BGE 98 II 113 | |||
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17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Januar 1972 i.S. Friedli & Cie AG gegen Rogger. | |
Regeste |
Werkvertrag. Substantiierungspflicht. |
Die Rücktrittserklärung nach Art. 377 OR braucht kein Angebot auf Ersatz des Schadens zu enthalten. Die jederzeitige Ausübung des Rücktrittsrechtes ist nicht missbräuchlich (Erw. 3). Ob die von einer Partei prozesskonform vorgebrachten tatbeständlichen Anbringen erlauben, ihre Rechtsbehauptung zu beurteilen, ist eine Frage des Bundesrechts (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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A.- Mit Vertrag vom 13. April 1966 verpflichtete sich die Friedli & Cie AG, für Dr. Josef Rogger in Inwil ein Einfamilienhaus, Typ Helvetia EH-A Spezial, zum Preis von Fr. 135 000.-- zu erstellen. Das Haus sollte "raschmöglichst/Ende 1966" bezugsbereit sein. Die Parteien verlängerten später diese Frist, zuerst bis 15. und dann bis Ende Februar 1967. Das Haus war indessen am 15. März 1967, als Rogger die bisherige Mietwohnung verlassen musste, nicht fertig. Er wohnte in der Folge mit seiner Familie zuerst in einem Hotel in Luzern und nachher in einer Ferienwohnung in Horw. Am 23. Mai 1967 konnte er die Räume im Erdgeschoss des immer noch nicht vollendeten Hauses beziehen. Seit Dezember 1966 hatte Rogger wiederholt Mängel schriftlich gerügt und sich über die Verzögerungen beschwert. Mit Schreiben seines Anwaltes vom 7. Juni 1967 erklärte er den Rücktritt vom Vertrag.
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Die Pauschalvergütung von Fr. 135 000.-- erhöhte sich wegen zusätzlicher Arbeiten, die der Bauherr verlangt hatte, auf Fr. 138 050.--. Daran zahlte Rogger gemäss Schlussrechnung der Bauunternehmung Fr. 107 437.--.
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B.- Die Friedli & Cie AG klagte auf Zahlung der Restforderung von Fr. 30 613.-- und auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 10 000.--, beides nebst Zins.
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Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und forderte "als konnexen Gegenanspruch, evt. widerklageweise" von der Klägerin Fr. 20 540.20 nebst Zins.
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C.- Am 2. September 1970 hiess das Amtsgericht Hochdorf die Klage für Fr. 23 213.50 nebst Zins gut und ermächtigte die Klägerin, das Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch eintragen zu lassen.
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D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung eingereicht mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage zuzusprechen.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Das Bundesgericht hebt in Gutheissung der Berufung das angefochtene Urteil auf und weist die Sache im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
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Erwägungen: | |
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Die Klägerin erachtet den Rücktritt als unzulässig, weil das Haus fertiggestellt gewesen sei. Sie hat jedoch behauptet und dafür Beweis angeboten, dass sie bis Ende Mai 1967 den Vertrag, abgesehen von einigen wenigen Fertigstellungsarbeiten, erfüllt habe. Das versprochene Werk war also sogar nach ihrer eigenen Darstellung nicht vollendet und konnte auch nicht im Sinne der Art. 367 und 370 OR abgeliefert werden (vgl. BGE 94 II 164 Erw. 2 c). Dass die Vollendung - ob mängelfrei oder nicht bleibe dahingestellt - offenbar sehr nahe bevorstand (der Beklagte wohnte ja seit 23. Mai 1967 schon im Erdgeschoss des Neubaus), ändert nichts. Ebensowenig kommt etwas darauf an, ob der Beklagte die Arbeiter der Klägerin in der ersten Juni-Woche 1967 weggewiesen habe, wie die Klägerin behauptet. Diese - übrigens bestrittene - Tatsache hätte den Beklagten nicht daran gehindert, jederzeit vor Vollendung des Werkes nach Art. 377 OR vom Vertrag zurückzutreten. Die Klägerin übersieht, dass sie nach dieser Vorschrift nicht schlechter gestellt wird, als wenn sie das Werk vollendet hätte. Ihr Einwand, die Rücktrittserklärung vom 7. Juni 1967 verstosse gegen Treu und Glauben, ist daher unbegründet.
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a) In BGE 97 II 216 Erw. 1 wurde unter Hinweis auf die dort erwähnten früheren Entscheide des Bundesgerichts erklärt, die Behauptungs- und Substantiierungspflicht ergebe sich nicht aus Art. 8 ZGB, sondern gehöre dem kantonalen (Prozess-) Recht an; dieses habe folglich darüber zu befinden, wie weit die Parteien die ihre Ansprüche begründenden Tatsachen vorzubringen haben und wie weit der Richter nicht vorgebrachte Tatsachen berücksichtigen dürfe. Damit sollte indessen nur gesagt werden, das kantonale Prozessrecht entscheide ausschliesslich darüber, wie weit es den Verhandlungsgrundsatz durchführen wolle (KUMMER, N. 40 zu Art. 8 ZGB). Keinesfalls darf daraus abgeleitet werden (etwa aus der zum Teil missverständlichen Formulierung in BGE 95 II 451 Erw. 4 a), die Frage, ob die Sachvorbringen einer Partei einen ihr nach Bundesrecht zustehenden Anspruch ausreichend substantiieren, entscheide sich nach kantonalem Prozessrecht. Da das Bundeszivilrecht verlangt, dass jede sich darauf gründende Rechtsbehauptung bei hinreichendem Interesse zum Urteil zuzulassen sei, entscheidet es auch darüber, ob die von einer Partei nach dem kantonalen Prozessrecht form- und fristgemäss vorgebrachten tatbeständlichen Anbringen erlauben, ihre Rechtsbehauptung zu beurteilen (vgl. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, S. 20 ff.). Wenn demzufolge eine kantonale Instanz eine Klage zu Unrecht mit der Begründung abweist, sie sei nicht genügend substantiiert worden, verletzt sie materielles Bundesrecht und bringt die Partei um das ihr zustehende Klagerecht.
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Auf die Rüge der Klägerin, die Vorinstanz habe die Klage zu Unrecht wegen mangelnder Substantiierung abgewiesen, ist daher einzutreten.
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b) Dabei fällt zunächst ins Gewicht, dass die Klägerin behauptet hat, das Haus sei Ende Mai 1967 bis auf einige wenige Fertigstellungsarbeiten vollendet gewesen. Wenn das zutraf, hatte sie jedenfalls damals eine Forderung, die nicht erheblich unter der an sich unangefochtenen Pauschalvergütung liegen und sich allenfalls nur um den Betrag vermindern konnte, den der Beklagte nach Art. 368 Abs. 2 OR wegen Mängeln oder Abweichungen vom Vertrag abziehen durfte. Der Beklagte hat sich in diesem Prozess zwar auf Mängel berufen, aber deswegen keinen Abzug geltend gemacht.
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Bei diesem Sachverhalt kann der Auffassung der Vorinstanz, die Klägerin hätte alle erbrachten Leistungen dartun müssen, nicht beigepflichtet werden. Aus dem Werkvertrag vom 13. April 1966 waren die Arbeiten, die die Klägerin auszuführen versprochen hatte, ersichtlich. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die vertraglichen Pflichten bis Ende Mai 1967 im wesentlichen erfüllt, betrifft eine Tatsache, über deren Vorhandensein ohne weiteres mit den von ihr angerufenen Beweismitteln (Parteibefragung, Zeugen, Augenschein und Expertise), deren Zulässigkeit die Vorinstanz an sich nicht in Frage stellt, Beweis geführt werden konnte. Mangelnde Begründung der Klage kann nicht etwa darin erblickt werden, dass die Klägerin es unterliess, die im Zeitpunkt des Rücktrittes noch ausstehenden Arbeiten im einzelnen zu bezeichnen. Die Beweisführung über ihre Behauptung hätte ohne weiteres auch Klarheit über diesen Punkt ergeben, da der Beklagte eingewendet und dafür Beweis (Gegenbeweis) angeboten hatte, dass das Haus am 7. Juni 1967 weitgehend unvollendet gewesen sei.
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c) Im übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Vorbringen der Klage die Behauptung in sich schlossen, dass die Klägerin der Auffassung war, ihre aus Art. 377 OR fliessenden Forderungen gegen den Beklagten entsprächen dem Unterschied zwischen der vereinbarten Vergütung sowie dem Wert der zusätzlichen Arbeiten und der vom Beklagten geleisteten Anzahlung. In der Berufungsbegründung verficht die Klägerin ausdrücklich diesen Standpunkt. Sie hat damit kein neues Begehren gestellt - was gegen Art. 55 Abs. 1 lit. c OG verstiesse -, sondern die rechtliche Begründung ihres Anspruchs zulässig abgeändert (BGE 90 II 39 Erw. 6 a, BGE 96 II 196 ff. Erw. 4).
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