BGE 96 II 34 | |||
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7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Mai 1970 i.S. Käsereigenossenschaft Schwendi gegen Schweizerische Eidgenossenschaft. | |
Regeste |
Art. 58 OR. Haftung des Werkeigentümers. |
2. Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen der mangelhaften Unterhaltung des Zaunes und einem Unfall (Erw. 3 und 4). |
3. Selbstverschulden des Verletzten (Erw. 5 und 6)? | |
Sachverhalt | |
A.- Das der Käsereigenossenschaft Schwendi gehörende Käsereigebäude in Heiligenschwendi kann sowohl von Süden als auch von Norden (bergwärts) her betreten werden. Die nördlichen Eingänge erreicht man über eine westlich des Gebäudes liegende Gartentreppe und einen 1,6 m breiten Weg, der vom oberen Ende der Treppe rechtwinklig und waagrecht gegen Osten abbiegt und auf der Höhe des ersten Stockwerkes der Nordseite des Hauses entlang führt. Gartentreppe und Weg verlaufen der Krone von Stützmauern entlang, die einen westlich des Hauses liegenden Platz abgrenzen. Die Stützmauer längs des Weges ist 2,8 m hoch. Sie trug im Mai 1965 einen an senkrechten T-Eisen und drei Spanndrähten befestigten Zaun aus 82 cm hohem Drahtgeflecht. Der oberste Spanndraht war so locker, dass das Geflecht dort, wo es an die nordwestliche Ecke des Hauses stiess, nur auf etwa 72 cm Höhe reichte. Über diese Stelle des Zaunes fiel Füsilier Walter Nydegger auf den Platz hinunter, als er in der Nacht vom 9./10. Mai 1965 die Gartentreppe und den anschliessenden Weg benützte, um das Käsereigebäude, in dem er und weitere Wehrmänner während eines militärischen Einführungskurses einquartiert waren, von Norden her zu betreten.
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Nydegger wurde verletzt. Er trat seine Forderung aus der auf den Unfall zurückzuführenden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit an die Schweizerische Eidgenossenschaft ab. Diese klagte sie samt einer Ersatzforderung für die Leistungen der Militärversicherung gegen die Käsereigenossenschaft Schwendi ein.
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B.- Der Appellationshof des Kantons Bern hiess am 8. Oktober 1969 die Klage in vollem Umfange gut, nämlich im Betrage von Fr. 15'665.90 nebst 5% Zins seit 10. Mai 1965, Fr. 3, 192.75 nebst 5% Zins seit 9. Juni 1968 und Fr. 19.40 Betreibungskosten. Er bejahte die Haftung der Beklagten gemäss Art. 58 OR, weil der Zaun zu wenig hoch gewesen sei und wegen des zu lockeren obersten Spanndrahtes keinen festen Halt mehr geboten habe.
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C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Diese Auffassung ist nicht ohne weiteres unrichtig. Rund 82 cm entsprechen der Höhe einer normalen Fensterbrüstung und übersteigen die übliche Höhe eines Tisches oder ähnlichen Möbelstückes. Wer mit gewöhnlicher Aufmerksamkeit und im vollen Besitz seiner Sinne einem solchen Zaun entlang geht, sollte selbst dann, wenn er stolpert, nicht über den Zaun hinweg fallen. Dass 82 cm die halbe Höhe eines Erwachsenen von durchschnittlicher Grösse nicht erreichen, ändert nichts. Zu dieser Frage braucht aber nicht abschliessend Stellung genommen zu werden.
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Voraussetzung wäre jedenfalls, dass ein Drahtgeflecht von solcher Höhe einer stürzenden oder darnach greifenden Person einen festen Halt biete. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Der oberste Spanndraht des Zaunes war so locker, dass der Rand des Zaunes etwa 10 cm tiefer lag als er sich bei voller Anspannung des Drahtes befunden hätte. Der gleiche Umstand hatte zur Folge, dass der Zaun nicht fest war, also nicht genügend Halt bot. Ein nur etwa 72 cm hoher Zaun, der zudem nachgab, wenn sich jemand daran halten wollte oder dagegen stürzte, bot angesichts der örtlichen Verhältnisse nicht genügend Schutz. Er war im Sinne des Art. 58 OR fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten. Zu berücksichtigen ist unter anderem auch, dass der Weg längs des Zaunes nicht beleuchtet war. Der Benützer des Weges konnte bei Nacht den Mangel nicht sehen. Wenn er z.B. nach dem Zaun greifen wollte, um den Weg zu finden, konnte die lockere Stelle ihm zum Verhängnis werden. Besonders gefährdet war auch, wer in der Dunkelheit verkannte, wo der Zaun aufhöre und das Haus beginne. Unmittelbar neben der nordwestlichen Hausecke befindet sich eine Türe. Wer z.B. dort eintreten wollte, aber zu früh nach rechts abbog, konnte über den losen Zaun stürzen. Aus welchen Gründen Nydegger mit ihm in Berührung kam, ist für die Frage der Mangelhaftigkeit dieses Werkes unerheblich. Ob es die Benützer des Weges genügend schützte, beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten, unter Berücksichtigung dessen, was sich nach der Lebenserfahrung an einem Orte wie dem vorliegenden zutragen kann. Es kommt auch nichts darauf an, dass sich angeblich an der betreffenden Stelle bis zum Absturz Nydeggers noch keine Unfälle ereignet hatten. Wie lange schon der oberste Spanndraht locker gewesen war, steht übrigens nicht fest.
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Der Beklagten ist auch nicht darin beizupflichten, dass dieser Mangel von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, so dass sich jeder aufmerksame Benützer des Weges selber hätte dagegen schützen können (BGE 66 II 111, BGE 81 II 452, BGE 91 II 209). Er konnte in der Dunkelheit verkannt werden, und niemand brauchte mit ihm zu rechnen. Seine Behebung hätte wenig Mühe und Kosten erfordert. Er lässt sich nicht z.B. mit Fehlern vergleichen, die einer altmodischen Bauart oder Einrichtung eines Gebäudes zuzuschreiben sind und ohne unverhältnismässig grossen Aufwand nicht beseitigt werden können. Dass der in Frage stehende Zugang zum Hause der Beklagten nicht von jedermann benützt wird, ändert nichts. Dieser Umstand mag das Fehlen einer Beleuchtung verständlich machen, nicht aber den schlechten Zustand des Zaunes, der die Benützer vor einem Absturz, besonders in der Dunkelheit, zu schützen hatte.
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Es kommt auch nichts darauf an, dass der Verunfallte einer Truppe angehörte, die angeblich gegen den Willen der Beklagten oder der Hausbewohner im Käsereigebäude einquartiert worden sein soll. Nicht erst die Anwesenheit von Wehrmännern, sondern schon der Umstand, dass der Zaun am Zugang zu einem auch sonst benützten Gebäude stand, erforderte die Behebung des Mangels. Daher hilft auch der Einwand nicht, die Einquartierung habe nur vorläufigen Charakter gehabt. Der Vergleich mit einem im Umbau oder Ausbau stehenden Haus hinkt. Bei einem solchen ist der Zustand des Werkes ein bloss vorübergehender, und er lässt sich nicht vermeiden. Im vorliegenden Falle bestand kein Anlass, den Zaun vorübergehend, nämlich während der Einquartierung von Wehrmännern, in schlechtem Zustand zu lassen. Der mit der Einquartierung verbundene erhöhte Verkehr um das Haus war gegenteils ein zusätzlicher Grund, den Zaun instand zu stellen. Dass Wehrmänner im allgemeinen vorsichtiger seien oder sein sollten als Zivilpersonen, trifft nicht zu.
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3. Die Frage nach dem natürlichen Zusammenhang zwischen der geringen Höhe und der ungenügenden Festigkeit des Zaunes einerseits und dem Absturz Nydeggers anderseits betrifft tatsächliche Verhältnisse. Das Bundesgericht hat daher nicht zu prüfen, ob die Vorinstanz sie zu Recht bejaht hat (Art. 43 Abs. 3, 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2 OG). Die Beklagte wirft dem kantonalen Gericht weder ein offensichtliches Versehen noch eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften vor. Sie macht nur geltend, es sei weder nachgewiesen noch festgestellt, dass Nydegger wegen des zu niedrigen und gelockerten Drahtgeflechtes gestürzt sei. Die von der Beklagten vermisste Feststellung besteht jedoch darin, dass die Vorinstanz im Urteil einerseits erwähnt, die Beklagte bestreite den Kausalzusammenhang, und anderseits ausführt, er brauche nicht näher dargelegt zu werden.
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Dem ist nicht beizupflichten. Der Zaun wurde angebracht, um vor Abstürzen zu sichern. Es war vorauszusehen, dass er diesen Zweck nicht in allen im Bereiche gewöhnlichen Geschehens liegenden Fällen erfüllen könne, wenn das Drahtgeflecht wegen des zu lockeren Spanndrahtes nur etwa 72 cm hoch reiche und beweglich sei.
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Die Vorinstanz stellt jedoch fest, die von Nydegger als genossen angegebenen geringen Mengen alkoholischer Getränke - "um 21.00 Uhr ein Kübeli Bier, später ein Kaffee Schnaps und eine Flasche Bier" - gestatteten offensichtlich die Annahme einer Alkoholisierung nicht, und die Zeugenaussagen und Akten würdigt sie dahin, der Beweis sei missglückt. An diesen Schluss ist das Bundesgericht gebunden. Es darf nicht - auch nicht unter Berufung auf allgemeine Lebenserfahrung - prüfen, ob Nydegger von den eingenommenen Getränken in den Zustand der Angetrunkenheit geraten war. Selbst wenn solche bewiesen wäre, stände übrigens nicht fest, dass sie Ursache des Sturzes war. Wie die Beklagte selber ausführt, konnte die eigentliche Ursache desselben nicht abgeklärt werden. Ob Nydegger nicht abgestürzt wäre, wenn er weniger oder gar keinen Alkohol genossen hätte, ist eine Tatfrage, die das Bundesgericht nicht überprüfen darf.
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6. Die weiteren Vorwürfe, welche die Beklagte dem Verunfallten macht, um ein Selbstverschulden darzutun, halten nicht stand. Nydegger war nicht verpflichtet, den nördlichen Zugang zu seinem Quartier zu meiden, weil er unbeleuchtet war und er das Haus an beleuchteter Stelle von Süden her hätte betreten können. Nach der Feststellung der Vorinstanz benützte er jenen Zugang mit Rücksicht auf die übrigen Hausbewohner. Es gereicht ihm auch nicht zum Vorwurf, dass er keine Taschenlampe verwendete. Dass er den Mangel des Zaunes kannte, ist nicht festgestellt, und die Auffassung, er hätte ihn kennen sollen, geht zu weit. Es steht auch nicht fest, dass er sich an den Zaun gelehnt oder sich über diesen hinausgelehnt habe.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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