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72. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1969 i.S. Kaspar Winkler & Co. gegen Tramco AG. | |
Regeste |
1. Konkurrenzverbot.ventionalstrafe.Zulässigkeit der von einem Unternehmen für Betriebsberatung mit dem Kunden vereinbarten Verpflichtung, er dürfe keinen Angestellten des Unternehmens abwerben (Erw. 1). |
- sie verletze die Rechte des Angestellten - aus Art. 356 ff. OR über das Konkurrenzverbot beim Dienstvertrag (Erw. 2); |
- aus Art. 28 ZGB betreffend das Persönlichkeitsrecht (Erw. 3); |
- sie verstosse gegen Art. 4 Kartellg. (Erw. 4). |
3. Konventionalstrafe. Voraussetzungen der Herabsetzung, Art. 163 Abs. 3 OR (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Die Beklagte, die Firma Kaspar Winkler & Co., die chemische Produkte für das Baugewerbe herstellt, schloss im Herbst 1965 mit der Klägerin einen Beratungsvertrag. Die von der Klägerin ihrer Offerte beigelegten, zum Vertragsbestandteil erhobenen allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten u.a. folgende Bestimmungen:
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"Unsere Firma verpflichtet sich, sei es direkt oder indirekt, keinen Mitarbeiter einer mit uns arbeitenden Firma anzustellen oder ihm einen Vorschlag einer andern Firma weiterzuleiten. Diese Verpflichtung ist gültig für die Dauer unserer beruflichen Beziehungen sowie für die nachfolgenden 18 Monate.
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Unser Kunde übernimmt für die gleiche Zeitdauer die gleichen Verpflichtungen gegenüber unsern eigenen Mitarbeitern.
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Das Nichteinhalten dieser Verpflichtung durch die eine oder andere ![]() | 5 |
Für die Durchführung des Auftrages der Beklagten setzte die Klägerin vor allem ihren Angestellten Brosy ein. Das Beratungsverhältnis zwischen den Parteien ging im Sommer 1966 zu Ende.
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Am 20. Januar 1967 kündigte Brosy seinen Dienstvertrag mit der Klägerin auf den 30. April 1967. Mit Vertrag vom 2. Februar 1967 stellte ihn die Beklagte auf den 1. Mai 1967 als Verkaufschef an. Da die Klägerin schon Mitte April auf seine Dienste verzichtete, nahm er die Tätigkeit bei der Beklagten bereits in diesem Zeitpunkt auf.
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Nachdem zwei weitere Angestellte der Klägerin ebenfalls gekündigt und am 1. Mai 1967 gemeinsam ein eigenes Beratungsunternehmen eröffnet hatten, stellte die Klägerin im Mai 1967 ihre Tätigkeit ein.
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B.- In der Folge belangte die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung der vertraglichen Sperrabrede auf Bezahlung von Fr. 66 150.-- nebst 5% Zins seit 16. Januar 1968.
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Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, weil die Sperrabrede widerrechtlich und unsittlich und daher nichtig sei.
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C.- Das Handelsgericht des Kantons Zürich verwarf diesen Einwand der Beklagten und verpflichtete sie mit Urteil vom 25. April 1969, an die Klägerin Fr. 61 750.-- nebst Zins zu 5% seit 15. Januar 1968 zu bezahlen.
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D.- Gegen das Urteil des Handelsgerichtes hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem erneuten Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage, eventuell auf Herabsetzung der Konventionalstrafe auf Fr. 8000.--.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Sperrklausel, welche die Klägerin in die Verträge mit ihren Kunden aufnahm, diente nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz einem doppelten Zwecke. Sie sollte einerseits die Klägerin gegen die Gefahr schützen, dass ihre höheren Angestellten, die bei ihrer Beratungstätigkeit mit den leitenden Persönlichkeiten grosser Unternehmen in engen ![]() | 14 |
2. Die Art. 356 ff. OR beziehen sich auf Konkurrenzverbotsabreden, die im Rahmen eines Dienstvertrages getroffen werden. Sie beruhen auf dem in Art. 27 Abs. 2 ZGB aufgestellten allgemeinen Grundsatz, dass niemand sich im Gebrauch seiner Freiheit in einem das Recht oder Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken könne. Im Verhältnis zu dieser allgemeinen Vorschrift stellen Art. 356 ff. OR besondere Regeln dar, die inhaltlich das Mass der zulässigen Freiheitsbeschränkung genauer und zwingend umschreiben; auch sind sie in ihren Wirkungen strenger, da nach ihnen Verbotsklauseln, bei denen nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind oder die über den ![]() | 15 |
Diese Sonderregelung gilt jedoch, wie schon gesagt, nur für dienstvertragliche Konkurrenzverbote. Ihre Strenge erklärt sich daraus, dass das Gesetz der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit der beiden Vertragsparteien und dem durch den Dienstvertrag begründeten Abhängigkeitsverhältnis zugunsten des durch das Verbot Belasteten Rechnung tragen will (BGE 51 II 222, 300); der Dienstpflichtige soll gegenüber dem Dienstherrn als der stärkeren Vertragspartei geschützt werden (BGE 92 II 26. Hauptsächlich auf Grund dieser Überlegung ist das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die durch Art. 356 ff. OR aufgestellten Beschränkungen auf Konkurrenzverbotsklauseln bei andern Vertragsarten (Kauf, Miete, Pacht, Gesellschaft) nicht anwendbar seien. Die in solchen Verträgen vorgesehenen Beschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einer Partei sind vielmehr ausschliesslich nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen von Art. 19 und 20 OR, sowie Art. 27 und 28 ZGB zu beurteilen (BGE 51 II 222 f., 300, 440, BGE 53 II 329.
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Wegen des Fehlens der besonderen Schutzbedürftigkeit unterstehen auch Konkurrenzverbotsvereinbarungen, die erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses zwischen dem ehemaligen Angestellten und dem ehemaligen Dienstherrn abgeschlossen werden, den Vorschriften von Art. 356 ff. OR nicht (OSER/ SCHÖNENBERGER, N. 5 zu Art. 356 OR).
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Aus dem gleichen Grunde muss auch eine Vereinbarung, an der der Angestellte nicht als Partei beteiligt ist, die sich aber in einer Beschränkung seiner wirtschaftlichen Freiheit auswirkt, ausschliesslich gestützt auf Art. 28 ZGB, ohne Heranziehung der Vorschriften von Art. 356 ff. OR, beurteilt werden. Diese Auffassung liegt auch dem in BGE 73 II 65 ff. veröffentlichten Entscheid zugrunde, in welchem die in den Statuten eines ![]() | 18 |
Art. 356 ff. OR sind nicht aufgestellt worden, weil der Anspruch auf freie Entfaltung der wirtschaftlichen Persönlichkeit bei einem früheren Angestellten eines weiterreichenden Schutzes würdig wäre als bei irgendeinem andern Rechtsgenossen. Sie bezwecken vor allem, wie in der oben erwähnten Lehre und Rechtsprechung stets betont wurde, den Schutz einer Vertragspartei gegen die Folgen wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit.
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Das Handelsgericht hat daher, wenn auch mit einer etwas abweichenden Begründung, eine direkte Heranziehung der Vorschriften des Dienstvertragsrechtes über das Konkurrenzverbot mit Recht abgelehnt.
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Wie oben ausgeführt wurde, ist aus Art. 356 OR abzuleiten, dass ein Konkurrenzverbot widerrechtlich und daher gemäss Art. 20 OR nichtig ist, wenn seine gesetzlichen Voraussetzungen, wie z.B. der Einblick des Angestellten in die Kundenkreise, nicht erfüllt sind oder wenn es über den Rahmen des Konkurrenzbegriffes im Sinne der genannten Bestimmung hinausgeht. Da es sich um eine absolute Nichtigkeit handelt, kann sich auch jeder Dritte auf die Ungültigkeit der Verbotsklausel berufen.
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Nach Art. 28 ZGB dagegen kann, "wer in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt wird", auf Beseitigung der Störung klagen. Klageberechtigt ist danach nur der Verletzte (EGGER, N. 73 zu Art. 28 ZGB). Es lag nicht in der Absicht des Gesetzgebers, eine jedermann offenstehende Popularklage einzuführen. Hievon geht offensichtlich auchBGE 73 Il 67aus, der die Frage der Legitimation eines Angestelltenverbandes zur Geltendmachung der Ansprüche seiner Mitglieder aus Art. 28 ZGB behandelt.
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Der Beklagten fehlt somit die Legitimation, sich auf eine allfällige Verletzung der Persönlichkeitsrechte Brosys zu berufen.
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Gegen diese Abgrenzung der Legitimation lässt sich nicht ![]() | 25 |
Selbst wenn die streitige Klausel in ihren Auswirkungen eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte Brosys zur Folge haben sollte, wäre dies auf ihre Gültigkeit im Verhältnis zwischen den heutigen Prozessparteien schon aus den oben dargelegten Gründen ohne Einfluss, da der allein klageberechtigte Brosy nicht auf Beseitigung der Störung geklagt hat.
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4. Die Beklagte glaubt, die Nichtigkeit der streitigen Bestimmung aus Art. 4 des Kartellgesetzes (KG) ableiten zu können, der das Sperren von Arbeitskräften als unzulässig erklärt. Der Hinweis auf das Kartellgesetz geht jedoch schon deshalb fehl, weil dieses nach seinem Art. 1 auf Verträge, die ausschliesslich das Arbeitsverhältnis betreffen, nicht anwendbar ist. Abgesehen hievon verbietet Art. 4 KG das Sperren von Arbeitskräften nur, wenn dadurch Dritte im Wettbewerb mit den Parteien, die eine solche Sperrabrede treffen, behindert werden ![]() | 27 |
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Bei der in der Vereinbarung der Parteien vorgesehenen "Entschädigung" handelt es sich in der Tat um eine Konventionalstrafe, wie das Handelsgericht zutreffend angenommen hat und auch beide Parteien anerkennen.
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Die Beklagte macht geltend, eine Konventionalstrafe in der Höhe von zwei Jahresgehältern des Angestellten sei übermässig hoch in Anbetracht dessen, dass die von ihr begangene Vertragsverletzung nur zwei Wochen gedauert habe, nämlich vom Stellenantritt Brosys am 15. April 1967 bis zur Einstellung der Tätigkeit der Klägerin im Mai gleichen Jahres; die Kürze der Zeitspanne, während welcher ihre Vertragsverletzung dem früheren Dienstherrn habe zum Schaden gereichen können, müsse bei der Bemessung der Konventionalstrafe berücksichtigt werden.
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Nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verfiel die vereinbarte Konventionalstrafe jedoch mit dem Tage, an dem die Beklagten den früheren Angestellten der Klägerin in ihren Dienst nahm unter Verletzung ihrer vertraglichen Verpflichtung, von einem solchen Schritte abzusehen. Später eingetretene Umstände vermochten am Bestand und der Fälligkeit dieser Schuld nichts mehr zu ändern.
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Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Klägerin überhaupt keinen Schaden erleide, da sie ihre Tätigkeit eingestellt habe. Art. 161 Abs. 1 OR bestimmt jedoch ausdrücklich, die Konventionalstrafe sei auch verfallen, wenn dem Gläubiger kein Schaden erwachsen ist. Darin, dass in der Vereinbarung der Parteien von "Schadenersatz" und von "Entschädigung" die Rede ist, kann keine übereinstimmende Willensäusserung der Parteien gesehen werden, von der gesetzlich vorgesehenen Regelung abzuweichen. Eine Konventionalstrafe wird ja gerade vereinbart, um den Gläubiger der Notwendigkeit zu entheben, einen Schaden nachweisen zu müssen, was in Fällen der vorliegenden Art besonders schwierig wäre. Übrigens wäre es Sache der Beklagten gewesen, die Umstände zu behaupten und zu beweisen, welche ![]() | 32 |
lm übrigen bestehen keine Anhaltspunkte, die die vereinbarte Konventionalstrafe als übermässig hoch erscheinen liessen. Die Vereinbarung wurde zwischen geschäftserfahrenen Parteien getroffen, und insbesondere die Beklagte war durchaus in der Lage, sich über deren Tragweite Rechenschaft zu geben. Sie setzte sich über die eingegangene Verpflichtung bewusst und in Kenntnis der Folgen hinweg, denen sie sich dadurch aussetzte, dass sie Brosy anstellte und ihm ein Anfangsgehalt von Fr. 48 000.-- versprach, das wesentlich höher war als sein bei der Klägerin bezogener Lohn. Auf spätere Ereignisse, die auf ihren Entschluss, Brosy anzustellen, keinen Einfluss haben konnten, kann sich die Beklagte nicht berufen, um sich ihrer aus freien Stücken eingegangenen Verpflichtung auch nur teilweise zu entledigen. Bei der richterlichen Herabsetzung einer Konventionalstrafe ist, da sie einen Einbruch in den fundamentalen Grundsatz der Vertragstreue darstellt, Zurückhaltung geboten. Sie ist nur vorzunehmen, wenn der vertraglich vorgesehene Betrag so hoch ist, dass er das vernünftige, mit Recht und Billigkeit noch vereinbare Mass übersteigt. Das ist z.B. der Fall, wenn die Strafe zum Interesse des Gläubigers an der Aufrechterhaltung des Konkurrenzverbotes in keinem vernünftigen Verhältnis steht oder wenn sie die wirtschaftliche Lage des Schuldners in unbilligem Masse erschwert (BGE 91 II 383, BGE 82 II 146 und dort erwähnte Entscheide). Ebenso ist eine Herabsetzung geboten, wenn wegen besonderer Umstände, die beim Verfall der Strafe bereits bestanden - wie z.B. wenn die Verletzung des Konkurrenzverbotes erst kurz vor Ablauf der vereinbarten Dauer erfolgt ist - die Verletzung zur Höhe der Strafe in keinem vernünftigen Verhältnis steht. Die Beklagte vermag sich auf keinen dieser Herabsetzungsgründe zu berufen.
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