BGE 97 II 180 | |||
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25. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1971 i.S. Schweizerische Bundesbahnen gegen Bingisser. | |
Regeste |
Örtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem EHG gegen die SBB (Art. 19 EHG, Art. 4 Eisenbahngesetz, Art. 5 BBG). |
2. Art. 5 BBG schliesst den kantonalen Gerichtsstand des Unfallortes nicht aus (Erw. 2-5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 16. Oktober 1969 reichten die Witwe und deren drei Kinder beim Bezirksgericht Brugg gegen die SBB Schadenersatzklage ein.
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Die Beklagten erhoben die Einrede der Unzuständigkeit des angegangenen Richters. Sie führten im wesentlichen aus, gemäss Art. 5 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1944 über die Schweizerischen Bundesbahnen (Abk.: BBG) könnten diese nur an ihrem Sitz in Bern oder am Hauptort jedes Kantons von den Kantonseinwohnern belangt werden. Diese Regelung sei abschliessend und lasse keinen Raum für kantonale Gerichtsstandsvorschriften, namentlich nicht für den in § 12 lit. c der aargauischen Zivilprozessordnung vorgesehenen Gerichtsstand des Unfallortes.
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Sowohl das Bezirksgericht Brugg als auch das Obergericht des Kantons Aargau, letzteres mit Urteil vom 23. Februar 1971, wiesen die Einrede ab.
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C.- Die SBB haben gegen den obergerichtlichen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie stellen folgende Anträge:
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"1. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 23. Februar 1971 sei wegen Verletzung von Bundesrecht (BBG Art. 5) aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die Beklagten sich nicht auf die vor Bezirksgericht Brugg angehobene Klage einzulassen haben.
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2. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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3. Vorsorglich sei der Vollzug des obergerichtlichen Entscheides ohne Sicherheitsleistung (Art. 70 Abs. 2 OG) aufzuschieben.
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4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
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Die Kläger beantragen Nichteintreten auf die Beschwerde, eventuell Abweisung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die von den Klägern angehobene Schadenersatzklage stellt eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit dar, deren Streitwert nach der Klageschrift Fr. 8000.-- übersteigt. Gemäss Art. 46 OG ist sie somit berufungsfähig. Mit der Berufung anfechtbar sind ausser den Endentscheiden der in Art. 48 OG genannten Behörden auch die Vor- und Zwischenentscheide dieser Instanzen über die Zuständigkeit (Art. 49 OG; vgl. dazu BGE 90 II 214 und die dort zitierten Entscheide; BGE 91 II 389). Da es sich beim angefochtenen Urteil des Obergerichts um einen solchen Vorentscheid handelt, der der Berufung unterliegt, ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten. Diese kann aber - weil sie die formellen Voraussetzungen erfüllt - als Berufung behandelt werden (vgl. BGE 93 II 356).
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Ob sich aus Art. 19 EHG ein bundesrechtlicher Gerichtsstand am Unfallort ableiten lasse, ist umstritten (vgl. OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bd. II/1 S. 380 Ziffer 3 und die dort zitierten Urteile und Autoren). Nach den Beratungen im National- und Ständerat zu schliessen, ist dies eher zu verneinen (vgl. StenBull 1902 S. 337 und 436; 1904 S. 21/22, 102 und 313 f; im Vergleich dazu die Botschaft des Bundesrates zum ursprünglichen Art. 15 EHG: BBl 1901 I 683). Die Frage kann indessen offenbleiben. Fest steht jedenfalls, dass die Eisenbahnunternehmung im Unfallkanton belangt werden kann.
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"Die Gesellschaften haben ... in jedem durch ihre Unternehmung berührten Kantone ein Domizil zu verzeigen, an welchem sie von den betreffenden Kantonseinwohnern belangt werden können."
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Dieses Gesetz wurde aufgehoben durch das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (AS 1958 S. 335), dessen Art. 4 Abs. 1 lautet:
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"Ausser an ihrem Sitz kann die Bahnunternehmung vor dem für die Klage zuständigen Gericht jedes von ihr berührten Kantons von dessen Einwohnern belangt werden ..."
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Damit sollte, wie in der Botschaft des Bundesrates (BBl 1956 I 238) zu lesen steht, die Klageerhebung erleichtert und auf besondere kantonale Gerichtsstände wie z.B. denjenigen des Unfallortes Rücksicht genommen werden.
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b) Art. 19 EHG verweist ferner, wie erwähnt, auf das (heute aufgehobene) Bundesgesetz vom 15. Oktober 1897 betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes (sog. Rückkaufsgesetz; AS 1897/98 S. 557), das in Art. 12 Abs. 4 sagte:
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"Dieselbe [die Verwaltung der Bundesbahnen] hat ausserdem in jedem durch ihre Bahnlinien berührten Kantone ein Domizil am Kantonshauptort zu verzeigen, an welchem sie von den betreffenden Kantonseinwohnern belangt werden kann."
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Der diese Bestimmung ersetzende Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation und Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen vom 1. Februar 1923 (AS 1923 S. 318) führte sodann aus:
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"Sie [die SBB] haben ausserdem in jedem Kanton ein Domizil am Kantonshauptorte zu verzeigen, wo sie von den Kantonseinwohnern belangt werden können."
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Heute gilt anstelle dieser inzwischen ebenfalls aufgehobenen Vorschrift Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen vom 23. Juni 1944 (Abk.: BBG; BS 7 S. 196), der wie folgt lautet:
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"Sie [die SBB] können ausser an ihrem Sitz am Hauptorte jedes Kantons von den Kantonseinwohnern belangt werden."
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Art. 64 Abs. 3 BV überlässt die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren den Kantonen. Die Durchsetzung des materiellen Bundesprivatrechts verlangt in keiner Weise, dass im Unfallkanton der Gerichtsstand auf den Kantonshauptort beschränkt bleibe. Die SBB wurden von dem in Art. 41 lit. b OG enthaltenen ausschliesslichen Gerichtsstand des Bundes ausdrücklich ausgenommen. Schliesslich verbietet auch der Zweck des Art. 5 BBG (nämlich den Kantonseinwohnern für Klagen gegen die SBB von Bundesrechts wegen einen Gerichtsstand im Kanton zu sichern) nicht, dass das kantonale Prozessrecht daneben andere, wahlweise zur Verfügung stehende Gerichtsstände bezeichne, wie es in der aargauischen ZPO geschehen ist.
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Das Bundesgericht hat immer diese Auffassung vertreten und namentlich in BGE 60 II 376 ff. eingehend begründet (vgl. auch den amtlich nicht veröffentlichten Entscheid i.S. CFF gegen Bloch vom 6. Juni 1946, teilweise abgedruckt und besprochen in SJZ 46, 1950, S. 30/31). An dieser Rechtsprechung ist, auch bei erneuter Prüfung, festzuhalten.
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b) Vergeblich versuchen die Beklagten, unter Bezugnahme auf BGE 94 II 134 einen Gegensatz zwischen Art. 84 SVG und Art. 19 EHG hervorzustreichen und daraus etwas zu ihren Gunsten abzuleiten. In jenem Entscheid hat das Bundesgericht für Schadenersatzklagen gegen die SBB aus Unfällen mit Dienst-Motorfahrzeugen den Unfallort als bundesrechtlichen Gerichtsstand anerkannt und Art. 84 SVG im Verhältnis zu Art. 5 BBG als Sonderbestimmung aufgefasst. Ob nun aber Art. 19 EHG als Spezialvorschrift in Haftpflichtfällen ebenfalls einen bundesrechtlichen Gerichtsstand des Unfallortes schaffe oder - wie die Beklagten behaupten - vielmehr davon absehe, ist, wie bereits unter Ziffer 2 bemerkt wurde, für den vorliegenden Fall unerheblich und kann deshalb offenbleiben. Denn hier steht einzig die Frage zur Diskussion, ob Art. 5 BBG Raum lasse für Gerichtsstandsvorschriften des Unfallkantons. Wie dargetan wurde, ist dies zu bejahen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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