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31. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Oktober 1972 i.S. Honold gegen Zangger. | |
Regeste |
Gesamtarbeitsverträge. |
2. Buffet- und Ladentöchter gehören nicht zu den bedienungsgeldberechtigten Arbeitnehmern im Sinne von Art. 29 Abs. 1 des Gesamtarbeitsvertrages für das Gastgewerbe des Kantons Zürich (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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Die Serviertöchter haben die Bedienungsgelder, die sie auf Getränken und Gebäck einnehmen, auf Weisung Honolds in eine Sammelkasse zu legen. Zur Hälfte werden diese Einnahmen dann unter sie verteilt, während die andere Hälfte von Honold zur Entlöhnung der Laden- und Buffettöchter verwendet wird.
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B.- Elisabeth Zangger war vom 15. März 1966 bis anfangs 1970 Serviertochter bei Honold. Am 24. Oktober 1969 erlitt sie einen arbeitsbedingten Unfall und wurde für einige Wochen
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arbeitsunfähig. Nachher entstand zwischen ihr und Honold ![]() | 4 |
Im Dezember 1970 klagte sie gegen Honold auf Zahlung von Fr. 13'024.-- nebst 5% Zins seit 25. Juli 1970. Honold anerkannte einen Betrag von Fr. 1055. Im Verfahren einigte er sich mit der Klägerin ferner dahin, dass sie Fr. 10'330.-- erhalten sollte, falls sie Anspruch auf das ganze Trinkgeld habe; wenn er dagegen die Hälfte für die Entlöhnung der Laden- und Buffettöchter verwenden durfte, sollte sie bloss Fr. 610.-- erhalten.
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Das Bezirksgericht Zürich und auf Appellation hin am 17. März 1972 auch das Obergericht des Kantons Zürich hielten den Anspruch der Klägerin auf das gesamte von ihr eingenommene Bedienungsgeld für begründet. Sie verurteilten deshalb den Beklagten, der Klägerin nebst dem anerkannten Betrag noch Fr. 9275.-- sowie 5% Zins seit 25. Juli 1970 zu bezahlen.
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C.- Der Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts die Berufung erklärt. Er beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie den Betrag von Fr. 1055.-- übersteige.
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Die Klägerin beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten oder sie abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Regeln über Gesamtarbeitsverträge waren bereits in der Fassung des OR von 1911 enthalten (Art. 322 und 323). Diese Bestimmungen beschränkten die Geltung der Verträge jedoch ![]() | 10 |
Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge als Privatrecht zu behandeln, ist auch sachlich gerechtfertigt. Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, das durch solche Verträge geregelt wird, ist zivilrechtlicher Natur. Freilich schaffen Gesamtarbeitsverträge nicht nur Rechtsbeziehungen zwischen den vertragsschliessenden Parteien, sondern stellen vor allem Vorschriften auf, die wie gesetzliche Bestimmungen unmittelbar für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten. Die Befugnis der Beteiligten, durch den Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen Rechtsnormen zu schaffen, beruht jedoch auf den Art. 322 und 323 OR, also auf Privatrecht (vgl. BBl 1954 I S. 130 f.). Richtig ist ferner, dass die Allgemeinverbindlicherklärung ein Verwaltungsakt ist und daher dem öffentlichen Recht angehört. Die Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages werden dadurch jedoch nicht in öffentlichrechtliche ![]() | 11 |
Nach Art. 7 BAG ist die Allgemeinverbindlichkeit vom Bundesrat anzuordnen, wenn sich ihr Geltungsbereich auf das Gebiet mehrerer Kantone erstreckt (Abs. 1). Beschränkt sich der Geltungsbereich dagegen auf das Gebiet eines Kantons oder auf einen Teil desselben, so ist sie von der kantonalen Behörde anzuordnen (Abs. 2). In dieser Befugnis des Kantons ist kein Einbruch in die Zivilrechtshoheit des Bundes zu erblicken, noch wird der Inhalt eines Gesamtarbeitsvertrages zu kantonalem Recht, wenn ein Kanton ihn für sein Gebiet allgemeinverbindlich erklärt. Auch diesfalls entsteht eidgenössisches Recht, denn der Rechtsetzungsentscheid des Kantons stützt sich auf Bundesrecht, unterliegt der Überprüfung des Bundesrates und ist nur gültig, wenn er von diesem genehmigt wird (Art. 13 BAG).
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Auf die Berufung des Beklagten, der Verletzung von Bundesrecht geltend macht, ist daher einzutreten.
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Die kantonalen Instanzen haben die Streitfrage auf dem Umweg über Art. 29 Abs. 2 des GAV zu lösen versucht, wonach für die Verteilung der Bedienungsgelder sinngemäss die Vorschriften des Gesamtarbeitsvertrages betreffend die Bedienungsgelder im schweizerischen Beherbergungsgewerbe (Bedienungsgeldordnung; BBl 1962 I 851 ff.) gelten. Diese Ordnung führt im vorliegenden Fall jedoch zu keiner Lösung. Sie gilt nur für ![]() | 15 |
Entscheidend ist dagegen, dass Art. 13 Abs. 1 des GAV für das zürch. Gastegewerbe bei der Regelung der Arbeitszeit ausdrücklich zwischen dem "Bedienungspersonal, das dem Gesamtarbeitsvertrag über die Bedienungsgelder in Beherbergungsbetrieben unterstellt ist" (lit. d), und dem "übrigen Bedienungspersonal" (lit. e) unterscheidet. Damit ist klar gesagt, dass es Personal gibt, das zwar den Namen "Bedienungspersonal" verdient, aber dennoch der Bedienungsgeldordnung nicht untersteht. Dazu kommt, dass der die Kündigungsfristen regelnde Art. 5 Abs. 1 lit. a des GAV für das zürch. Gastgewerbe unter anderem auch den Begriff der Buffetdame kennt, der in der Bedienungsgeldordnung nicht vorkommt. Nach diesen Unterschieden müssen die Buffetdamen und durch Analogieschluss auch die Ladentöchter zu jenem Bedienungspersonal gezählt werden, das an den Bedienungsgeldern nicht teilhat.
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Die Laden- und Buffettöchter beschränken sich bei Gästen darauf, ihnen das Gebäck samt Besteck auf einem Teller bereitzustellen und den Kassenzettel auszuhändigen. Ihre Tätigkeit unterscheidet sich nur wenig vom Verkauf über die Gasse. Diesfalls haben die Laden- und Buffettöchter eher mehr Arbeit zu leisten als beim Dienst am Gast, da sie das Gebäck einpacken und den Preis einkassieren müssen, ohne aber Anspruch auf ein Bedienungsgeld zu haben. Für die Bedienung dürften diese Angestellten auch vom Gast nichts verlangen, wenn ihm gestattet wäre, das Gebäck im Laden oder am Buffet zu bezahlen. Das spricht deutlich gegen eine Berechtigung an den Bedienungsgeldern, welche die Serviertochter einnimmt. Dass der Beklagte den Gast angeblich zur Vermeidung von Stauungen im Laden ![]() | 17 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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