![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
21. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. Mai 1972 i.S. Plascon AG gegen Luwa AG | |
Regeste |
Art. 6 Abs. 1 MSchG. |
2. Verwechslungsgefahr zwischen den Marken LUWA und LUMATIC (Erw. 2). |
3. Keine Verwirkung des Klagerechts, wenn der Inhaber der verletzten Marke mit Rücksicht auf Geschäftsbeziehungen erst acht Jahre nach der Veröffentlichung des verwechselbaren Zeichens klagt, die Gegenpartei vorher aber in Abständen von 2-3 Jahren gewarnt hat (Erw. 3). |
4. Das Verbot, eine verwechselbare Marke weiterhin zu verwenden, ist von Amtes wegen mit dem Hinweis auf die Strafdrohung des Art. 292 StGB zu verbinden (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
2 | |
Die Luwa AG unterhält seit 1963 mit der Plascon AG geschäftliche Beziehungen. Sie lässt in Klima-Anlagen, die sie entwirft oder ausführt, Lumatic-Apparate einbauen.
| 3 |
Am 19. Januar 1965 liess die Luwa AG die Plascon AG schriftlich auffordern, die Marke LUMATIC löschen zu lassen und nicht mehr zu gebrauchen, da sie mit der Marke und der Firma LUWA verwechselt werden könne. In seiner Antwort vom 2. März 1965 stellte sich der Vertreter der Plascon AG auf den Standpunkt, die beiden Marken seien nicht verwechselbar. Er wies darauf hin, dass die Luwa AG die Marke Lumatic seit fast drei Jahren kenne und seit zwei Jahren Bezügerin und Wiederverkäuferin der mit ihr versehenen Erzeugnisse sei. Er bat um Mitteilung, dass das Schreiben vom 19. Januar 1965 gegenstandslos geworden sei. Die Luwa AG liess das nicht gelten, beharrte mit Schreiben vom 5. Mai 1967 und vom 10. September 1969 aber umsonst darauf, dass die Plascon AG die Marke Lumatic löschen lasse und auf deren weitere Verwendung für Dampfgeneratoren verzichte.
| 4 |
B.- Am 8. April 1970 klagte die Luwa AG gegen die Plascon AG mit den Begehren, die Marke Lumatic nichtig zu erklären und der Beklagten jede weitere Verwendung der Bezeichnung Lumatic als Marke, Name oder in anderer Weise zu verbieten.
| 5 |
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, und erhob Widerklage auf Löschung der Marken Luwag und Luwers wegen Nichtgebrauchs.
| 6 |
Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft hiess am 30. November 1971 die Klage gut und wies die Widerklage ab.
| 7 |
C.- Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das Urteil, soweit es die Klage und die Kosten des Klageverfahrens betrifft, aufzuheben, die Klage abzuweisen und die bezüglichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
| 8 |
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
| 9 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Jede Marke muss sich von den früher hinterlegten durch wesentliche Merkmale unterscheiden, wenn die Erzeugnisse, die sie kennzeichnet, nicht gänzlich von den Waren ![]() | 10 |
Der Gesamteindruck kann jedoch durch einen einzelnen Bestandteil entscheidend beeinflusst werden, so dass die Nachmachung oder Nachahmung dieses Teils leicht zu Verwechslungen führen kann. So hat das Bundesgericht als leicht verwechselbar erachtet z.B. die Marke "Niedermann VAC Packung unter Vacuum" einerseits und eine das Zeichen VAC und weitere Angaben enthaltende jüngere Etikette anderseits (BGE 93 II 55 f.), ferner die Marken "Elisabeth Arden" und "Arden for men" einerseits und die jüngere Marke "Arlem" anderseits (BGE 95 II 358 f.), die Marken "HR MEN,S CLUB Helena Rubinstein" und "MEN'S CLUB - Eau de Cologne - HELENA RUBINSTEIN MEN'S DIVISION" einerseits und die jüngeren Marken "EDEN CLUB" und "EDEN CLUB SUPER STAR" anderseits (BGE 96 II 403 ff.). Die Abänderung eines Teils einer Wortmarke führt somit nicht notwendigerweise zu einem genügend unterscheidbaren neuen Zeichen. Das Bundesgericht hat z.B. "Hygis" und "Glygis" als verwechselbar erklärt (BGE 47 II 363f.), ebenso "Hero" und "Coro" (BGE 52 II 166ff.), "Alucol" und "Aludrox" (BGE 78 II 380f.), "Tobler-o-rum" und "Torero-Rum" (BGE 88 II 378 f.), "Brismarine" und "Blue Marine" (BGE 93 II 262 ff.), "Valvoline" und "Havoline" (BGE 96 II 241 f.). Auch ergibt die Beifügung oder Weglassung unwesentlicher Silben oder nicht hervorstechender Wörter in der Regel nicht ein zulässiges neues Zeichen. Ungenügend ist z.B. der Unterschied zwischen "Tavannes Watch" und "Favret Watch Tavannes" (BGE 59 II 214), "Lady Cora" und "Cora" (BGE 36 II 608f.), "Dogma" und "Dog" (BGE 82 II 541 ff.), "Compactus" und "Compact" (BGE 84 II 316 ff.), "Favre-Leuba" und "Leuba" (BGE 88 II 377). Selbst wenn die ältere Marke im erweiterten oder verkürzten jüngeren Zeichen nur in veränderter Form wiederkehrt, kann die Verwechslungsgefahr bestehen. Das Bundesgericht hat sie z.B. bejaht bezüglich der ![]() | 11 |
Dagegen erachtete das Bundesgericht als nicht verwechselbar die Marken "Sihl" und "Cosil", weil erstere dem Namen eines bekannten Flusses entspreche, letztere dagegen reines Phantasiewort sei, das auch nicht bloss entfernt an dieses Gewässer erinnere, und weil die gekennzeichnete Ware nur von aufmerksamen Geschäftsleuten eingekauft werde (BGE 92 II 275 f.). Es hat auch die Marken "Pond's" und "Respond" als genügend unterscheidbar angesehen, jedoch eingeräumt, dass ein Grenzfall vorliege (BGE 97 II 80 ff.). Damit wollte es die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit zweier Marken nicht grundsätzlich herabsetzen. Der Entscheid sagt denn auch nichts von einer Änderung der Praxis. Die Verwechslungsgefahr hängt zudem nach wie vor von den Umständen des einzelnen Falles und damit vom Ermessen des Richters ab (BGE 82 II 540, BGE 84 II 444). Zu berücksichtigen ist namentlich, welcher Natur die gekennzeichneten Waren sind, welche Kreise sie erwerben, welche Aufmerksamkeit die Abnehmer anzuwenden pflegen und über welches Erinnerungsvermögen sie verfügen (BGE 83 II 220, BGE 84 II 445, BGE 87 II 37, BGE 88 II 379). So wurden z.B. die Marken "Xylocain" und "Celecain" als genügend unterscheidbar gewürdigt, weil die mit ihnen versehenen Injektionsmittel nur von Fachleuten angewendet würden (BGE 84 II 443 ff.). Stets ist zu bedenken, dass der Interessent die Marken auch dann genügend muss unterscheiden können, wenn er sie nicht gleichzeitig nebeneinander sieht (BGE 58 II 455,BGE 78 II 381f., BGE 87 II 37, BGE 93 II 265).
| 12 |
2. Die Marke der Beklagten besteht aus der Stammsilbe "Lu" und dem Zusatz "matic". Dieser kommt im Englischen z.B. in den Wörtern automatic, pneumatic, pragmatic und aromatic vor und entspricht im Französischen und Italienischen den Endungen matique bzw. matico. Er ist als Markenbestandteil ![]() | 13 |
Trotzdem sind die Marken "Lumatic" und "Luwa" verwechselbar. Es besteht die ernstliche Gefahr, dass ein Teil des Publikums das Zeichen der Beklagten gedanklich nicht in die Bestandteile "Lu" und "matic" zerlegt, sondern "Luma" und "tic" liest oder versteht. Die Beklagte räumt das im Grunde genommen selber ein, indem sie vorbringt, die Silbe "Lu" steche in ihrer Marke nicht wie in der Marke der Klägerin hervor. "Luma" aber ist der Marke "Luwa" sehr ähnlich. Ein kleiner Hör- oder Lesefehler genügt, um "Luma" als "Luwa" zu verstehen. Dann bleibt als unterscheidendes Merkmal nur noch die Endsilbe "tic". Sie genügt nicht, um Verwechslungen auszuschliessen. Sie ist nichtssagend, farblos, zu wenig charakteristisch und wird durch ihr häufiges Vorkommen als Endung in Marken zu einem schwachen Bestandteil herabgesetzt (vgl. z.B.BGE 79 II 99f.). Dass die eine Marke zwei, die andere dagegen drei Silben aufweist, bietet nicht Gewähr für genügende Unterscheidbarkeit. Es liegt der von der Rechtsprechung schon öfters behandelte Fall vor, wo der bloss leicht veränderten älteren Marke eine ungenügend hervorstechende Silbe angehängt wird. In solchen Fällen ist die Gefahr von Verwechslungen besonders gross, wenn der Inhaber der älteren Marke Serienmarken führt, die ihr gleichen. Die jüngere Marke kann dann leicht als weitere Abwandlung angesehen und die mit ihr gezeichnete Ware dem Betrieb des Inhabers ![]() | 14 |
Der Beklagten hilft auch der Einwand nicht, die Silbe "Lu" weise auf den Begriff Luft hin, sei Beschaffenheitsangabe und dürfe daher auch von der Beklagten benützt werden. Die Verwendung eines im Gemeingebrauch stehenden Bestandteils entbindet den Inhaber der jüngeren Marke nicht der Pflicht, diese so zu gestalten, dass sie sich als Ganzes durch wesentliche Merkmale von den älteren unterscheidet (BGE 38 II 308f.,BGE 78 II 383Erw. 4). Übrigens lenkt die Silbe "Lu" den Gedanken nicht unmittelbar auf den Begriff Luft. Andeutungen aber, die nur mit Hilfe der Einbildungskraft als Sachbezeichnung verstanden werden können, sind nicht Gemeingut im Sinne des Art. 3 Abs. 2 MSchG (BGE 54 II 406,BGE 55 II 154,BGE 56 II 230f., 410,BGE 59 II 80,BGE 63 II 428,BGE 70 II 243,BGE 79 II 102, BGE 83 II 218, BGE 84 II 224, 432, BGE 90 II 263, BGE 93 II 56, 263, BGE 96 II 240, 250).
| 15 |
16 | |
Dass Löschungs- und Unterlassungsansprüche aus Markenrecht, Firmenrecht oder unlauterem Wettbewerb auf Grund ![]() | 17 |
Diese Voraussetzung ist nicht schon dann erfüllt, wenn die Löschung einer Marke und das Verbot ihres weiteren Gebrauches gewichtigen Interessen ihres Benützers widersprechen. Die Behauptung der Beklagten, die Löschung der Marke Lumatic würde sie finanziell und moralisch unerträglich belasten, führt daher für sich allein nicht zur Abweisung der Klage. Auch die Meinung, eine Störung durch diese Marke sei nicht belegt, genügt zur Bejahung eines Rechtsmissbrauches nicht.
| 18 |
Es müsste der Klägerin vielmehr ein offensichtlich gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten vorgeworfen werden können. Ein solches liegt jedoch nicht vor. Die Klägerin hat die Beklagte schon am 19. Januar 1965 aufgefordert, die Marke Lumatic löschen zu lassen und sie nicht mehr zu gebrauchen. Damals waren seit der Veröffentlichung dieses Zeichens weniger als drei Jahre verstrichen. Die Klägerin handelte nicht gegen die gute Treue, indem sie so lange nicht vorstellig wurde. Wie rücksichtsvolle Geschäftsleute es zu tun pflegen, durfte und musste sie sich überlegen, ob das Zeichen sich mit "Luwa" wirklich nicht vertrage und sie benachteilige. Eiliges Handeln war umso weniger am Platze, als die Klägerin von 1963 an mit der Beklagten geschäftliche Beziehungen unterhielt. Der Widerspruch der Beklagten vom 2. März 1965 sodann konnte die Klägerin in ihrer Überzeugung, ihr Begehren sei berechtigt, nicht bestärken. Wenn sie, wie sie der Beklagten am 5. Mai 1967 mitteilen liess, mit Rücksicht auf den gegenseitigen Geschäftsverkehr noch weiter prüfen wollte, ob sich das Zeichen Lumatic wirklich als störend erweise, kann ihr deshalb auch hieraus kein Vorwurf gemacht werden. Die Beklagte hat zu dieser weiteren Überprüfung der Lage durch ihr Schreiben vom 2. März 1965 Anlass gegeben. Sie durfte umso weniger voraussetzen, das zweijährige Schweigen der Gegenpartei bedeute endgültigen Verzicht auf die Anfechtung der Marke, als sie die Klägerin am 2. März 1965 gebeten hatte, ![]() | 19 |
Die Auffassung der Beklagten, die geschäftlichen Beziehungen der Parteien vermöchten das Zuwarten der Klägerin nicht zu rechtfertigen, weil sie ausschliesslich im Interesse der Klägerin gelegen hätten, hält nicht stand. An geschäftlichen Beziehungen sind in der Regel beide Beteiligten interessiert. Nichts spricht dafür, dass es sich hier anders verhalten habe. Auch verkennt die Beklagte den Begriff des offenbaren Rechtsmissbrauchs, wenn sie vorbringt, die Klägerin hätte sie "periodisch ![]() | 20 |
21 | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 22 |
1.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 30. November 1971 bestätigt.
| 23 |
24 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |