![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. April 1970 i.S. Zentrum-Bank AG gegen Konkursmasse Konrad. | |
Regeste |
Eigentumsvorbehalt; Erfordernis der Registrierung am jeweiligen Wohnsitz des Erwerbers der Sache (Art. 715 Abs. 1 ZGB). |
- Wohnsitz eines Geschäftsmannes, der mit seiner Familie vom Ort seiner Geschäftsniederlassung wegzieht. Haben seinem Namen beigefügte Ortsangaben in Gerichtsentscheiden und amtlichen Veröffentlichungen Bedeutung für den Beweis seines Wohnsitzes? (Art. 23 und 9 ZGB; Erw. 3). |
- Schutz des Veräusserers im Vertrauen auf solche Angaben? (Erw. 4). |
- Eintragung nach Eröffnung des Konkurses über den Erwerber? (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Im April 1967 zog Konrad mit seiner Familie nach Baar. Am 2. Mai 1967 meldete er sich bei der dortigen Einwohnerkanzlei an. Das Büro und die Werkstatt des Transportgeschäfts beliess er zunächst in Sihlbrugg. Am 1. Januar 1968 verlegte er das Büro nach Baar.
| 2 |
Am 19. Juli 1967 bewilligte ihm das Kantonsgericht des Kantons Zug eine Nachlassstundung. Am 15. März 1968 lehnte es dann aber die Bestätigung des von ihm vorgeschlagenen Nachlassvertrages ab, und am 16. April 1968 wurde über ihn der Konkurs eröffnet.
| 3 |
B.- Mit Eingaben an das Konkursamt Zug vom 23. April ![]() | 4 |
C.- Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die Hallen ihr Eigentum seien, und die Beklagte sei zu deren Herausgabe zu verpflichten.
| 5 |
Das Bundesgericht bestätigt das angefochtene Urteil.
| 6 |
Erwägungen: | |
7 | |
8 | |
Aus der Vorschrift, dass der Eigentumsvorbehalt zu seiner Wirksamkeit der Eintragung am "jeweiligen" Wohnsitz des Erwerbers bedarf, ergibt sich, dass im Falle eines Wohnsitzwechsels des Erwerbers die am bisherigen Wohnsitz erfolgte Eintragung den Eigentumsvorbehalt nicht aufrechtzuerhalten vermag, sondern dass hiezu die Eintragung am neuen Wohnsitz erforderlich ist.
| 9 |
Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Veräusserer gewöhnlich nicht in der Lage ist, die Eintragung am neuen Wohnsitz des Erwerbers sofort nach dessen Übersiedelung zu erwirken, bestimmte Art. 3 der Verordnung des Bundesgerichts betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte vom ![]() | 10 |
Im Entwurf eines Bundesgesetzes über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag (BBl 1960 I 589 ff.) schlug der Bundesrat vor, durch eine Revision von Art. 715 ZGB die Gültigkeit des Eigentumsvorbehalts davon abhängig zu machen, dass er innert eines Monats seit Übergabe eingetragen wird (abgeänderter Abs. 1), für die Eintragung am neuen Wohnort ebenfalls eine einmonatige Verwirkungsfrist vorzusehen, die mit der Kenntnis des Eigentümers vom Wohnortswechsel beginnen sollte (neuer Abs. 2), und den Erwerber zu verpflichten, dem Eigentümer einen Wohnortswechsel rechtzeitig mitzuteilen, widrigenfalls dieser berechtigt sein sollte, den Restkaufpreis zu fordern oder vom Vertrage zurückzutreten (neuer Abs. 3; vgl. zu diesen Vorschlägen die Erläuterungen in der bundesrätlichen Botschaft, BBl 1960 I 585). Wegen des Widerstandes, der sich bei der parlamentarischen Beratung namentlich gegen die Absätze 1 und 3 erhob (Protokoll der Beratungen der nationalrätlichen Kommission vom 24./25. Mai 1961, S. 69 f.; Sten.Bull. 1961, NR, S. 448 ff.), wurde schliesslich beschlossen, den Art. 715 des Entwurfs ganz zu streichen, m.a.W. den bisherigen Text von Art. 715 ZGB beizubehalten (Sten. Bull. 1961, StR, S. 238 f.; Protokoll der Beratungen der nationalrätlichen Kommission vom 22. Januar 1962, S. 14 ff.; Sten.Bull. 1962, NR, S. 10 f.). Mit Bezug auf die in Absatz 2 des Entwurfs vorgesehene Bestimmung über die neue Eintragung bei einem Wohnsitzwechsel wurde dabei die Ansicht geäussert, diese Bestimmung betreffe eine Einzelheit, die in der Verordnung des Bundesgerichts zu regeln sei (Sten. Bull. 1961, NR, S. 449 ff., Voten Monfrini, Huber, Rosset und Schürmann; Protokoll der Sitzung der ständerätlichen Kommission vom 13. November 1961, S. 18, Votum Bundesrat von Moos; Sten.Bull. 1962, NR, S. 10/11, Votum Schürmann). Zugleich wurde der Wunsch geäussert, das Bundesgericht möge seine Verordnung in diesem Punkte im Sinne eines bessern Schutzes des Veräusserers revidieren (Sten. Bull. 1961, NR, S. 452, Votum Schürmann; Protokoll der Sitzung der nationalrätlichen Kommission vom 22. Januar 1962, S. 16, Voten Bürgi und Schürmann; Sten.Bull. 1962, NR, S. 10/11, Voten Rosset, Schürmann und von Moos).
| 11 |
![]() ![]() | 12 |
Nach dem geltenden Recht verliert also die Eintragung am bisherigen Wohnsitz des Erwerbers ihre Wirkung mit dem Ablauf von drei Monaten seit der Verlegung des Wohnsitzes ohne Rücksicht darauf, wann der Veräusserer oder sein Rechtsnachfolger hievon Kenntnis erhält. Der Eigentumsvorbehalt kann auch nach Ablauf dieser Frist am neuen Wohnort eingetragen werden, aber nur mit Wirkung ex nunc.
| 13 |
14 | |
In ihrer Berufungsschrift hebt die Klägerin freilich wie schon im kantonalen Verfahren die Tatsache hervor, dass der Entscheid des Kantonsgerichts vom 19. Juli 1967 über die Nachlassstundung, der Schuldenruf des Sachwalters vom 25. Juli 1967 und der Entscheid des Kantonsgerichts vom 15. März 1968 über die Verwerfung des Nachlassvertrags dem Namen des Schuldners die von ihr als Angabe des Wohnsitzes aufgefasste Ortsangabe Sihlbrugg beifügten und dass auch die Veröffentlichungen dieser Erlasse in amtlichen Publikationsorganen diese Angabe enthielten. Im Anschluss daran macht sie u.a. geltend, die in solchen Erlassen und Veröffentlichungen enthaltenen Angaben über den Wohnsitz genössen öffentlichen Glauben und hätten die Vermutung der Richtigkeit für sich, sofern nicht ihre Unrichtigkeit nachgewiesen werde. Sie beruft sich damit der Sache nach auf Art. 9 ZGB, mit dem GULDENER an der von ihr angeführten Stelle (Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 351) seine Bemerkung belegt, dass öffentliche Urkunden die Vermutung der Richtigkeit für sich haben, sofern ![]() | 15 |
Verlegte Konrad seinen Wohnsitz schon im April 1967 von Sihlbrugg nach Baar, so hat die seinerzeitige Eintragung des Eigentumsvorbehalts bei dem für Sihlbrugg zuständigen Betreibungsamte Neuheim gemäss Art. 3 Abs. 3 der Verordnung vom 19. Dezember 1910 in der Fassung vom 29. Oktober 1962 ![]() | 16 |
17 | |
a) Art. 9 ZGB, auf den GULDENER an der von der Klägerin genannten Stelle (S. 351) verweist, regelt nur die Beweiskraft der öffentlichen Register und der öffentlichen Urkunden. Über die materiellrechtlichen Wirkungen, die ein solches Register oder eine solche Urkunde unter Umständen entfalten kann, sagt diese Vorschrift nichts aus. Insbesondere legt sie den öffentlichen Registern und Urkunden nicht öffentlichen Glauben in dem Sinne bei, dass gutgläubige Dritte auf die darin enthaltenen Angaben abstellen dürften, selbst wenn diese Angaben nicht stimmen (vgl. zu alledem KUMMER N. 18 zu Art. 9 ZGB). GULDENER will mit der von der Klägerin angerufenen Bemerkung: "Sie [die öffentlichen Urkunden] geniessen öffentlichen Glauben", nur auf die erhöhte Beweiskraft solcher Urkunden hinweisen; denn er fügt dieser Bemerkung, die im Kapitel über den Beweis durch Urkunden steht, erläuternd bei: "haben also die Vermutung der Richtigkeit für sich, sofern nicht ihre Unrichtigkeit nachgewiesen wird". - Art. 9 ZGB vermag im übrigen die Auffassung der Klägerin, sie sei im Vertrauen auf die Angaben in den erwähnten Entscheiden und Veröffentlichungen ![]() | 18 |
b) Die Praxis, wonach einem Rechtsuchenden, der sich auf eine ihm von der zuständigen Behörde erteilte, sachlich unrichtige Rechtsmittelbelehrung verlassen hat und verlassen durfte, aus dem entsprechenden Verhalten kein Nachteil erwachsen darf (BGE 78 I 297mit Hinweisen; vgl. nun auch Art. 107 Abs. 3 OG in der Fassung vom 20. Dezember 1968), beruht auf dem Grundsatze von Treu und Glauben, der auch im Prozessrecht (BGE 83 II 348 ff., E. 2, 3, BGE 84 I 62 E. 4, BGE 89 I 249 E. 2 a), im Betreibungsrecht (BGE 85 III 29 E. 3 a mit Hinweisen, BGE 94 I 374, BGE 94 III 82 E. 4) und im Verwaltungsrecht (BGE 94 I 351 mit Hinweisen) gilt (vgl. MERZ N. 69 ff. zu Art. 2 ZGB). Der aus diesem Grundsatz abzuleitende Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit behördlicher Angaben kann sich aber nur im Verhältnis zwischen dem Einzelnen und den Behörden bezw. dem Staate unmittelbar auswirken. So verhält es sich z.B. dann, wenn eine Rechtsmittelinstanz ein an sich verspätetes Rechtsmittel zulässt, weil die Vorinstanz der betreffenden Partei irrtümlicherweise angegeben hatte, die Rechtsmittelfrist betrage 30 Tage, während sie nur 20 Tage betrug. Dass sich die Gegenpartei in einem solchen Falle ihrerseits auf ein an sich verspätetes Rechtsmittel einlassen muss, ist eine blosse Reflexwirkung des Schutzes, den die Behörde dem Rechtsmittelkläger nach dem das Verhältnis zwischen ihm und ihr beherrschenden Grundsatze von Treu und Glauben zu gewähren hat. Im Unterschied zu solchen Fällen soll sich der von der Klägerin beanspruchte Schutz im Vertrauen auf die von ihr angerufenen behördlichen Angaben in erster Linie im Verhältnis zwischen ihr und dem Schuldner bezw. den Konkursgläubigern auswirken. Sie möchte die Gerichte bei den Angaben, die das Kantonsgericht als Nachlassbehörde in den erwähnten Entscheiden gemacht hatte, ausserhalb der Verfahren, in denen diese Entscheide ergangen waren, zwecks Durchsetzung eines materiellrechtlichen Anspruchs gegen die Konkursmasse des damaligen Nachlassschuldners behaften. Eine solche Rechtswirkung materieller Art lässt sich daraus, dass im Verhältnis zwischen den Parteien und den Gerichten ![]() | 19 |
c) Indem die Klägerin ausführt, sie habe keinen Anlass gehabt, an der Richtigkeit der Angaben in den Entscheiden des Kantonsgerichts als Nachlassbehörde und im Schuldenruf des Sachwalters sowie in den Veröffentlichungen dieser Erlasse zu zweifeln, beruft sie sich auf ihren guten Glauben.
| 20 |
Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein nach Art. 3 Abs. 1 ZGB zu vermuten. Der gute Glaube kann jedoch, wie schon der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt, Rechtswirkungen nur dort erzeugen, wo das Gesetz es besonders vorsieht. Art. 3 ZGB stellt nicht etwa einen allgemeinen Grundsatz des Inhalts auf, dass guter Glaube immer und überall vor dem Eintritt von Rechtsnachteilen schütze. Vielmehr schützt das Gesetz den guten Glauben nur in Einzelvorschriften, die für bestimmte Tatbestände diesen Schutz anordnen und seine Tragweite umschreiben (JÄGGI N. 11, 12, 63 und 69 zu Art. 3 ZGB).
| 21 |
Die Klägerin könnte also mit ihrer Auffassung nur durchdringen, wenn sich dem Bundesrecht eine Bestimmung entnehmen liesse, die vorsähe, dass die Eintragung eines Eigentumsvorbehalts am frühern Wohnsitz des Erwerbers ihre Wirkung mit dem Ablauf von drei Monaten seit dem Wohnsitzwechsel nicht verliere, wenn der Veräusserer im Vertrauen auf unzutreffende Angaben in behördlichen Erlassen oder Veröffentlichungen gutgläubig annahm, der Erwerber habe seinen bisherigen Wohnsitz beibehalten. Eine Vorschrift dieses Inhalts ist jedoch dem schweizerischen Rechte unbekannt. Art. 715 Abs. 1 ZGB macht die Wirksamkeit eines Eigentumsvorbehalts allgemein davon abhängig, dass er am jeweiligen Wohnort des Erwerbers eingetragen ist. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatze liegt in Art. 3 Abs. 3 der bundesgerichtlichen Verordnung betr. die Eintragung der Eigentumsvorbehalte, der den Eintrag am frühern Wohnort während dreier Monate seit dem Wohnsitzwechsel des Erwerbers (nicht seit dem Zeitpunkte, da der Veräusserer von diesem Wechsel Kenntnis erhielt oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte Kenntnis erhalten können) weiterwirken lässt.
| 22 |
![]() | 23 |
Die Vorbringen der Klägerin können also nichts daran ändern, dass die Eintragung des streitigen Eigentumsvorbehalts im Register des Betreibungsamtes Neuheim ihre Wirkung im Juli 1967 verloren hat.
| 24 |
5. In Baar, wo Konrad seit April 1967 wohnt, ist der streitige Eigentumsvorbehalt weder vor noch nach dem Aufhören der Wirkungen der in Neuheim erfolgten Eintragung eingetragen worden. Das Eintragungsgesuch der Klägerin vom 26. Juni 1968 wurde vom Betreibungsamt Baar am 27. Juni 1968 abgewiesen. Der Eigentumsvorbehalt der Klägerin an den beiden Hallen ist also im Juli 1967 dahingefallen und seither nicht wieder in Kraft getreten, so dass die Klägerin nicht berechtigt ist, die Aussonderung dieser Hallen aus der Konkursmasse Konrads zu verlangen. Hiebei bliebe es im übrigen auch dann, wenn das Betreibungsamt Baar den Eigentumsvorbehalt auf das Gesuch vom 26. Juni 1968 hin eingetragen hätte, was wohl zulässig gewesen wäre, obwohl Konrad am 16. April 1968 in Konkurs gefallen war (BGE 93 III 108 lit. a mit Hinweisen); denn ein erst nach der Eröffnung des Konkurses über den Erwerber eingetragener Eigentumsvorbehalt ist in diesem Konkurs nicht zu beachten (BGE 93 III 107 ff. E. 7).
| 25 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |