Autor begrüsst die durch das erwähnte Urteil angebahnte Vervollkommnung des Rechtsschutzes. Seine Bemerkung, das Bundesgericht lasse freilich die dogmatische Einordnung noch offen (a.a.O. S. 108 oben), spielt darauf an, dass jenes Urteil die Frage vorbehält, ob und wie weit ein aus dem Beseitigungsanspruch des Art. 28 Abs. 1 ZGB abgeleiteter Anspruch auf gerichtliche Feststellung den von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über das Recht auf Feststellung im allgemeinen (BGE 77 II 344, BGE 81 II 466 c, BGE 83 II 197 /198, BGE 84 II 398 Erw. 2 und 691 Erw. 2, BGE 90 II 33 Erw. 3, BGE 93 II 16 /17) unterstehe (BGE 91 II 409 ff.). Grundsätzlich handelt es sich bei dem Anspruch aus Art. 28 Abs. 1 ZGB nicht um einen Anwendungsfall des allgemeinen Anspruchs auf gerichtliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, wie ihn verschiedene Prozessordnungen (namentlich auch Art. 25 BZP) vorsehen und die angeführte neuere Rechtsprechung im Falle der Gefährdung eidgenössischen Privatrechts anerkennt. Vielmehr bildet eine auf Art. 28 Abs. 1 ZGB beruhende gerichtliche ![]() | 46 |
Im übrigen bleibt auch im Gebiet des Persönlichkeitsschutzes immer noch ein Anwendungsgebiet für die selbständige Feststellungsklage, so etwa, wenn einmal alle andern Klagen ausfallen sollten (was in BGE 91 II 410 Erw. 4 b und 412 Erw. 4 d im Ergebnis bestätigt wird; JÄGGI, S. 191 a), insbesondere wenn es darum geht, bei umstrittener Rechtslage Klarheit zu schaffen, was rechtens sei, und den Verlauf des Persönlichkeitsrechtes an undeutlicher Grenzstelle auszumarchen (so KUMMER, ZBJV 1967 S. 109 unten/110; vgl. auch HAFTER, N. 6 zu Art. 28 ZGB). Die Bedeutung dieser Klagemöglichkeit ist indessen nicht zu überschätzen. Droht eine Störung, so kann der Bedrohte immer auf Unterlassung klagen. Und gegenüber einem beim Kläger hervorgerufenen Störungszustand hilft die Beseitigungsklage, die im vorliegenden Falle in das Begehren um gerichtliche Feststellung der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes gekleidet ist.
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lo. - Zur Wiederherstellung des durch das Presseerzeugnis beeinträchtigten Ansehens der Klägerin genügt es nicht, ihr gerichtlich die Widerrechtlichkeit des Eingriffs in ihre persönlichen Verhältnisse zu bescheinigen. Sie ist entsprechend ihrem zusätzlichen Antrag zu ermächtigen, das Urteil in näher zu bestimmender, angemessener Weise auf Kosten der Beklagten in der Wochenausgabe des nämlichen Blattes veröffentlichen zu lassen. Auch diese Massnahme hat nicht den Charakter einer Genugtuung im Sinne von Art. 49 Abs. 2 OR. Sie ist das der Art der Verletzung - durch eine Presseäusserung - entsprechende Mittel der Beseitigung des Störungszustandes und setzt daher weder Verschulden noch eine besondere Schwere der Verletzung voraus (JÄGGI, S. 251 a/252 a; GROSSEN, Das ![]() | 48 |
Demgegenüber lässt sich unter den gegebenen Umständen auch nicht etwa einwenden, die Veröffentlichung treffe die Beklagte unverhältnismässig schwer (vgl. BGE 45 II 108; dazu JÄGGI, ZSR 1960 II 252a/253 a, der die Urteilsveröffentlichung ebenfalls dem Gebiete des Beseitigungsanspruches zuweist; vgl. auch BGE 93 II 270 Erw. 8 betreffend die Urteilsveröffentlichung nach Art. 6 UWG). Das vorliegende Urteil spricht denn auch nicht von schwerem Verschulden der Beklagten, sondern stellt lediglich fest, dass die betreffende in einer Wochenausgabe des Tages-Anzeigers enthaltene Presseäusserung "das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt". Dies verdient dem Leserkreis des Tages-Anzeigers auch wieder in einer Wochenausgabe dieses Blattes bekannt gemacht zu werden.
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a) Für den Eintritt eines Schadens (also eines materiellen Nachteils, einer Vermögenseinbusse) vermochte die Klägerin keine genügenden Angaben zu machen. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass Leser des Tages-Anzeigers durch die beanstandete Satire davon abgehalten wurden, die Dienste der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Freilich war der Nachweis eines allfälligen Schadens schwierig. Die Klägerin beruft sich auf Art. 42 Abs. 2 OR, wonach die Abschätzung des nicht ziffermässig nachweisbaren Schadens im Ermessen des Richters liegt, der den gewöhnlichen Lauf der Dinge und die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen zu berücksichtigen hat. Diese Regel bezieht sich in der Tat nicht nur auf die Höhe, sondern auch auf das Vorhandensein des Schadens (BGE 81 II 55 Erw. 5); sie ist auch auf Nachteile zugeschnitten, die der Betroffene in Fällen von Verletzung in den persönlichen Verhältnissen erleidet (BGE 86 II 45 Erw. 4 b). Indessen ist Art. 42 Abs. 2 OR nur anwendbar, wenn der Schaden nicht nachweisbar ist, sei es dass die erforderlichen Beweise fehlen oder dass die Beweisführung dem Kläger nicht zuzumuten ist (BGE 84 II 11 Erw. 2). Im übrigen soll sich dem auf Art. 42 Abs. 2 OR angewiesenen Richter das Vorhandensein eines Schadens mit einer gewissen Überzeugungskraft aufdrängen. Das trifft hier nicht zu. Man durfte von der Klägerin mindestens den Nachweis verlangen, dass infolge des beanstandeten Presseerzeugnisses Buchungen rückgängig gemacht und Anmeldungen ![]() | 51 |
b) Für die Zusprechung einer Genugtuung fehlt die von Art. 49 OR geforderte besondere (also qualifizierte) Schwere des Verschuldens (wobei unter Umständen grobe Fahrlässigkeit genügt, BGE 48 II 60, BGE 60 II 409/410, BGE 64 II 21 Erw. 4) wie auch der Verletzung. Wohl nahm die satirische Presseäusserung absichtlich auf den Namen und die Tätigkeit der Klägerin Bezug, und der Karikaturist musste bei einiger Sorgfalt damit rechnen, dass die Klägerin es übel aufnehmen werde, sich auf solche Weise als Propagandistin für Reisen nach despotisch regierten Ländern hingestellt zu sehen, und dass die Publikation Gefühle der Antipathie gegen die Klägerin erwecken werde. Von einem schwerwiegenden Eingriff lässt sich jedoch nicht sprechen, da der Witzcharakter des Ganzen es auch verhinderte, dass die sensationell aufgemachte Einladung zu solchen Reisen mit vollem Ernst zur Kenntnis genommen wurde. Verletzung und Verschulden sind zueinander in Beziehung zu setzen. Im allgemeinen ist das Verschulden um so grösser, wiegt also die Nichtbeachtung der Sorgfaltspflicht um so schwerer, je schwerer die Verletzung ist (BGE 60 II 410 oben mit Hinweisen, BGE 64 II 21 Erw. 4). Hier erscheint weder die Verletzung noch auch, für sich allein genommen, das Verschulden als besonders schwer. Es liegt nichts dafür vor, dass der Karikaturist die Klägerin aus Bosheit, Rache oder ähnlichen Gefühlen in seine Satire einbezogen hätte oder dass er sie allgemein hätte verächtlich machen und ihr Geschäftsgebaren hätte als unreell brandmarken wollen. Als Teil einer Zeitungsseite ![]() | 52 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Mai 1968 aufgehoben und in folgendem Sinn erkannt wird:
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a) Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten in der Wochenausgabe des Tages-Anzeigers vom Samstag, den 8. Juli 1967, veröffentlichte, mit Texten versehene und mit "CLUB MEDITYRANNIS" überschriebene Zeichnung das Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.
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b) Die Klägerin wird ermächtigt, das Urteilsdispositiv innerhalb eines Monats nach dessen Rechtskraft auf einer der ersten drei Seiten des Textteils der Wochenausgabe des Tages-Anzeigers im Umfang einer Viertelsseite unentgeltlich veröffentlichen zu lassen.
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