![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
42. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Juni 1970 i.S. Obrecht gegen Obrecht. | |
Regeste |
Auflösung des ehelichen Vermögens infolge des Todes eines Ehegatten; Berechnung des Vor- oder Rückschlags (Art. 214 ZGB). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Durch Vertrag vom 8. September 1924 kaufte Johann Obrecht, der seit dem 19. Dezember 1921 geschieden war, zum Preise von Fr. 24'500.-- ein kleines Einfamilienhaus in Zürich. Die ![]() | 2 |
Die gesetzlichen Erben Obrechts, der keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat, sind eine Tochter aus seiner ersten Ehe und die zweite Ehefrau, mit der er unter dem Güterstande der Güterverbindung gelebt hatte. Das Hauptaktivum des ehelichen Vermögens bestand am Todestage Obrechts in der Liegenschaft, deren Wert während der Ehe unstreitig um Fr. 50'500.-- zugenommen hat.
| 3 |
Im Erbteilungsprozess der Tochter gegen die Witwe des Erblassers stritten die Parteien vor allem darüber, ob dieser Mehrwert in die Berechnung des ehelichen Vorschlags einzubeziehen sei oder nicht. Mit dem Bezirksgericht Zürich und im Gegensatz zum Obergericht des Kantons Zürich bejaht das Bundesgericht diese Frage.
| 4 |
Aus den Erwägungen: | |
5 | |
a) Nach Art. 214 Abs. 1 ZGB ist bei der Auflösung des ![]() | 6 |
Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz festgestellt, die Wertvermehrung der streitigen Liegenschaft sei einzig auf die Konjunktur zurückzuführen. Investitionen, die zu dieser Wertvermehrung beigetragen hätten, seien während der Ehe der Beklagten mit dem Erblasser nicht erfolgt. Dass diese Feststellungen unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen seien oder offensichtlich auf Versehen beruhen, wird von der Beklagten nicht behauptet, und es bestehen dafür auch keine Anhaltspunkte. Sie sind daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG).
| 7 |
Ist die Liegenschaft eingebrachtes Mannesgut und die Wertvermehrung rein konjunkturbedingt, so kann nach den dargelegten Grundsätzen keine Rede davon sein, dass der Errungenschaft eine Ersatzforderung für die eingetretene Wertsteigerung zustehe.
| 8 |
Hiebei bliebe es selbst dann, wenn die Behauptung der Beklagten zuträfe, der Erblasser hätte das Haus mit seinem Einkommen nicht halten können, wenn daneben nicht Leistungen aus Frauen- und Sondergut erfolgt wären. Wie die Beklagte selbst ausführt, wurden damit u.a. Auslagen für den laufenden ![]() | 9 |
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf HINDERLING (Wertsteigerungen eingebrachter Güter bei der Güterverbindung, in Festgabe zum Schweiz. Juristentag 1963, S. 107 ff.; Wertsteigerungen und Ersatzforderungen bei der Güterverbindung, SJZ 1965 S. 17 ff.); denn auch dieser Autor hält für Fälle wie den vorliegenden an der "grundsätzlichen und bedeutsamen Unterscheidung" zwischen unverdientem und erarbeitetem Wertzuwachs fest (Festgabe S. 112 Ziff. 2 und S. 124) und hat wörtlich ausgeführt, wenn "die Liegenschaft zum Einbringen des Ehemannes gehört, geht die lediglich konjunkturbedingte Wertsteigerung die Vorschlagsberechnung nichts an" (SJZ 1965 S. 17, 1. Spalte). Die gleiche Auffassung vertritt auch A. J. WIEDERKEHR, der auf die Übereinstimmung von Schrifttum und Rechtsprechung in dieser Frage hinweist (Die Berücksichtigung der Wertsteigerungen der eingebrachten Güter bei der Vorschlagsberechnung, Zürcher Diss. 1966, S. 52 unten).
| 10 |
b) Es lässt sich freilich nicht verkennen, dass die Beklagte gegenüber ihrem Ehemann bzw. seinem Nachlass benachteiligt ist, wenn der Wertzuwachs des mit ihrer Hilfe erworbenen Grundstücks dem eingebrachten Mannesgut zugute kommt und ihr im Zusammenhang mit diesem Erwerb nur eine erst bei Auflösung der Ehe fällig werdende Forderung gegen den Ehemann in Höhe des von ihr gewährten, zur Leistung der Anzahlung bestimmten Darlehens nebst Zins bis zum Eheabschluss zugestanden wird.
| 11 |
Diese Benachteiligung lässt sich jedoch von vornherein nicht etwa dadurch wenigstens teilweise beheben, dass der Beklagten für die Dauer der Ehe ein Anspruch auf Verzinsung des von ihr vorgestreckten Geldes zugebilligt würde. Art. 201 Abs. 1 ZGB, wonach der Ehemann die Nutzung am eingebrachten Frauengut hat, verbietet die Gewährung eines solchen Zinsanspruchs ![]() | 12 |
Das entstandene Missverhältnis ist aber auch nicht so schwerwiegend, dass entsprechend einer Anregung von HINDERLING (Festgabe S. 111 Fussnote 13) auf Grund von Art. 2 ZGB eingegriffen werden könnte. Die Geldentwertung und die den Wertschwund des Geldes überkompensierende Steigerung der Grundstückpreise wirken sich bei zahlreichen andern Schuldverhältnissen von langer Dauer ähnlich aus wie im vorliegenden Falle, ohne dass deswegen jetzt schon geradezu von einer "Sozialkatastrophe", einer einschneidenden Veränderung der "Sozialexistenz" (MERZ N. 214 ff. und 258 zu Art. 2 ZGB) gesprochen werden könnte, die mangels einer entsprechenden Gesetzgebung allenfalls eine Aufwertung der betreffenden Geldforderungen durch den Richter rechtfertigen könnte. Eine Anpassung der aus dem Darlehen der Beklagten herrührenden Forderung an die Wertvermehrung des Grundstücks, dessen Kaufpreis zum Teil mit dem geliehenen Gelde getilgt wurde, lässt sich aber auch nicht etwa damit begründen, dass diese Forderung im Grunde genommen auf eine Sachleistung gerichtet sei (vgl. zu solchen Fällen MERZ N. 207 ff. zu Art. 2 ZGB); denn die Forderung der Beklagten hat nicht diesen Charakter.
| 13 |
Eine andere Frage ist es, ob sich im Sinne des Aufsatzes von HINDERLING in SJZ 1965 S. 17 ff. aus dem Wesen der Güterverbindung und der Ehe ableiten lasse, dass Ersatzforderungen, die entstehen, weil Mittel einer bestimmten Masse des Vermögens der Ehegatten für eine bestimmte, zu einer andern Masse gehörende Sache verwendet werden, in gewissen Fällen veränderlich seien, d.h. die Schwankungen des Werts der betreffenden Sache mitmachen. Diese Frage braucht hier nicht umfassend geprüft zu werden, weil auf jeden Fall die Forderung, die aus der Hingabe des für die Anzahlung von Fr. 3700.-- erforderlichen Geldes entstanden ist, nicht als veränderlich gelten kann. Es handelte sich dabei ursprünglich um eine ihrer Natur nach unveränderliche Darlehensforderung. Diese Darlehensforderung verwandelte sich damit, dass die Beklagte sie in die Ehe einbrachte, freilich in eine Ersatzforderung, und zwar ![]() | 14 |
c) Es fragt sich indessen, ob die streitige Liegenschaft, wie bisher mit der Vorinstanz vorausgesetzt, im Sinne des Art. 214 Abs. 1 ZGB wirklich zum eingebrachten Mannesgut gehöre.
| 15 |
Der Erblasser hat diese Liegenschaft, in die er die Beklagte wenige Wochen nach Abschluss des Kaufvertrags einziehen liess, zweifellos im Hinblick auf die spätere Eheschliessung erworben, und es steht auch ausser Zweifel, dass die Beklagte ihm das für die Anzahlung bestimmte Darlehen im Hinblick auf die geplante Heirat gewährte. Hieran ändert nichts, dass die Heirat erst ein Jahr nach dem Erwerb der Liegenschaft stattfand. Die Behauptung der Beklagten, die Ehe habe wegen eines gegenüber dem Erblasser bestehenden Eheverbots nicht früher geschlossen werden können, wird zwar durch die Akten nicht ![]() | 16 |
Der Erblasser war beim Erwerb der Liegenschaft auf eine finanzielle Hilfe, wie die Beklagte sie ihm durch das Darlehen von Fr. 3700.-- gewährte, unbedingt angewiesen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war er damals zwar nicht überschuldet. Er befand sich aber doch in angespannten finanziellen Verhältnissen. Aus einem Schreiben der SBB vom 5. September 1922 ergibt sich, dass er diese um ein Darlehen von Fr. 1500.-- ersucht hatte. Die Beklagte hatte ihm schon am 21. Oktober 1922 Fr. 100.-- und am 4. April 1924 Fr. 2000.-- geliehen. Er hatte - abgesehen von der Belastung mit den Kosten der Scheidung seiner ersten Ehe, deren Höhe nicht bekannt ist - für seine beiden Kinder aus dieser Ehe (von denen eines 1929 gestorben ist) monatlich je Fr. 70.- zu entrichten sowie die erste Frau für ihre Frauengutsforderung (in nicht bekannter Höhe) abzufinden. Er war daher nicht in der Lage, die beim Kaufabschluss zu leistende Barzahlung aus eigenen Mitteln aufzubringen. Mit der Gewährung des Darlehens von Fr. 3700.-- schuf die Beklagte also eine unerlässliche Voraussetzung dafür, dass der Erblasser das als eheliches Heim vorgesehene Haus kaufen konnte.
| 17 |
Der Erblasser und die Beklagte haben also im Hinblick auf die geplante, nicht sofort mögliche Heirat wie Eheleute nach Massgabe ihrer finanziellen Möglichkeiten zusammengewirkt, um sich ein Heim zu sichern. Der Beitrag des Ehemanns bestand in der Eingehung von Grundpfandschulden von Fr. 20'800.--, der Beitrag der Beklagten in der leihweisen Hingabe des für die Anzahlung benötigten Geldbetrags von Fr. 3700.--, den sie offenbar ihren Sparguthaben entnahm. Angesichts dieser besondern Umstände ist die streitige Liegenschaft, obwohl sie vor der Heirat vom Kläger gekauft und auf seinen Namen im Grundbuch eingetragen wurde, nicht zum eingebrachten Mannesgut zu rechnen. Was ein Ehegatte vor der ![]() | 18 |
Die Beklagte vertritt in der Berufungsschrift die Auffassung, es liesse sich sogar rechtfertigen, die mit ihrer Hilfe gekaufte Liegenschaft als Ersatzanschaffung für eingebrachtes Frauengut und damit als Teil dieser Vermögensmasse zu betrachten. Hieran ist grundsätzlich soviel richtig, dass Anschaffungen für den gemeinsamen Haushalt, die der Ehemann im Einverständnis mit seiner Braut und ausschliesslich mit ihren Mitteln (oder mit solchen ihrer Eltern) verhältnismässig kurze Zeit vor der Eheschliessung gemacht hat, in der Regel als Eigentum der Ehefrau zu gelten haben (vgl.BGE 52 II 10). Im vorliegenden Falle erfolgte die Anschaffung jedoch nicht ausschliesslich aus Mitteln der künftigen Ehefrau, sondern der Ehemann brachte den grössern Teil des Kaufpreises durch Eingehung von Grundpfandschulden auf, und zudem wurde das Haus mit wenn nicht ausdrücklicher, so doch zum mindesten konkludenter Einwilligung der Beklagten auf den Namen des Erblassers gekauft. Daher kann nicht die Rede davon sein, dass der Erblasser es für die Beklagte erworben habe. Vielmehr wird den gegebenen besondern Verhältnissen nur die Annahme gerecht, dass die streitige Liegenschaft zwar Eigentum des Mannes wurde, aber nicht zu seinem eingebrachten Gut, sondern zur Errungenschaft ![]() | 19 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |