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48. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Oktober 1971 i.S. Tannerberg AG gegen Gebrüder Klaiber Söhne. | |
Regeste |
Art. 160 Abs. 2, Art. 372 OR. |
2. Anders verhält es sich nur, wenn das abgelieferte Werk mit versteckten Mängeln behaftet ist. Diesfalls gilt die vertraglich vorgesehene Garantiefrist oder, wo eine solche nicht vereinbart worden ist, die Verjährungsfrist des Art. 371 Abs. 2 OR. | |
Sachverhalt | |
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Das Haus A war erst Ende März 1962 im Rohbau fertig. Alsdann begann die Firma Klaiber mit dem Bau des Hauses B, das sie im August 1962 im Rohbau beendete. Am 28. Februar 1963 sandte sie der Tannerberg AG die Schlussabrechnung über die beiden Häuser und am 20. Mai 1964 eine Aufstellung über die Gesamtkosten aller Bauten. Diese Kosten beliefen sich auf Fr. 645'451.90, sodass nach Abzug der sieben Teilzahlungen von Fr. 615'000.--, welche die Gesellschaft vom 9. Oktober 1961 bis 26. September 1963 geleistet hatte, sich zugunsten der Firma Klaiber ein Saldo von Fr. 30'451.90 ergab, der später auf Fr. 26'841.40 herabgesetzt wurde.
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In ihrer Antwort vom 10. Juni 1964 machte die Tannerberg AG geltend, die Saldoforderung sei noch nicht fällig, da sie als "Garantierückhalt" für die Häuser A und B diene; sie beabsichtige übrigens, die Schuld mit der ihr zustehenden Konventionalstrafe von Fr. 36'500.-- zu verrechnen.
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B.- Im September 1966 klagte die Firma Klaiber gegen die Tannerberg AG auf Bezahlung von Fr. 26'841.40 nebst Zins. Die Beklagte erhob Anspruch auf eine Konventionalstrafe von Fr. 60'000.--, die sie zur Verrechnung stellte.
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Das Kantonsgericht Schaffhausen hiess die Klage am 4. Februar 1969 im Teilbetrag von Fr. 10'841.40 nebst Zins gut. Es hielt dafür, die Verrechnungseinrede der Beklagten sei teilweise begründet, da die Klägerin ihr für 160 Tage Verspätung die vereinbarte Konventionalstrafe schulde.
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C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und im Sinne des Kantonsgerichtes zu entscheiden.
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Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Es ist unbestritten, dass die Beklagte sich erstmals in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 10. Juni 1964 auf die vereinbarte Konventionalstrafe berufen und erklärt hat, sie beabsichtige, die Restforderung der Klägerin mit ihren Ansprüchen zu verrechnen. Diese Erklärung enthielt an sich einen Vorbehalt im Sinne des Art. 160 Abs. 2 OR. Es fragt sich indes, ob der Vorbehalt rechtzeitig, d.h. vor oder spätestens bei Erfüllung des Werkvertrages gemacht worden sei. Die Beklagte behauptet dies mit der Begründung, die Klägerin habe erst nach ![]() | 10 |
Die von der Beklagten angerufenen SIA-Bedingungen sind der Ausgabe 1962 entnommen, die bei Abschluss des Werkvertrages im Mai 1961 indes noch nicht vorgelegen haben kann. Mit dem im Vertrag enthaltenen Verweis auf die allgemeinen SIA-Bedingungen kann nur die Ausgabe 1948 gemeint sein, die sich freilich in den hier streitigen Punkten mit der Ausgabe 1962 im wesentlichen deckt.
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Art. 27 dieser Bedingungen (Ausgabe 1948) bestimmt, dass die Bauleitung und der Unternehmer nach Abschluss sämtlicher Arbeiten die vollendeten Bauteile gemeinsam prüfen (Abs. 1). Ergeben sich dabei keine Mängel, so finden die Ablieferung des Werkes und die vorläufige Abnahme durch den Bauherrn statt (Abs. 2). Zeigen sich dagegen Mängel, so hat der Bauherr dem Unternehmer eine angemessene Frist zu ihrer Behebung anzusetzen; nach Ablauf dieser Frist erfolgt eine nochmalige gemeinsame Prüfung und, wenn keine Mängel mehr erkennbar sind, die Ablieferung und die vorläufige Abnahme (Abs. 3). Besteht keine der Parteien auf einer gemeinsamen Prüfung und der Aufnahme eines Protokolls, so gilt das Werk mit der Einreichung der letzten Rechnung für die hauptsächlichsten Arbeiten als abgeliefert und vorläufig abgenommen (Abs. 6). Art. 28 sieht eine zweijährige Garantiefrist vor, die mit dem Tage der Ablieferung und der vorläufigen Abnahme beginnt. Art. 29 sodann bestimmt, dass nach Ablauf der Frist die endgültige Abnahme oder Genehmigung des Werkes stattfindet und dass nachher der Unternehmer während fünf Jahren nur noch für geheime Mängel haftet, die einen Schaden von mindestens Fr. 500.-- ausmachen, erst nach Ablauf der Garantiefrist zutage treten und vom Unternehmer verschuldet sind.
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c) Die Ablieferung im Sinne von Art. 372 OR ist in der Übergabe des vollendeten, dem Vertrag in allen Teilen entsprechenden Werkes zu erblicken (BGE 94 II 164 Erw. 2 c und dort angeführte Urteile). Danach wurden hier das Haus A ![]() | 13 |
Man kann sich freilich fragen, ob Art. 27 Abs. 6 der SIA-Bedingungen überhaupt beachtlich ist, da es sich bei der Ablieferung um einen Rechtsbegriff handelt, der auf bestimmte tatbeständliche Vorgänge zugeschnitten ist und z.B. den Einzug des Bestellers in ein unvollendetes Haus nicht erfasst (BGE 94 II 164). Anders verhält es sich, wenn der Besteller, wie die Beklagte es hier getan hat, einen Rohbau als mängelfrei übernimmt und mit dem Innenausbau beginnt; diesfalls muss die Benützung des übernommenen Werkes bei gleichzeitigem Unterlassen einer Mängelrüge als Abnahme ausgelegt werden (vgl. SOERGEL/SIEBERT, N. 2 zu § 341 BGB). Das gleiche ergäbe sich aus dem heute geltenden Art. 26 Abs. 5 der SIA-Bedingungen (Ausgabe 1962). Nach dieser Bestimmung gilt mangels gemeinsamer Prüfung oder Ausfertigung eines Protokolls die "Ingebrauchnahme" des Werkes grundsätzlich als dessen vorläufige Abnahme. Die aufgeworfene Frage braucht indes nicht weiter erörtert zu werden, da der im Schreiben der Beklagten vom 10. Juni 1964 enthaltene Vorbehalt hinsichtlich der Konventionalstrafe auf jeden Fall verspätet war.
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d) Die Beklagte beruft sich auf Art. 27 der SIA-Bedingungen (Ausgabe 1948), wo von vorläufiger Abnahme die Rede ist, und auf Art. 29, der von der Genehmigung des Werkes bzw. dessen endgültiger Abnahme nach Ablauf der Garantiefrist handelt. Sie übersieht indes, dass diese Frist nichts anderes als die vertraglich auf zwei Jahre verkürzte Verjährungsfrist des ![]() | 15 |
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