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12. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Januar 1972 i.S. X. | |
Regeste |
Niederlassungs- und Konsularvertrag mit Italien vom 22. Juli 1868. Gerichtsstand. |
Art. 17 Abs. 3 des Niederlassungs- und Konsularvertrages mit Italien findet auf Streitigkeiten hinsichtlich eines in der Schweiz gelegenen Nachlasses eines Italieners Anwendung, gleichgültig ob der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz oder in Italien hatte (Erw. 2). |
Die Ansprüche, die der überlebende Ehegatte aus ehelichem Güterrecht geltend macht, fallen nicht unter Art. 17 Abs. 3 des Staatsvertrages mit Italien (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Die beiden Erbinnen liessen am 12. Oktober 1970 sämtliche Guthaben der Witwe X. bei drei Schweizer Banken in Zürich verarrestieren und leiteten am 29. Oktober 1970 Betreibung ein. Zur Beseitigung des von der Witwe X. erhobenen Rechtsvorschlages liessen die beiden Töchter den Arrest durch Klage rechtzeitig prosequieren.
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B.- Mit Urteil vom 4. Juni 1971 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit von der Hand. Die erste kantonale Instanz stellte sich auf den Standpunkt, es handle sich um eine erbrechtliche Streitigkeit, welche ![]() | 3 |
Das Obergericht des Kantons Zürich hiess den Rekurs der Klägerinnen am 3. September 1971 gut und wies das Bezirksgericht an, die Klage an Hand zu behalten. Die Vorinstanz stimmte mit dem Bezirksgericht darin überein, dass es sich hier um eine erbrechtliche Streitigkeit handle. Hingegen vertrat sie die Auffassung, der schweizerisch-italienische Niederlassungs- und Konsularvertrag finde nur auf diejenigen Staatsangehörigen des einen Vertragsstaates Anwendung, die sich im anderen aufhalten. Da der gemeinsame Erblasser der Parteien in Italien, seinem Heimatstaat, gestorben ist, sei er dem Staatsvertrag nie unterworfen gewesen. Der besondere kantonalrechtliche Gerichtsstand des Arrestortes sei deshalb nicht ausgeschaltet worden.
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C.- Die Beklagte führt Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt, der Entscheid des Zürcher Obergerichts sei aufzuheben und es sei in Gutheissung ihrer Unzuständigkeitseinrede die Klage wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit von der Hand zu weisen.
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D.- Die Klägerinnen schliessen auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Das angefochtene Urteil ist ein selbständiger Vorentscheid einer oberen kantonalen Instanz über die örtliche Zuständigkeit der von den Klägerinnen angerufenen Zürcher Gerichte. Es ist daher gemäss Art. 49 OG berufungsfähig, wobei es keine Rolle spielt, ob die fragliche Gerichtsstandsvorschrift in einem Bundesgesetz oder in einem Staatsvertrag des Bundes enthalten ist (Art. 43 Abs. 1 OG; BGE 84 II 489; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S. 77, 175 und 176 N. 2 lit. c). Es steht heute fest, dass die Verletzung von Gerichtsstandsbestimmungen der Staatsverträge in einer berufungsfähigen Zivilsache ebenfalls mit Berufung zu rügen ist (WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, S. 217 Anm. 31; frühere widersprechende Entscheide sind angeführt bei BIRCHMEIER, a.a.O., S. 174). Die staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG kann sich nur gegen die Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften eines Vertrages ![]() | 7 |
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"Die Streitigkeiten, welche zwischen den Erben eines in der Schweiz verstorbenen Italieners hinsichtlich seines Nachlasses entstehen könnten, sollen vor den Richter des letzten Wohnortes, den der Italiener in Italien hatte, gebracht werden."
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Art. 17 Abs. 4 des Vertrages enthält eine ähnliche Regelung bezüglich Streitigkeiten, die zwischen den Erben eines in Italien verstorbenen Schweizers entstehen könnten, wofür im Protokoll betreffend die Vollziehung dieses Staatsvertrages vom 1. Mai 1869 der Richter des Heimatortes des Erblassers als zuständig bezeichnet wird (Art. 1V). Art. 17 Abs. 3 gibt eine entsprechende Vorschrift in Art. 1II des damals geltenden schweizerisch-französischen.Staatsvertrages vom 18. Juli 1828 wieder, die in Art. 5 des neuen Vertrages mit Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen vom 15. Juni 1869 lediglich eine etwas ausführlichere Fassung erhielt (BGE 23 I 592; Botschaften des Bundesrates zu den Verträgen mit Italien, BBl 1868 III 440, und zum Vertrag mit Frankreich, BBl 1869 II 490).
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Die von der Vorinstanz im angefochtenen Urteil vertretene Auffassung, wonach der Staatsvertrag vom 22. Juli 1868 nur auf Italiener mit letztem Wohnsitz in der Schweiz bzw. auf Schweizer mit letztem Wohnsitz in Italien anwendbar sei, hat somit den Wortlaut von Art. 17 Abs. 3 und 4 des Vertrages für sich. Das Bundesgericht war ursprünglich bei der Auslegung des ähnlich lautenden Art. 5 Abs. 1 des schweizerisch-französischen Staatsvertrages vom 15. Juni 1869 der gleichen Auffassung (BGE 1 S. 391 Erw. 3 und 14 S. 596 Erw. 4). Indessen änderte es seinen Standpunkt bereits im Entscheid 24 I 307 ff. und gab einer freieren Auslegung von Art. 5 Abs. 1 des Staatsvertrages mit Frankreich den Vorzug. Danach gilt für schweizerische und französische Erblasser der in Art. 5 enthaltene Grundsatz der Einheit der Erbfolge mit dem Gerichtsstand im Heimatland, gleichgültig in welchem der beide n ![]() | 11 |
Dementsprechend sind im vorliegenden Fall Streitigkeiten betreffend den Nachlass des in Italien verstorbenen X. von den italienischen Gerichten zu behandeln. Der schweizerische Richter ist hiefür unzuständig (anderer Ansicht MASPOLI, a.a.O., S. 76-78). Dass im übrigen Art. 17 Abs. 3 des Vertrages nicht nur den Gerichtsstand, sondern auch das anwendbare materielle Recht, nämlich dasjenige des Heimatstaates, bestimme, ist längst anerkannt (BGE 91 III 24 Erw. 2 b mit Verweisungen).
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Für die Anwendung von Art. 17 Abs. 3 des Staatsvertrages spricht, dass sich der Streit in einem weiteren Sinne um den Nachlass des gemeinsamen Erblassers der Parteien dreht. Dazu kommt, dass die Klägerinnen sich auf ihre Erbenstellung berufen, die sie als einzige Nachkommen des Erblassers und testamentarisch eingesetzte Erben innehaben, und dass erst die Eröffnung des Nachlasses die Klage ermöglicht hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie ihre Klage als eine solche aus unerlaubter Handlung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung bezeichnen. Anderseits ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre Ansprüche nicht aus ihrer Stellung als Vermächtnisnehmerin, sondern aus ehelichem Güterrecht ableitet. In ihrer Rekursantwort an das Zürcher Obergericht vom 14. Juli 1971 beruft sich die Beklagte darauf, dass der erbrechtlichen Auseinandersetzung die güterrechtliche vorauszugehen habe und dass sie lediglich Werte an sich genommen habe, welche ihr kraft Güterrechts zuständen.
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Es ist daher die Frage zu prüfen, ob der in Art. 17 Abs. 3 des Staatsvertrages vorgesehene Gerichtsstand für Streitigkeiten zwischen Erben hinsichtlich des Nachlasses auch für Ansprüche des überlebenden Ehegatten aus ehelichem Güterrecht gilt. Das Bundesgericht hat diese Frage in seinem Entscheid 80 II 364 Erw. 1 betreffend den schweizerisch-italienischen Staatsvertrag offen gelassen. Hingegen hat es sie in negativem Sinne beantwortet bezüglich Art. 5 des schweizerisch-französischen Staatsvertrages, indem es ausführte, Art. 5 dieses Vertrages statuiere den heimatlichen Gerichtsstand ![]() | 15 |
Später hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung bestätigt. Es wies zuerst darauf hin, dass Art. 5 Abs. 1 des Gerichtsstandsvertrages mit Frankreich wohl nur an den überwiegenden Regelfall anknüpfe, wo sich Erben, Erbprätendenten oder eventuell Legatäre gegenüberstehen. Damit werde aber noch nicht ausgeschlossen, dass ausnahmsweise auch die Klage gegen einen Nichterben vor den heimatlichen Gerichtsstand gehöre, vorausgesetzt dass sie materiell erbrechtlichen Charakter habe und sofern eine solche freiere Auslegung im übrigen dem Sinn des Vertrages entspreche (BGE 50 I 415 Erw. 2 und BGE 62 I 243 Erw. 3). Der Frage, ob gewisse Vermögenswerte, welche die Witwe eines Erblassers besitzt, zu deren Eigengut oder zu der der Tochter des Erblassers zufallenden, mit dem Nutzniessungsrecht der Witwe belasteten Hälfte der Errungenschaft gehörten und deshalb dem Ehevertrag gemäss zu inventarisieren seien, komme jedoch kein erbrechtlicher Charakter zu. Ob diese Nachlasswerte Frauengut oder Errungenschaft darstellten, entscheide sich nach ehelichem Güterrecht und nicht nach Erbrecht. Wenn sich eine Partei auf ihr Erbrecht berufe, so geschehe dies nur, um ihre Klagelegitimation darzutun, während der eigentliche Streitpunkt im ehelichen Güterrecht liege (BGE 62 I 244).
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Diese Darlegungen haben aber auch für den vorliegenden Fall und die Anwendung von Art. 17 Abs. 3 des schweizerischitalienischen Staatsvertrages ihre Gültigkeit. Weder hat die Beklagte das Erbrecht der Klägerinnen angefochten, noch hat sie selber einen erbrechtlichen Titel geltend gemacht. Der Streitpunkt liegt auch hier ausserhalb des Erbrechts, da es um die Frage geht, ob das in Zürich gelegene Wertschriftenvermögen ![]() | 17 |
Unter diesen Umständen ist der Klage der beiden Töchter des Erblassers der erbrechtliche Charakter im Sinne von Art. 17 Abs. 3 des schweizerisch-italienischen Staatsvertrages abzusprechen. Da der Niederlassungs- und Konsularvertrag damit nicht zur Anwendung gelangt, ist der kantonalrechtliche Gerichtsstand des Arrestortes gegeben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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