![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Mai 1971 i.S. Wirz gegen Wirz. | |
Regeste |
Verjährung. |
2. Art. 60 Abs. 2 OR. Beginn, Dauer und Unterbrechung der strafrechtlichen Verjährung, wenn diese auch für den Zivilanspruch gilt (Erw. 2 und 3). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Am 26. April 1968 klagte Elise Wirz gegen Arthur Wirz auf Bezahlung von Fr. 16 665.55. Sie verlangte Ersatz für Heilungskosten und andere Auslagen, Erwerbsausfall in ![]() | 2 |
Das Kantonsgericht Obwalden, das ein Beweisverfahren durchführte, verwarf die Verjährungseinrede und hiess die Klage am 16. Juli 1970 im Teilbetrage von Fr. 2353.-- nebst 5% Zins seit 1. Juli 1962 gut.
| 3 |
Beide Parteien appellierten an das Obergericht des Kantons Obwalden, das sich auf Begehren des Beklagten auf die Frage der Verjährung beschränkte. Mit Vorentscheid vom 11. Dezember 1970 verneinte es, dass die Verjährung eingetreten sei, und wies die Einrede ab.
| 4 |
C.- Der Beklagte hat gegen diesen Entscheid die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er beantragt, ihn aufzuheben und die Klage wegen Verjährung abzuweisen.
| 5 |
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
| 6 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
7 | |
Die erste dieser Voraussetzungen ist hier offensichtlich erfüllt, da bei Gutheissung der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede sich sofort ein Endentscheid auf Abweisung der Klage ergäbe. Der Beklagte hält auch die zweite Voraussetzung für gegeben. Die Klägerin widerspricht dem an sich nicht, weist aber darauf hin, dass die Frage von Amtes wegen zu prüfen sei.
| 8 |
Das Kantonsgericht hat die Verjährungseinrede im Einverständnis des Beklagten nicht zum Gegenstand eines Vorentscheides gemacht; es hat darüber vielmehr entschieden, als es nach Durchführung eines Beweisverfahrens in der Sache selber urteilte. In bezug auf die Folgen der Körperverletzung stellte das Kantonsgericht dabei vor allem auf schriftliche Arztzeugnisse ab. Die Klägerin rügte dies und beantragte dem Obergericht, zehn bereits vor erster Instanz angerufene, aber nicht abgehörte Zeugen, die mit einer Ausnahme Ärzte sind, ![]() | 9 |
10 | |
Der Beklagte ist wegen des Vorfalles, welcher der Zivilklage zugrunde liegt, am 3. Oktober 1963 rechtskräftig wegen einfacher Körperverletzung bestraft worden. Damit steht für den Zivilrichter verbindlich fest, dass eine strafbare Handlung im Sinne von Art. 60 Abs. 2 OR vorliegt (BGE 93 II 501, BGE 96 II 43). Das Vergehen der einfachen Körperverletzung verjährt ordentlicherweise in fünf Jahren (Art. 70 und 123 Ziff. 1 StGB). Diese Frist begann mit dem Tage der Tatbegehung (BGE 96 II 44 /45) und lief am 13. Januar 1967 ab. Sie dauerte länger als die einjährige Frist des Art. 60 Abs. 1 OR, die im Juni 1964, als die Klägerin sich nach ihren eigenen Angaben über das Ausmass des Schadens Rechenschaft geben konnte, zu laufen begann und übrigens unbenützt verstrichen ist. Die Verjährungsfrist des Strafrechts gilt daher auch für den Zivilanspruch.
| 11 |
Das Bundesgericht nahm zunächst an, ob die strafrechtliche oder die zivilrechtliche Verjährung länger sei, beurteile sich nach den beiden Verjährungen eigenen Regeln; es gehe daher nicht an, die zivilrechtlichen Unterbrechungs- und Stillstandsgründe anstelle der strafrechtlichen oder zusammen mit diesen anzuwenden, wenn die Dauer der strafrechtlichen Verjährung zu ermitteln sei (BGE 77 II 319f.). Im Jahre 1965 rückte es ![]() | 12 |
3. Streitig ist dagegen, welche Bedeutung der absoluten strafrechtlichen Verjährungsfrist, die für einfache Körperverletzung 7 1/2 Jahre beträgt (Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB), nach Art. 60 Abs. 2 OR zukommt. Das Obergericht nimmt an, die Klägerin habe ihre Zivilansprüche innert dieser bis zum 13. Juli 1969 dauernden Frist geltend machen können. Das ist auch die Meinung des Beklagten, der sich jedoch im Gegensatz zur Vorinstanz auf den Standpunkt stellt, mit dem Ablauf der absoluten Verfolgungsverjährung seien die Ansprüche der Klägerin, wie sich aus Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB ergebe, "in jedem Fall" verjährt. Art. 60 Abs. 2 OR bezwecke bloss, die Forderung aus unerlaubter Handlung solange nicht untergehen zu lassen, als die Strafverfolgung nicht verjährt sei; ob und um wieviel diese Verjährung länger sei als die des Zivilrechts, sage das Strafgesetzbuch, das die strafrechtliche Verjährung abschliessend regle. Die Klägerin vertritt demgegenüber die Ansicht, ![]() | 13 |
a) Der Auffassung des Beklagten ist vorweg entgegenzuhalten, dass die Forderung des Geschädigten mit dem Ablauf der Verjährung nicht untergeht; sie bleibt bestehen, kann aber nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden. Dadurch unterscheidet sich die zivilrechtliche Verjährung denn auch von derjenigen des Strafrechts, wo der Strafanspruch des Staates mit dem Zeitablauf von Gesetzes wegen untergeht. Der Strafanspruch verjährt zudem trotz Unterbrechungen, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte, bei Ehrverletzungen und bei Übertretungen um ihre ganze Dauer überschritten ist (Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Das Zivilrecht kennt dagegen keine absolute Verjährung in diesem Sinne. Bei drohendem Ablauf der Verjährung dürfen nicht nur die einjährige Frist des Art. 60 Abs. 1, sondern auch die zehn- und fünfjährigen Fristen der Art. 127 und 128 OR stets von neuem durch Mittel des Zivilrechts unterbrochen werden, ohne dass der Beklagte sich auf eine absolute Schranke berufen könnte.
| 14 |
Die absolute Verjährungsfrist des Strafrechts auf den Zivilanspruch anzuwenden, wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Es wäre insbesondere stossend, wenn der Anspruch wegen der Dauer des Zivilprozesses verjähren könnte, obschon der Geschädigte ihn rechtzeitig geltend machte. Diese Gefahr bestände namentlich dann, wenn die absolute Verjährungsfrist des Strafrechts wie hier 7 1/2 Jahre beträgt, der Geschädigte mit seinem Anspruch auf den Zivilweg verwiesen wird und die Klage von mehreren Instanzen beurteilt werden muss. Dass der Geschädigte diesfalls, wie der Beklagte behauptet, den Nachteil der Verjährung seiner eigenen Säumnis zuzuschreiben habe, wenn der Anspruch innert der Frist nicht mehr rechtskräftig beurteilt werden könne, lässt sich nicht sagen, da die Dauer des Verfahrens auch von Umständen abhängt, die er nicht zu vertreten hat; der Geschädigte kann insbesondere nicht verhindern, dass das Verfahren durch Rechtsmittel des Belangten in die Länge gezogen wird.
| 15 |
Die vom Beklagten befürwortete Lösung widerspräche zudem nicht nur dem Zweck des Art. 60 Abs. 2 OR, den Geschädigten besser zu stellen, sondern auch der 1965 eingeleiteten Rechtsprechung. Dass der Geschädigte eine allenfalls längere Verjährungsfrist des Strafrechts nur bis zum Eintritt der absoluten ![]() | 16 |
b) Im vorliegenden Fall wurde die ordentliche Strafverfolgungsfrist von fünf Jahren insbesondere am 13. Januar 1967 durch Betreibung und am 26. April 1968 durch die Klage unterbrochen. Da die Frist jeweils mit der ursprünglichen Dauer von neuem begann, sind die Zivilansprüche der Klägerin nicht verjährt.
| 17 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 18 |
19 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |