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13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Mai 1972 i.S. Böhi gegen Bindschedler & Co. | |
Regeste |
Aktienkauf, Willensmängel, Genehmigung, Rechtsmissbrauch. |
Art. 2 ZGB. Der Aktionär, der den Streit über die Unverbindlichkeit des Kaufes ausnützt, um mit seinen Minderheitsstimmen die Kapitalerhöhung der Gesellschaft durchzuführen, handelt gegen Treu und Glauben (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Mit Schreiben vom 25. März 1966 ersuchte Böhi die Bindschedler & Co., die Vereinbarung vom 15. September 1965 abzuändern, und behielt sich gleichzeitig die Anfechtung des Aktienkaufes vor. Die Bindschedler & Co. verwarf am 6. April 1966 den Standpunkt Böhis. Dieser focht mit Schreiben vom 25. Mai 1966 den Aktienkauf wegen Irrtums an und lehnte weitere Zahlungen ab.
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Am 13. Juni 1966 kündigte die Bindschedler & Co. das Darlehen auf den 30. September 1966 zur Rückzahlung. Böhi lehnte die Rückzahlung und weitere Verzinsung des Darlehens ab, weil dieses angeblich zur Finanzierung der Futtermühle Bürglen AG gewährt worden sei. Am 9. August 1966 forderte er von der W. Bindschedler & Co. die am 17. September 1965 vertragsgemäss geleistete Anzahlung für die Aktien von Fr. 40'000.-- zurück.
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B.- Am 9. Dezember 1966 klagte die Bindschedler & Co. gegen Böhi auf Zahlung von Fr. 100'000.-- nebst Zins zu 43/4% seit 18. Dezember 1965 aus Darlehen und Fr. 160'000.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Oktober 1965 aus Aktienkauf (Restforderung).
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Der Beklagte verlangte widerklageweise die geleistete Anzahlung von Fr. 40'000.-- zurück, nebst Zins zu 5% seit 17. September 1965.
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Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage gut und wies die Widerklage ab. Es verwarf gestützt auf das durchgeführte Beweisverfahren die Behauptung des Beklagten, das Darlehen sei in Wirklichkeit der Futtermühle Bürglen AG gewährt worden, und verneinte in Bezug auf den Aktienkauf einen Grundlagenirrtum.
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Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 23. September 1971 das erstinstanzliche Urteil.
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C.- Der Beklagte beantragt mit der Berufung das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung des behaupteten Grundlagenirrtums an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Klägerin verlangt Abweisung der Berufung.
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1./2. - ...
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Der Beklagte bestreitet, den Kaufvertrag genehmigt zu haben. Wer einen Vertrag unter dem Einfluss eines wesentlichen Irrtums oder absichtlicher Täuschung abschliesst, ist nicht gebunden (Art. 23, 28 Abs. 1 OR). Er kann ihn jedoch ausdrücklich oder stillschweigend genehmigen. Im EntscheidBGE 72 II 403führte das Bundesgericht unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung und die Lehre aus, dass die Anfechtungserklärung empfangsbedürftig, nicht aber annahmebedürftig sei und daher mit dem Eintreffen bei der Gegenpartei den Vertrag endgültig unwirksam mache. Sie sei unwiderruflich und schliesse daher, sofern die Voraussetzungen eines Willensmangels erfüllt seien, die nachträgliche Genehmigung des Vertrages aus. Einigten sich die Parteien nachträglich, den Vertrag aufrechtzuerhalten, so liege darin der Abschluss eines neuen Vertrages gleichen Inhalts (Betr. die Unwiderruflichkeit der Anfechtungserklärung, vergleiche GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, S 139; VON BÜREN, OR S 224/225). In BGE 88 II 412 wurde sodann ausgeführt, die Genehmigung sei auch nach erfolgter Anfechtung mit Zustimmung des Gegners möglich. Im vorliegenden Fall kann indessen offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen der Vertrag nach seiner Anfechtung wieder in Kraft tritt; denn die Klägerin bestreitet den Anfechtungsgrund.
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b) Die Folge der Kapitalerhöhung der Gesellschaft war, dass die rechtliche und wirtschaftliche Macht einer jeden Aktie auf die Hälfte herabgesetzt wurde und die umstrittenen 40 Aktien nicht mehr 2/3, sondern nur noch 1/3 des Grundkapitals ausmachten. Freilich beruht diese Veränderung auf einem Beschluss, der ohne die zugekauften Aktien des Beklagten zustande gekommen ist. Das ist indessen belanglos. Entscheidend ist vielmehr, dass der Streit über die Gültigkeit des Kaufvertrages die 40 Aktien lahmgelegt und den Beklagten in die Lage versetzt hat, mit seinen Minderheitsstimmen die Kapitalerhöhung durchzusetzen. Es verhielt sich demnach so, wie wenn der Beklagte auch mit den zugekauften Aktien gestimmt hätte. Daran ändert der Umstand nichts, dass er die Klägerin zur Generalversammlung einlud und ihr das Bezugsrecht an den Aktien anbot. Die Klägerin schickte ihm die Einladung und die Zeichnungsscheine mit dem Hinweis darauf zurück, dass sie nicht mehr Aktionärin sei. Damit lehnte sie den behaupteten Anfechtungsgrund des Beklagten ab. Das war von ihrem Standpunkt aus gesehen folgerichtig. Denn mit der Teilnahme an der Generalversammlung und der Zeichnung neuer Aktien hätte sie sich unter Umständen dem Einwand des Beklagten ausgesetzt, sie habe den behaupteten Grundlagenirrtum und damit die Unverbindlichkeit des Kaufvertrages durch schlüssiges Verhalten anerkannt. Indem der Beklagte trotz der Stellungnahme ![]() | 15 |
c) Der Beklagte behauptet, er habe das Anfechtungsrecht nicht dadurch verwirkt, dass der Wert der Aktien durch die Kapitalerhöhung verändert worden sei. Er beruft sich auf BGE 97 II 48. In diesem Entscheid führt das Bundesgericht aus, die Berufung auf einen wesentlichen Irrtum setze nicht voraus, dass die Leistung, die der Irrende erhalten hat, bei der Rückgabe mindestens gleichviel wert sei wie beim Empfang. Dieser Vergleich hält nicht stand, weil in jenem Falle die Rückerstattung des gesamten Aktienpakets in Frage stand, der Verkäufer somit als Alleinaktionär die Möglichkeit behielt, den sich auf Irrtum berufenden Käufer auf Schadenersatz zu belangen, falls er über Aktiven der Gesellschaft verfügt haben sollte. Im vorliegenden Fall erhielte die Klägerin bei der Rückerstattung der gegenseitig empfangenen Leistungen mit den 40 Aktien nur noch einen Drittel des gesamten Aktienpaketes, während dem Beklagten zwei Drittel verbleiben würden.
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Freilich hat der Aktionär kein wohlerworbenes Recht, dass sich die relative Grösse seiner Beteiligung nicht vermindere (JÄGGI, Zum Verfahren bei der Erhöhung des Aktienkapitals, in Festschrift Bürgi, S. 198). Dieser Grundsatz trifft hier indessen nicht zu, da sich die Klägerin durch Teilnahme an der Generalversammlung mit ihrem Standpunkt in Widerspruch gesetzt hätte.
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Nach den Feststellungen des Bezirksgerichts, auf die das Obergericht verweist, soll W. Bindschedler dem Beklagten beim Abschluss des Kaufvertrages erklärt haben, die Klägerin wolle kein Geld mehr in die Gesellschaft stecken, sondern diese entweder liquidieren oder die Aktien ihm verkaufen. Daraus ist zu schliessen, dass der Beklagte die Klägerin mit der Zeichnung neuer Aktien veranlassen wollte, die Anfechtung des Kaufvertrages stillschweigend anzuerkennen und der finanzschwachen Gesellschaft neue Mittel zur Verfügung zu stellen. Das war rechtsmissbräuchlich. Die weitere Behauptung des Beklagten, es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, die Kapitalerhöhung der Gesellschaft wegen eines ihn persönlich betreffenden Streites auf Jahre hinauszuschieben, ändert daran nichts. Wohl trifft zu, dass der Beklagte als Verwaltungsratspräsident nach Art. 725 Abs. 3 OR verpflichtet war, eine Generalversammlung ![]() | 18 |
d) Endlich wendet der Beklagte ein, die aktienrechtlichen Folgen wären für die Klägerin die gleichen gewesen, wenn er die Aktien einem Dritten veräussert und dieser die Kapitalerhöhung durchgeführt hätte. Das ist an sich richtig. Doch kann sich der Beklagte bei den gegebenen Umständen nicht auf solche Hypothesen berufen. Er hat übrigens weder behauptet noch dafür Beweis angeboten, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin ein Dritter die Aktien ebenfalls übernommen und die Kapitalerhöhung durchgeführt hätte. Müsste der Einwand des Beklagten in dem Sinne verstanden werden, dass er die Kapitalerhöhung durch einen Strohmann hätte besorgen können, so wäre ein solches Verhalten rechtmissbräuchlich gewesen.
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Hat somit der Beklagte das Anfechtungsrecht verwirkt, so kann mit der Vorinstanz offen bleiben, ob er sich in einem Grundlagenirrtum befunden habe.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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