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40. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. November 1971 i.S. Vissers gegen Bänninger. | |
Regeste |
Vaterschaftsklage; Beweis der Vaterschaft bzw. Nichtvaterschaft. | |
Sachverhalt | |
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Die ledige Schweizerin Bänninger und das von ihr am 16. Februar 1965 geborene Kind leiteten gegen den in Belgien ![]() | 2 |
Aus den Erwägungen: | |
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Der Beklagte hat in seiner Klageantwort ausser einem AEG ein Blutgruppengutachten, ein Gutachten über den Reifegrad ![]() | 4 |
Bei Erlass des Urteils der letzten kantonalen Instanz (30. September 1970) war der Entscheid BGE 96 II 314 ff. (vom 17. Dezember 1970), in welchem sich das Bundesgericht erstmals eingehend mit der statistischen Auswertung serologischer Befunde auseinandersetzte, noch nicht ergangen, doch hatte diese Methode damals im Schrifttum und in Entscheidungen deutscher Gerichte bereits grundsätzliche Anerkennung gefunden (HEGNAUER, N. 156-160 zu Art. 314/315 ZGB, mit Hinweisen; vgl. auch die Hinweise in BGE 96 II 317). Der Antrag auf Anordnung aller zur Zeit der Urteilsfindung anerkannten Gutachten schloss also den Antrag auf serostatistische Begutachtung in sich. Seit der grundsätzlichen Anerkennung dieser Methode ist zudem anzunehmen, die statistische Auswertung des Blutbefundes gehöre zur serologischen Begutachtung, wie sie der Beklagte mit dem Antrag auf Blutprobe verlangt hat. Diese Annahme rechtfertigt sich um so eher, als die in Frage stehende Auswertung nur einen verhältnismässig geringen Mehraufwand verlangt.
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Die serostatistische Begutachtung dient in erster Linie dem positiven Abstammungsbeweis, der in den Fällen BGE 96 II 314 ff. und BGE 97 II 193 mit diesem Beweismittel angestrebt wurde. Er erlaubt aber unter Umständen auch, die Vaterschaft eines bestimmten Mannes auszuschliessen (vgl. BGE 96 II 317, wo jedoch unter dem in ersten Satze des letzten Absatzes verwendeten Ausdruck "statistisch belegte Ausschlusswahrscheinlichkeit" nicht etwa die unmittelbar vorher erwähnte Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft nach ESSEN-MÖLLER oder die in Erw. 3 erwähnte Wahrscheinlichkeit, dass ein Nichtvater durch eine bestimmte Untersuchungsmethode als Vater ausgeschlossen ![]() | 6 |
Im vorliegenden Fall haben im übrigen die Kläger in der Replik "zum positiven Vaterschaftsbeweis" ihrerseits die Blutgruppenbestimmung beantragt. Zum positiven Beweis der Abstammung ist nicht schon die Bestimmung der Bluteigenschaften als solche, sondern erst die statistische Auswertung des Blutbefundes tauglich. Der wiedergegebene Beweisantrag der Kläger ist daher vernünftigerweise auf die serostatistische Begutachtung zu beziehen.
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Hatte diese Begutachtung als beantragt zu gelten, so hätte sie nach der erwähnten bundesrechtlichen Beweisregel durchgeführt werden sollen, bevor die anthropologisch-erbbiologische Begutachtung angeordnet wurde.
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Vor der Anordnung eines AEG hätte aber auch das vom Beklagten zum Beweis seiner Nichtvaterschaft beantragte Gutachten über den Reifegrad eingeholt werden sollen. Wenn das Kind bei der Geburt die Zeichen normaler Reife aufwies, war eine Zeugung in dem von der Mutter angegebenen Zeitpunkte ![]() | 9 |
Durften die kantonalen Instanzen die anthropologischerbbiologische Begutachtung mangels Ausschöpfung der Beweismöglichkeiten, welche die statistische Auswertung des Blutbefundes und das Reifegutachten boten, bisher noch gar nicht anordnen, so war es ihnen auch nicht gestattet, aus dem Umstand, dass der Beklagte sich weigerte, sich dieser Begutachtung zu unterziehen, dem Beklagten nachteilige Schlüsse zu ziehen. Aus diesem Grunde ist das angefochtene Urteil als bundesrechtswidrig aufzuheben. Die Sache ist zur Durchführung der versäumten Beweiserhebungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollten diese Erhebungen nicht zu einem schlüssigen Ergebnis führen, so wäre die anthropologischerbbiologische Begutachtung von neuem anzuordnen. Da die bereits erfolgte Anordnung dieser Massnahme gegen eine bundesrechtliche Beweisregel verstiess und folglich unzulässig war, darf aus der Tatsache, dass der Beklagte es abgelehnt hat, sich der angeordneten Untersuchung zu unterziehen, nicht geschlossen werden, die neue Anordnung einer solchen Untersuchung sei zwecklos und habe daher zu unterbleiben. Dass der Beklagte das AEG auch dann vereitelt hätte, wenn vorher das serostatistische Gutachten und das Reifegutachten eingeholt worden wären, steht nicht von vornherein fest, sondern es ist möglich, dass die Ergebnisse dieser Gutachten seine Stellungnahme zum AEG beeinflusst hätten. Aus seinem bisherigen Verhalten darf daher nicht auf sein künftiges Verhalten geschlossen werden. Vielmehr ist er im Falle, dass die erwähnten übrigen Gutachten die streitige Abstammungsfrage nicht klären, anzufragen, ob er nunmehr bereit sei, zu einem AEG Hand zu bieten. Sollte er sich von neuem weigern, so hätte er ernstlich damit zu rechnen, dass er auf Grund dieser Weigerung und der übrigen Umstände des Falles von neuem verurteilt würde, und könnte er kaum hoffen, der Vollstreckung des Urteils in seinem Heimatstaat zu entgehen.
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