BGE 96 II 262 | |||
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38. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. August 1970 i.S. Brehm gegen Schüep. | |
Regeste |
Art. 35 OG. Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn zwei Abteilungen des Bundesgerichts zu einer bestimmten Frage eine abweichende Rechtsprechung entwickeln, aber nur eine Abteilung die einschlägigen Entscheide veröffentlicht und eine Partei im Vertrauen auf die publizierte Rechtsprechung ein Rechtsmittel ergreift, das sich nachträglich als unrichtig erweist (Erw. 1). | |
Sachverhalt | |
A.- Adolf Brehm, von Beruf Treuhänder, war Generalvertreter der schwedischen Firma Stex Svensk Trähus Export Förening U.P.A., die sich mit der Herstellung und Ausfuhr von Holzhäusern aus vorfabrizierten Elementen befasst. Im Jahre 1962 vereinbarte Brehm mit dem Architekten Hans Schüep in Zürich, dieser solle eine Bauberatungsstelle für Stex-Häuser betreiben und Bauaufträge von Interessenten übernehmen. Schüep führte für Brehm insbesondere Vorarbeiten für die Erstellung von Stex-Häusern aus. Indessen kam es bald zu Differenzen, die am 21. Oktober 1963 zur Auflösung des Auftragsverhältnisses führten.
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Schüep belangte Brehm mit Klage vom 23. März 1964 auf Bezahlung von Fr. 17.810.60 nebst Zinsen. Brehm erhob Widerklage auf Bezahlung von Fr. 25'000.--. Das Bezirksgericht Zürich sprach dem Kläger Fr. 9'444.25 zu und wies die Widerklage ab. Das Obergericht des Kantons Zürich, bei dem beide Parteien Berufung einlegten, bestätigte das bezirksgerichtliche Urteil am 9. April 1968. Inbezug auf zwei gutgeheissene Posten von Fr. 2'345.55 und 1'592.60, welche Architekturarbeiten für ein Haus in Meisterschwanden betrafen, hatte Brehm in der Berufungsbegründungsschrift geltend gemacht, der Kläger Schüep habe die Vorbereitungen für den Baubeginn so liederlich oder überhaupt nicht getroffen, dass sozusagen alles neu oder überhaupt gemacht werden musste. Zu diesem Einwand führte das Obergericht in seinem Urteil aus, der Kläger habe schon vor erster Instanz behauptet, von seiner Seite seien alle Vorbereitungen für den Baubeginn, soweit sie möglich gewesen seien, getroffen worden, und diese im einzelnen genau substantiierte Behauptung sei in der Berufungsbegründungsschrift nicht bestritten worden; im Vorbringen, Telser habe bezügliche Arbeiten ausführen müssen, liege keine ausreichende Bestreitung der Behauptung, der Kläger habe diese Arbeiten bereits ausgeführt gehabt; dem Kläger könne daher die verdiente Vergütung nicht verweigert werden.
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B.- Der Beklagte reichte beim Kassationsgericht des Kantons Zürich eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss § 344 zürch.
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Das Kassationsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 17. Juli 1968 ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. In den Erwägungen führte es aus, dass jene Annahme des Obergerichts dem Vorbringen des Beklagten nicht gerecht werde, da dieser (wie im einzelnen dargelegt wird) in der Berufungsbegründung verschiedene Arbeiten aufgezählt habe, die der Kläger nicht ausgeführt habe. Es liege demnach eine Aktenwidrigkeit vor, doch hätte diese als offensichtliches Versehen bei der Feststellung einer nach Bundesrecht zu beurteilenden Tatsache mit der Berufung ans Bundesgericht geltend gemacht werden können (Art. 55 lit. d OG), weshalb das Kassationsgericht auf die Rüge nicht eintreten könne (§ 345 ZPO).
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C.- Gegen diesen Entscheid des Kassationsgerichts hat Brehm staatsrechtliche Beschwerde erhoben, die die Kammer für Beschwerden wegen Art. 4 BV nach einem Meinungsaustausch im Sinne von Art. 16 OG mit den beiden Zivilabteilungen vom 20. April 1970 am 3. Juni 1970 abgewiesen hat (BGE 96 I 193 ff.).
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D.- Am 12. Juni 1970 stellte Brehm dem Bundesgericht das Gesuch, ihm die Frist zur Einreichung der Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 9. April 1968 wiederherzustellen, und reichte gleichzeitig die Berufungsschrift gegen diesen Entscheid ein.
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Schüep beantragt, das Wiederherstellungsbegehren abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 35 OG können nicht nur objektive, sondern auch subjektive, psychische Hinderungsgründe die Wiederherstellung einer Frist unter Umständen rechtfertigen. Demnach fällt als Wiederherstellungsgrund auch ein die Fristversäumnis bewirkender Irrtum in Betracht, in den der Gesuchsteller, ohne selbst dafür einstehen zu müssen, durch das Verhalten einer Behörde - namentlich durch unrichtige Rechtsmittelbelehrung seitens einer Amtsstelle, die den angefochtenen Entscheid getroffen hat - versetzt worden ist (BGE 76 I 189, 357, BGE 85 II 148 f.).
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b) Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat in Anwendung des Art. 81 aoG entschieden, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz die Übereinstimmung des festgestellten Tatbestandes mit den Akten nicht überprüfen könne, soweit sich diese Feststellungen auf die Anwendung des ausländischen Rechts (BGE 35 II 145) oder des kantonalen Prozessrechts (BGE 45 II 357) beziehen. Sie hat diese Rechtsprechung auch unter der Herrschaft des OG von 1943 bestätigt, woraus folgt, dass der Gesuchsteller mit der Berufung nicht hätte geltend machen können, die im Urteil des Obergerichtes enthaltene Feststellung, es fehle an einer ausreichenden Bestreitung eines Klagevorbringens, beruhe auf einem offensichtlichen Versehen. Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat dagegen in verschiedenen unveröffentlichten Entscheiden gerade das Gegenteil angenommen (vgl. BGE 96 I 197 Erw. 3).
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Ob der Beschwerdeführer die beiden in der staatsrechtlichen Beschwerde angeführten Entscheide der I. Zivilabteilung (BGE 35 II 145undBGE 45 II 357) kannte, als er die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde einreichte, ist ohne Belang. Entscheidend ist einzig, dass sein Entschluss, die Aktenwidrigkeit mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten, mit der veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichts im Einklang stand. Es fragt sich, ob nicht von einem unverschuldeten Hindernis gesprochen werden muss, wenn zwei Abteilungen des Bundesgerichts zu einer bestimmten Frage eine abweichende Rechtsprechung entwickeln, aber nur eine Abteilung die einschlägigen Entscheide veröffentlicht. In einem solchen Falle kann einem Gesuchsteller - entgegen der Auffassung des Gesuchsgegners - nicht zugemutet werden, vorsorglich alle in Betracht kommenden Rechtsmittel, die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung an das Bundesgericht, zu ergreifen; vielmehr darf er im Vertrauen auf die veröffentlichte Rechtsprechung von unnötigen Weiterungen absehen. Es wäre auch im höchsten Masse stossend, wenn der Gesuchsteller, der nach der veröffentlichten Rechtsprechung handelte, das Opfer einer innerhalb des Bundesgerichts seit Jahren bestehenden widersprüchlichen Auffassung würde.
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Dieser Einwand trifft nicht zu. Das Kassationsgericht erklärt in den Erwägungen seines Entscheides vom 17. Juli 1968 nur, die Aktenwidrigkeit hätte als offensichtliches Versehen mit der Berufung gerügt werden müssen. Erst in der Vernehmlassung vom 27. September 1968, die dem Gesuchsteller mit der Verfügung des Präsidenten der staatsrechtlichen Kammer vom 4. Oktober 1968 zugestellt wurde, belegt es seine Auffassung unter Hinweis auf einen unveröffentlichten Entscheid der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 6. Oktober 1960 i.S. Ember gegen Schaffner. Damit hatte zwar der Gesuchsteller Kenntnis davon, dass eine abweichende Rechtsprechung der II. Zivilabteilung bestand, aber noch keine Veranlassung, das Wiederherstellungsgesuch unverzüglich einzureichen. Denn er wusste ja erst mit der Zustellung des Dispositivs des Beschwerdeentscheides vom 3. Juni 1970, welches Rechtsmittel am Platz gewesen wäre.
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Demnach beschliesst das Bundesgericht:
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