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39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. November 1971 i.S. Fritz gegen Fritz. | |
Regeste |
Rechtsgeschäfte unter Ehegatten, die das eingebrachte Gut der Ehefrau betreffen. Verpflichtung der Ehefrau zugunsten des Ehemannes? (Art. 177 Abs. 2 und 3 ZGB). |
2. Betrifft ein Kaufvertrag, durch den eine unter Güterverbindung lebende Ehefrau eine Liegenschaft gegen Übernahme der Grundpfandschulden und Ausstellung einer Schuldanerkennung für den diese Schulden übersteigenden Teil des Kaufpreises erwirbt, das eingebrachte Gut der Frau? Liegt in der Schuldübernahme eine Verpflichtung zugunsten des Ehemannes? (Erw. 3). |
3. Eine Liegenschaft, welche eine unter Güterverbindung lebende Ehefrau durch ein gültiges Rechtsgeschäft zu Eigentum erwirbt, gehört, wenn die Voraussetzungen für die Entstehung von Sondergut (Art. 190, 191 ZGB) nicht erfüllt sind, grundsätzlich zu ihrem eingebrachten Gut, auch wenn sie gegen ein Entgelt erworben wurde und keine Ersatzanschaffung im Sinne von Art. 196 Abs. 2 ZGB vorliegt (Erw. 4). Der Vertrag, durch den die Ehefrau dem Ehemann an einer solchen Liegenschaft ein Kaufsrecht einräumt, bedarf deshalb zu seiner Gültigkeit der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde (Erw. 2, 4). | |
Sachverhalt | |
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A.- Fritz war einziges Mitglied des Verwaltungsrates und Alleinaktionär der MABE Matratzen & Bettwaren AG in St. Gallen. Eine am 30. Dezember 1964 abgehaltene ausserordentliche Generalversammlung dieser AG, an welcher Fritz das gesamte Grundkapital vertrat, beschloss die Auflösung der Gesellschaft.
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Gemäss Kaufvertrag vom 16. Juli 1965, der an diesem Tage um 15 Uhr öffentlich beurkundet und gleichen Tags im Grundbuch eingetragen wurde, verkaufte die MABE, für die Fritz handelte, an dessen Ehefrau die Liegenschaft Kräzernstrasse 82 ![]() | 3 |
Durch einen ebenfalls am 16. Juli 1965 abgeschlossenen Vertrag über die Begründung eines Kaufsrechts, der zehn Minuten nach dem eben erwähnten Kaufvertrag öffentlich beurkundet wurde, räumte Frau Fritz ihrem Ehemann an der ihr von der MABE verkauften Liegenschaft ein Kaufsrecht ein, über das der Vertrag bestimmte:
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"1. Der Kaufantritt mit Nutzen und Lasten erfolgt mit der Eintragung des definitiven Kaufvertrags im Grundbuch.
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2. Der Kaufpreis beträgt Fr. 165 000.-- ... und wird beglichen durch Übernahme der Schuldpflicht an den bei Geltendmachung des Rechtes bestehenden Grundpfandrechten, mit Zinspflicht ab Kaufantritt, während der Rest der Kaufsumme bei Abschluss des definitiven Kaufvertrages bar zu bezahlen ist.
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3. Das Kaufsrecht ist höchst persönlich, d.h. es ist weder übertragbar noch vererblich. Es ist zeitlich unbeschränkt und kann vom Berechtigten jederzeit geltend gemacht werden und ist für die Dauer von 10 Jahren im Grundbuch vorzumerken. Sämtliche Kosten hat der Berechtigte zu übernehmen.
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4. Die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde bei Ausübung des Kaufsrechtes bleibt vorbehalten.
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5. Dieser Vertrag wird hiermit zur Vormerkung im Grundbuch angemeldet."
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Am 18. Mai 1966 wurde die MABE (deren Liquidation schon in der öffentlichen Urkunde über den Auflösungsbeschluss als durchgeführt bezeichnet worden war) im Handelsregister gelöscht.
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B.- Mit einem an Frau Fritz und an das Grundbuchamt der Stadt St. Gallen gerichteten, beiden Adressaten zugestellten Brief vom 15. Mai 1968 erklärte Fritz gegenüber seiner Ehefrau, er übe sein Kaufsrecht aus dem Vertrage vom 16. Juli 1965 aus, und forderte das Grundbuchamt auf, entsprechend dieser Erklärung und den Bestimmungen des Kaufrechtsvertrags das Eigentum an der Parzelle Nr. 2110 auf ihn zu übertragen. Das ![]() | 11 |
C.- Am 17. September 1969 reichte Fritz gegen seine Ehefrau beim Bezirksgericht St. Gallen eine Klage ein, mit der er namentlich verlangte, es sei festzustellen, dass der Kaufrechtsvertrag vom 16. Juli 1965 der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde nicht bedürfe, und die Beklagte sei zur Übertragung der Parzelle Nr. 2110 an ihn zu verpflichten.
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Das Bezirksgericht erklärte den Vertrag als genehmigungsbedürftig und wies das Begehren auf Übertragung der Liegenschaft zur Zeit ab.
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Das Kantonsgericht St. Gallen, an das der Kläger appellierte, verurteilte die Beklagte am 26. März 1971 zur Übertragung der streitigen Liegenschaft an den Kläger.
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Auf Berufung der Beklagten hin weist das Bundesgericht die Klage im Sinne der Erwägungen ab.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Die Vorinstanz hat festgestellt, ein vom Wortlaut des Kaufrechtsvertrages abweichender Wille beider Parteien sei nicht nachgewiesen und die Beklagte habe einen allfälligen Willensmangel mehr als ein Jahr vor der damit begründeten Anfechtung jenes Vertrages entdeckt. Die Beklagte anerkennt, dass es sich dabei um tatsächliche Feststellungen handelt, die gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich sind, und erklärt demgemäss, sie habe sich damit abzufinden, "dass das Kaufsrecht 1965 rechtsgenüglich und in unbeschränkter Form begründet wurde". Sie macht nur noch geltend, die Vorinstanz habe Art. 177 Abs. 2 ZGB verletzt, indem ![]() | 16 |
Art. 177 Abs. 2 ZGB verlangt die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde für die Gültigkeit von Rechtsgeschäften unter Ehegatten, die das eingebrachte Gut der Ehefrau oder das Gemeinschaftsgut betreffen.
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Der Kaufrechtsvertrag vom 16. Juli 1965 ist unzweifelhaft ein Rechtsgeschäft unter Ehegatten. Da zwischen den Parteien nicht Gütergemeinschaft, sondern Güterverbindung besteht, ist Art. 177 Abs. 2 ZGB auf ihn anwendbar, wenn er das eingebrachte Gut der Beklagten betrifft. Das ist der Fall, wenn die Liegenschaft Nr. 2110 Grundbuch Bruggen, die Gegenstand des darin vereinbarten Kaufrechts ist, zu diesem Gute gehört.
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Die rechtliche Selbständigkeit einer sog. Einmanngesellschaft bleibt nach der Rechtsprechung freilich ausnahmsweise unbeachtet, wenn die Berufung darauf gegen Treu und Glauben verstösst (BGE 92 II 164 Erw. 1 mit Hinweisen). Dass in dieser Weise auf den Alleinaktionär "durchgegriffen" werde, können jedoch nur Dritte verlangen; der Alleinaktionär selbst - im vorliegenden Fall also der Kläger - muss die von ihm gewählte Organisationsform gegen sich gelten lassen (BGE 92 II 164 mit Hinweisen; MERZ, N. 290 zu Art. 2 ZGB; HOMBURGER, Zum "Durchgriff" im schweiz. Gesellschaftsrecht, SJZ 1971, S. 249 ff., 254).
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Ob bei einem Rechtsgeschäft, das eine Ehefrau mit einer vom Ehemann beherrschten Aktiengesellschaft abschliesst, unter Umständen in ihrem Interesse von der rechtlichen Selbständigkeit dieser Gesellschaft abzusehen und das Geschäft als solches unter den Ehegatten zu behandeln sei, kann im vorliegenden ![]() | 21 |
Zur Gültigkeit des Kaufvertrages vom 16. Juli 1965 war also die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nicht erforderlich. Dass dieser Vertrag aus einem andern Grunde ungültig und die gestützt darauf erfolgte Eintragung der Beklagten als Eigentümerin der Liegenschaft Nr. 2110 Grundbuch Bruggen folglich ungerechtfertigt sei, wird mit Recht nicht behauptet. Die Liegenschaft ist also mit der Eintragung ins Eigentum der Beklagten übergegangen.
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4. Die Güterverbindung vereinigt nach Art. 194 Abs. 1 ZGB alles Vermögen, das den Ehegatten zur Zeit der Eheschliessung gehört oder während der Ehe auf sie übergeht, zum ehelichen Vermögen. Ausgenommen ist hievon nach Art. 194 Abs. 2 ZGB das Sondergut der Ehefrau. Was vom ehelichen Vermögen zur Zeit der Eheschliessung der Ehefrau gehört oder ihr während der Ehe unentgeltlich zufällt, ist nach Art. 195 ![]() | 23 |
Sondergut entsteht nach Art. 190 Abs. 1 ZGB durch Ehevertrag, durch Zuwendung Dritter und kraft Gesetzes. Ein Ehevertrag, der die streitige Liegenschaft als Sondergut der Beklagten erklären würde, liegt nicht vor. Ebensowenig gehört diese Liegenschaft zu den Gegenständen, die nach Art. 191 ZGB von Gesetzes wegen Sondergut sind. Durch Zuwendung Dritter kann sie nicht Sondergut geworden sein, weil die MABE sie nicht unentgeltlich auf die Beklagte übertragen hat und weil überdies nicht dargetan ist, dass die MABE den Willen gehabt und vor oder bei der Übertragung kundgegeben hätte, die Liegenschaft solle Sondergut der Beklagten werden (vgl. zu diesen Erfordernissen EGGER, N. 12 und 13, sowie LEMP, N. 35-37 zu Art. 190 ZGB). Die Liegenschaft fiel also nicht ins Sondergut der Beklagten.
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Nach dem Wortlaut der Art. 194 ff. ZGB ist die streitige Liegenschaft auch nicht eingebrachtes Gut der Beklagten, weil sie ihr weder bereits zur Zeit der Eheschliessung gehört hat noch während der Ehe unentgeltlich zugefallen ist und auch nicht etwa im Sinne von Art. 196 Abs. 2 ZGB zum Ersatz für Werte des eingebrachten Gutes angeschafft wurde. Sachenrechtlich ist sie aber, wie in Erwägung 3 hievor festgestellt, ihr Eigentum geworden. Der Umstand, dass eine unter Güterverbindung lebende Ehefrau nach Sachenrecht Eigentümerin einer von ihr durch ein gültiges Geschäft erworbenen und im Grundbuch auf ihren Namen eingetragenen Liegenschaft wird, auch wenn der Erwerb nicht unentgeltlich erfolgte, muss, da das Eigentum als absolutes Recht gegenüber jedermann wirkt, auch im Bereich des ehelichen Güterrechts berücksichtigt werden. Es geht daher nicht an, eine solche Liegenschaft, wie das GUHL (ZBJV 1950 S. 59) bei Besprechung des Entscheides BGE 74 II 145 ff. vorschlägt, während der Ehe güterrechtlich als Mannesgut zu betrachten, sondern eine solche Liegenschaft ist nach Güterrecht wie nach Sachenrecht zum Vermögen der Ehefrau zu rechnen (vgl. KNAPP, Le régime matrimonial de l'union des biens, 1956, S. 16 f. N. 74-76). Da das Recht der Güterverbindung eine Errungenschaft der Ehefrau nicht kennt, sondern innerhalb ihres Vermögens nur das eingebrachte Gut und das Sondergut ![]() | 25 |
Nach den dargelegten Grundsätzen gehört die streitige Liegenschaft, die durch das am 16. Juli 1965 vereinbarte und im Grundbuch vorgemerkte Kaufsrecht unmittelbar belastet wurde, unter dem Gesichtspunkte von Art. 177 Abs. 2 ZGB zum eingebrachten Gute der Beklagten, so dass der Kaufrechtsvertrag der Parteien vom 16. Juli 1965 zu seiner Gültigkeit der Zustimmung ![]() | 26 |
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