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53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. November 1971 i.S. Kanton Schaffhausen gegen Einwohnergemeinde Schaffhausen. | |
Regeste |
Feststellungsklage (Art. 25 BZP). Interesse an sofortiger Feststellung. Voraussetzungen, unter denen auf Feststellung geklagt werden kann, obwohl eine Leistungsklage möglich wäre (Erw. 2). |
1. Begründung einer Dienstbarkeit zulasten eines Grundstücks, das im Eigentum des Staates (eines Kantons) steht und entweder zum Finanzvermögen oder zum Verwaltungsvermögen oder zu den Sachen im Gemeingebrauch gehört (Art. 6, 664 Abs. 1, 944 Abs. 1 ZGB; Erw. 3). |
2. Nichtigkeit eines Dienstbarkeitsvertrages wegen Fehlens der bundesrätlichen Bewilligung im Sinne von Art. 23 des BG betr. die eidg. Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 (Erw. 4 Abs. 1). |
Kann eine Dienstbarkeit für eine unterirdische Starkstromleitung ohne Grundbucheintrag entstehen? (Art. 676 Abs. 2 und 3, 691 Abs. 2 und 3 ZGB; Art. 46 ElG; Erw. 4 Abs. 2). |
Einigung der Parteien darüber, dass die Frage, wer die Kosten der Verlegung zu tragen hat, auf Grund der Annahme zu beurteilen ist, das Durchleitungsrecht sei gültig begründet worden (Erw. 4 Abs. 3). |
3. Die Verlegung von Leitungen, die Gegenstand einer frei vereinbarten Dienstbarkeit sind, wird trotz der missverständlichen deutschen Fassung von Art. 742 Abs. 3 ZGB in allen Punkten, namentlich auch hinsichtlich der Kosten, durch Art. 693 ZGB geregelt (Erw. 5). |
4. Tragweite von Art. 693 Abs. 2 und 3 ZGB. Gesetzeslücke? Einschränkende Auslegung von Art. 693 Abs. 2 ZGB? (Erw. 6-8). Wann liegen besondere Umstände im Sinne von Art. 693 Abs. 3 ZGB vor? (Erw. 9-11). | |
Sachverhalt | |
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A.- Der Kirchen- und Schulfonds des Kantons Schaffhausen ist Eigentümer des Grundstücks GB Schaffhausen Nr. 3843 (Geissbergwald), das 9673 a misst. Im südlichen Abschnitt dieses Grundstücks befindet sich das Kantonsspital, das seit dem 1. April 1954 in Betrieb steht.
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"1. Die Einwohnergemeinde Schaffhausen (Elektrizitätzwerk) hat das dingliche Recht, 2 Kabel 50kV, 19 Kabel lokV und 4 Steuerkabel unter Boden durch das Waldgrundstück No. 3843 zu führen und im Maximum für 40 Jahre fortbestehen zu lassen. Die Organe der Berechtigten sind befugt, das belastete Grundstück zur Vornahme von Revisionen oder Reparaturen jederzeit zu betreten.
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Die Eigentümer des belasteten Grundstücks sind verpflichtet, bei der Ausführung von Arbeiten, insbesondere bei Auffüllungen oder Abgrabungen die notwendige Rücksicht auf die Kabelanlage zu nehmen und der Betriebsleitung des EWSch zu berichten, sobald die Kabelanlage gefährdet werden könnte.
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Auf dem Kabeltrasse dürfen zu Gunsten der Einwohnergemeinde Schaffhausen (Elektrizitätswerk) weder Bäume noch Hecken gepflanzt werden.
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Diese Dienstbarkeit ist übertragbar.
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2. Diese Dienstbarkeit ist als Durchleitungsrecht für Kabelleitungen unter Boden und Pflanzungsbeschränkung (übertragbar) zu Lasten von No. 3843 und zu Gunsten der Einwohnergemeinde Schaffhausen (Elektrizitätswerk) im Grundbuch einzutragen für die Dauer von 40 Jahren, d.h. bis 5. Dezember 1999, und wird hiermit angemeldet.
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8. Für die vorerwähnten Rechtseinräumungen, Verpflichtungen und für die zu erwartende Erschwerung der Bewirtschaftung auf dem Waldgrundstück, den dauernden Ertragsausfall auf der Leitungsfläche und alle weiteren forstlichen Inkonvenienzen entschädigt das EWSch die Staats-Forstverwaltung nach erfolgter Grundbuchanmeldung mit einer Abfindung von Fr. 750.--.
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..."
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Das um Eintragung der Dienstbarkeit ersuchte Grundbuchamt verwies auf Art. 23 des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 (BS 9 S. 521), wonach die öffentlichen Waldungen nur mit Bewilligung des Bundesrates (und der betreffenden Kantonsregierung) durch neue, einer guten Waldwirtschaft nachteilige ![]() | 11 |
Die hierauf erstellte Kabelleitung zum Unterwerk "Rundbuck" führte am Kantonsspital vorbei und war ungefähr 400 m lang.
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B.- Am 8. September 1968 bewilligten die Stimmberechtigten des Kantons Schaffhausen einen Kredit von 45 Millionen Franken für die Erweiterung des Kantonsspitals. Das Bauprojekt erforderte die Verlegung eines Teils der Kabelleitung. Das Elektrizitätswerk schätzte die Kosten dieser Arbeit auf ca. 300'000 Franken. Die Einwohnergemeinde Schaffhausen war der Ansicht, der Kanton habe sich an diesen Kosten zu beteiligen, was der Kanton ablehnte. Die kantonale Baudirektion machte zunächst geltend, der Dienstbarkeitsvertrag sei mangels bundesrätlicher Bewilligung und mangels Eintragung im Grundbuch nichtig. Später gab sie diesen Standpunkt auf und erklärte ausdrücklich, der Kanton werde in einem allfälligen Rechtsstreit über die Kosten der Leitungsverlegung auf die Geltendmachung der Nichtigkeit verzichten.
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C.- Am 23. Oktober 1970 leitete der Kanton Schaffhausen unter Berufung auf Art. 42 OG beim Bundesgericht als einziger Instanz gegen die Einwohnergemeinde Schaffhausen Klage ein mit den Begehren, es sei festzustellen, dass die Stadt Schaffhausen verpflichtet sei, die Kosten der Verlegung ihrer Kabelleitung im Geissbergwald (GB Schaffhausen Nr. 3843) selbst zu tragen; eventuell habe das Bundesgericht die Beteiligung der Parteien an den Kosten anteilsmässig festzusetzen.
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Die Beklagte beantragte die Abweisung des Hauptbegehrens der Klage und die Gutheissung des Eventualbegehrens in dem Sinne, dass die Kosten der Verlegung zu 3/4 dem Kanton und zu 1/4 der Stadt zu überbinden, eventuell nach richterlichem Ermessen aufzuteilen seien.
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Aus den Erwägungen: | |
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Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann nach Art. 25 BZP geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an sofortiger Feststellung hat. Ob im einzelnen Fall ein solches Interesse bestehe, ist von Amtes wegen zu prüfen (LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. Aufl. 1956, N. 3 zu Art. 174, S. 196 unten; vgl. auch W. ZUMSTEIN, Die Feststellungsklage, Berner Diss. 1916, S. 56; STEIN-JONAS, Kommentar zur [deutschen] ZPO, 19. Aufl., 5. Lfg. 1968, Anm. IV/6 zu § 256, S. 1024; FASCHING, Kommentar zu den [österreichischen] Zivilprozessgesetzen, III. Band 1966, Anm. 9 zu § 228, S. 51). Dabei muss dem richterlichen Ermessen ein gewisser Spielraum gelassen werden (ZUMSTEIN, S. 60; KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweiz. Recht, 1954, S. 33).
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Ein Interesse an sofortiger Feststellung fehlt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in der Regel, wenn der Kläger in der Lage ist, über die blosse Feststellung hinaus eine vollstreckbare Leistung zu verlangen (BGE 96 II 131 Erw. 2 mit Hinweisen). Auch bei Möglichkeit einer Leistungsklage kann aber ein selbständiges Interesse an gerichtlicher Feststellung bestehen. So verhält es sich z.B., wenn es darum geht, nicht nur die fällige Leistung zu erhalten, sondern die Gültigkeit des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses auch für dessen künftige Abwicklung feststellen zu lassen (BGE 84 II 692 Erw. 2 mit Hinweisen). Der Feststellungsklage kann neben der Leistungsklage aber auch dann selbständige Bedeutung zukommen, wenn die Parteien nur in der grundsätzlichen Frage des Bestehens ![]() | 20 |
Nach der übereinstimmenden Darstellung beider Parteien verlangte der Kläger seinerzeit die sofortige Verlegung der Kabelleitung, damit er die beschlossene Erweiterung des Kantonsspitals in Angriff nehmen könne, doch verweigerte die Beklagte die Verlegung, bis abgeklärt sei, wer die Kosten zu tragen habe. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger mit einer Leistungsklage die Verlegung der Leitung auf Kosten der Beklagten verlangen können. Durch einen solchen Prozess wäre jedoch der Beginn der Bauarbeiten für die Spitalerweiterung stark verzögert worden. Daher wurde nach einer andern Lösung gesucht. Nach verschiedenen Verhandlungen erklärte sich die Beklagte unter der Bedingung, dass der Kläger unverzüglich beim Bundesgericht das Verfahren zur Entscheidung der Kostenfrage einleite, dazu bereit, die Leitung vorderhand auf ihre Kosten zu verlegen. Mit der Klageerhebung beim Bundesgericht konnte der Kläger also erreichen, dass die Beklagte die Leitung sofort verlegte und er selbst ohne Verzug mit den Bauarbeiten beginnen konnte. Da die Beklagte unter der erwähnten Bedingung bereit war, die Leitung zu verlegen und einstweilen auch für die Kosten aufzukommen, konnte der Kläger von ihr keine Leistung mehr verlangen. Vielmehr konnte er die von ihr gestellte Bedingung nur erfüllen, indem er die Frage, wer die Kosten der Verlegung zu tragen habe, zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens machte. Er hatte also zur Zeit der Klageeinleitung ein erhebliches rechtliches und tatsächliches Interesse an der Abklärung dieser Frage in einem Feststellungsprozess. Der Umstand, dass die Leitung heute verlegt ist und die Beklagte nunmehr in der Lage wäre, eine Leistungsklage auf Ersatz der daraus entstandenen Kosten zu erheben, hat nicht zur Folge, dass dem Kläger heute ein rechtliches Interesse an der verlangten Feststellung abzusprechen wäre. (Zur Frage, wie sich der Wegfall des Feststellungsinteresses auswirken kann, ![]() | 21 |
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c) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Geissbergwald, durch den die Kabelleitung der Beklagten führt, zum Finanzvermögen oder zum Verwaltungsvermögen des Klägers oder - welche Möglichkeit die Beklagte mit dem Hinweis auf die "Erholungsfunktion" des Waldes andeutet - zu den Sachen im Gemeingebrauch gehöre (vgl. zu diesen Begriffen BGE 95 I 100; MEIER-HAYOZ, Eigentum, 4. Aufl. 1966, Systemat. Teil N. 112, GRISEL, Droit administratif suisse, 1970, S. 283 f., 286 f., sowie die von der Sektion für Finanzrecht des Verbandes der Finanzkontrollbeamten öffentlicher Verwaltungen herausgegebene Arbeit über "Die Bewertung von Finanzvermögen bei der Übertragung zum Verwaltungsvermögen", ZBl 1964 S. 281 ff.). Gehört er zum Finanzvermögen, wofür die übliche Einordnung der Staats- und Gemeindewaldungen (HAAB, N. 4 zu Art. 664 ZGB; HOMBERGER, N. 6 zu Art. 944 ZGB; ZBl 1964 S. 282; GRISEL, a.a.O. S. 283), die ursprüngliche wirtschaftliche Funktion des Geissbergwaldes und seine Behandlung in der kantonalen Vermögensrechnung sprechen, so untersteht er grundsätzlich (von hier nicht in Betracht kommenden Vorbehalten abgesehen) dem Privatrecht (HAAB, N. 4 und 32 zu Art. 664 ZGB; MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 113; GIACOMETTI, Allg. Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1960, S. 87; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl., Bd. I 1968, Nr. 327 S. 191 f.; GRISEL, a.a.O. S. 283/84). Die Parteien konnten das streitige Durchleitungsrecht aber auch ![]() | 23 |
d) Nach Art. 6 Abs. 1 ZGB, laut welchem die Kantone in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt werden, und Art. 664 Abs. 1 ZGB, wonach die herrenlosen und die öffentlichen Sachen unter der Hoheit des Staates stehen, in dessen Gebiet sie sich befinden, entscheidet freilich das öffentliche Recht der Kantone darüber, ob und wieweit die in ihrem Gebiet befindlichen öffentlichen Sachen dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht unterstehen (MEIER-HAYOZ, N. 50, 58, 82 zu Art. 664 ZGB, BGE 97 II 29 Erw. 2 b). Die Kantone sind daher grundsätzlich befugt, die Anwendung des Bundesprivatrechts auf die in ihrem Gebiet ![]() | 24 |
4. Es lässt sich nicht bezweifeln, dass das vereinbarte Durchleitungsrecht, mit dem sich ein Pflanzverbot verbindet (Ziff. 1 Abs. 3 des Dienstbarkeitsvertrages), im Sinne von Art. 23 des Bundesgesetzes betr. die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 "einer guten Waldwirtschaft nachteilig" ist und daher nur mit Bewilligung des Bundesrates begründet werden konnte. Diese Bewilligung wurde nicht eingeholt. Deshalb ist der Vertrag vom 3. Dezember 1959 nach Absatz 2 der eben genannten Bestimmung nichtig. Hieran ändert grundsätzlich nichts, dass die Parteien ihn als gültig behandelt wissen wollen; denn die Nichtigkeit ist von Amtes wegen zu beachten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Gewährung von Durchleitungsrechten ![]() | 25 |
Selbst im Falle der Gültigkeit des Vertrages vom 3. Dezember 1959 wäre im übrigen fraglich, ob das vereinbarte Durchleitungsrecht als dingliches Recht entstanden sei. Die dingliche Belastung fremder (nicht dem Werkeigentümer gehörender) Grundstücke mit Leitungen für Wasser, Gas, elektrische Kraft und dergleichen erfolgt nämlich nach Art. 676 Abs. 2 ZGB, soweit nicht das Nachbarrecht Anwendung findet, durch die Errichtung einer Dienstbarkeit (vgl. BGE 97 II 40 ff.), die nach Art. 676 Abs. 3 bei einer äusserlich nicht wahrnehmbaren Leitung durch die Eintragung im Grundbuch und in den andern Fällen mit der Erstellung der Leitung entsteht. Das Recht auf Durchleitung aus Nachbarrecht, das möglicherweise - sofern das kantonale öffentliche Recht das zulässt - auch gegenüber öffentlichen Grundstücken ausgeübt werden kann (vgl. Erw. 3 d hievor und BGE 58 I 241; FRITZ VISCHER, Elektrizitätsleitungsrecht, Basler Diss. 1933, S. 65), und dessen Ausübung dem Berechtigten das dingliche Recht ohne Eintragung im Grundbuch verschafft (Art. 691 Abs. 3 ZGB; LIVER, Einleitung, N. 90, sowie N. 14 zu Art. 731 und N. 79 zu Art. 742 ZGB; MEIER-HAYOZ, N. 18 und 28 zu Art. 676 ZGB), lässt sich nach Art. 691 Abs. 2 ZGB in den Fällen nicht beanspruchen, in denen das kantonale Recht oder das Bundesrecht auf den Weg der Enteignung verweist. Ein solcher Fall liegt hier vor; denn nach Art. 46 ElG konnte die Beklagte das Durchleitungsrecht auch dann, wenn der Geissbergwald im Sinne von Art. 46 Abs. 2 ElG zum öffentlichen Eigentum des Klägers gehören, d.h. öffentlichen Zwecken dienen, eine öffentliche Sache sein sollte, auf dem Wege der Enteignung erwerben, was genügt, um den Anspruch aus Nachbarrecht auszuschliessen (BGE 51 II 159 /60). Nach Art. 46 Abs. 5 ElG darf die Enteignung öffentlichen Areals für elektrische Anlagen allerdings nur unter Wahrung der andern (öffentlichen) Zwecke, denen das beanspruchte Gebiet gewidmet ist, stattfinden. Dieser Einschränkung unterliegt aber auch das Recht auf Durchleitung aus Nachbarrecht (vgl. Erw. 3 c hievor und BGE 58 I 241, wonach dieses Recht gegenüber öffentlichem Eigentum auf jeden Fall ausgeschlossen ist, wenn seiner Gewährung "ein öffentliches Interesse des Verbandes entgegensteht, in dessen ![]() | 26 |
Im vorliegenden Verfahren ist jedoch nicht die Frage der Gültigkeit des von den Parteien vereinbarten Durchleitungsrechts, sondern nur die Frage zu beurteilen, wer die Kosten zu tragen hat, die daraus entstanden sind, dass die seinerzeit auf Grund des Dienstbarkeitsvertrags tatsächlich erstellte Leitung wegen der Erweiterung des Kantonsspitals verlegt werden musste. Die Parteien sind darüber einig, dass diese Frage auf Grund der Annahme, das Durchleitungsrecht sei gültig begründet worden, beurteilt werden soll. Dem steht nichts entgegen. Das forstpolizeiwidrige Verhalten der Parteien wird dadurch nicht gutgeheissen und nicht begünstigt, so dass die erfolgte Verständigung der Parteien über die Behandlung der zwischen ihnen streitigen Kostenfrage nicht gegen die zwingende Vorschrift von Art. 23 des eidg. Forstpolizeigesetzes verstösst. Dass bei Beurteilung dieser Frage über das Fehlen einer Grundbucheintragung hinweggesehen werden soll, weckt um so weniger Bedenken, als sich mit guten Gründen die Ansicht vertreten lässt, die sachenrechtlichen Bestimmungen über die Verlegung von Leitungen seien auch ohne dahingehende ![]() | 27 |
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"Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen.
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Hiezu ist er auch dann befugt, wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist.
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Auf die Verlegung von Leitungen werden im übrigen die nachbarrechtlichen Vorschriften angewendet."
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Die nachbarrechtlichen Vorschriften über die Durchleitungen (Art. 691 ff. ZGB) behandeln deren Verlegung in Art. 693, der lautet:
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"Ändern sich die Verhältnisse, so kann der Belastete eine seinen Interessen entsprechende Verlegung der Leitung verlangen. Die Kosten der Verlegung hat in der Regel der Berechtigte zu tragen. Wo besondere Umstände es rechtfertigen, kann jedoch ein angemessener Teil der Kosten dem Belasteten auferlegt werden."
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Art. 742 Abs. 1 ZGB gewährt also dem belasteten Grundeigentümer den Anspruch auf Verlegung in engerm Rahmen als Art. 693 Abs. 1 und regelt die Frage, wer die Kosten der Verlegung zu tragen hat, in anderer, für den Grundeigentümer ungünstigerer Weise als Art. 693 Abs. 2 und 3. Handelt es sich um die Verlegung einer nicht auf Grund von Art. 691 ZGB als sog. Legalservitut entstandenen, sondern frei vereinbarten Leitungsdienstbarkeit, wie das bei der Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites zu unterstellen ist (Erw. 4 hievor), so ist folglich für den Entscheid über die Verlegung als solche (die im vorliegenden Falle nicht mehr streitig, sondern bereits erfolgt ist) und für den Entscheid über die Kostenpflicht von erheblicher Bedeutung, welche Tragweite dem in Art. 742 Abs. 3 ZGB enthaltenen Hinweis auf die nachbarrechtlichen Vorschriften über die Verlegung von Leitungen zukommt.
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Streng wörtlich genommen, könnte die Bestimmung, dass ![]() ![]() | 35 |
Der vorliegende Rechtsstreit beurteilt sich daher nach dieser Bestimmung. Daran ändert nichts, dass mit dem von den Parteien vereinbarten Durchleitungsrecht ein Pflanzverbot, das an und für sich nicht unter Art. 742 Abs. 3 und 693 ZGB fällt, verbunden ist; denn das Verbot, auf dem Kabeltrasse Bäume oder Hecken zu pflanzen (Ziff. 1 Abs. 3 des Dienstbarkeitsvertrages), hat keine vom Durchleitungsrecht unabhängige Bedeutung, sondern ist rein akzessorischer Natur.
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6. Die Beklagte beruft sich in ihren "privatrechtlichen Erwägungen" vor allem auf LIVER, der in N. 89-100 zu Art. 742 ZGB die Auffassung vertritt, es lasse sich sachlich nicht rechtfertigen, die Durchleitungsrechte und die anderen Dienstbarkeiten in der Kostenfrage verschieden zu behandeln; die Regel, dass bei Durchleitungsrechten die Verlegung auf Kosten des Berechtigten verlangt werden könne, wirke sich in manchen Fällen als Unrecht aus; sie sei "das Produkt einer parlamentarischen Gesetzgebung mit eng beschränktem Gesichtsfeld"; in ihr liege ein "gesetzgeberischer Missgriff", eine "verpfuschte gesetzliche Regelung"; bei der Verlegung von Elektrizitätsleitungen, an die man in erster Linie, wenn nicht gar ausschliesslich gedacht habe, sei nach dem Willen des Gesetzgebers im Sinne eines Entgegenkommens gegenüber dem Grundeigentümer die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beteiligten mitzuberücksichtigen; mit der Regel, der Berechtigte habe die Kosten zu tragen, habe man dagegen "weit über das Ziel hinausgeschossen"; man hätte die Regelung des Vorentwurfs von 1900 (der in Art. 689 Abs. 2 die Verteilung der Kosten unter die Beteiligten nach Ermessen des Richters vorsah) beibehalten sollen mit der Ergänzung, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beteiligten mitzuberücksichtigen sei; die "allein vertretbare Lösung der Kostenfrage in der Anwendung des Art. 693 ZGB", die für die Verlegung aller Legalservituten und der durch Vertrag freiwillig begründeten Durchleitungsrechte gelte, laute wie folgt: "Die Kosten sind nach Ermessen des Richters unter Berücksichtigung der beidseitigen Vor- und Nachteile sowie der finanziellen Leistungsfähigkeit unter die Beteiligten zu verteilen". Auch die in den übrigen Fällen geltende Regel des Art. 742 ![]() | 37 |
a) Art. 693 ZGB, dessen Kostenregelung LIVER als verfehlt betrachtet, stellt mit Bezug auf die Kostenpflicht keinen starren Grundsatz auf, sondern sieht in Absatz 3 vor, dass dem Belasteten entgegen der Regel von Absatz 2 ein angemessener Teil der Kosten auferlegt werden kann, wenn besondere Umstände das rechtfertigen. Mit Hilfe dieser Bestimmung können stossende Ergebnisse, wie LIVER sie als Folge der Anwendung von Absatz 2 befürchtet (N. 92 und 94 zu Art. 742 ZGB), vermieden werden. Die in Art. 693 Abs. 2 und 3 ZGB getroffene Regelung der Kostenfrage lässt sich also nicht schon deshalb als offensichtlicher Missgriff bezeichnen, weil sie in gewissen Fällen den Berechtigten überfordern würde.
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b) Eine krasse Unvollkommenheit des Gesetzes, die allenfalls vom Richter korrigiert werden könnte, kann aber auch nicht etwa darin erblickt werden, dass das ZGB die Pflicht zur Tragung der Kosten einer Verlegung für die Durchleitungsrechte und für andere Dienstbarkeiten verschieden ordnet. Ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen den Durchleitungsrechten und anderen Dienstbarkeiten kann schon im Umstand erblickt werden, dass bei Durchleitungsrechten die genaue Stelle, auf welche die Dienstbarkeit gelegt wird, mehr von Zufälligkeiten abhängen und für den Berechtigten im allgemeinen weniger wichtig sein dürfte als bei anderen Dienstbarkeiten (z.B. Wegrechten). Vor allem aber zeichnen sich die Durchleitungsrechte ![]() ![]() | 39 |
Der Richter ist also nicht befugt, im Sinne der von LIVER aufgestellten Regel, auf welche die Beklagte sich beruft, vom klaren Sinne von Art. 693 Abs. 2 und 3 ZGB abzuweichen.
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Ob die für Durchleitungsrechte nicht geltende Kostenregel des Art. 742 Abs. 1 ZGB ihrerseits "aufgelockert" werden sollte und ob das geltende Recht in diesem Punkte die von LIVER vorgeschlagene Lösung zulasse, ist heute nicht zu prüfen.
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Mit diesen Ausführungen soll nicht gesagt sein, dass die finanziellen Verhältnisse der Beteiligten bei Beurteilung der ![]() | 43 |
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Zur Auffassung VISCHERS, ein Beitrag des Belasteten könne "als teilweise Rückzahlung der Entschädigung..., die er für die ursprünglich grössere Belastung erhalten hat", in Betracht ![]() | 46 |
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