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44. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Mai 1973 i.S. Vögtli gegen Müller. | |
Regeste |
Internationales Privatrecht. Das anwendbare Recht ist von Amtes wegen zu bestimmen (Erw. 2). |
Art. 85 Abs. 2 SVG sieht die Anwendung schweizerischen Rechtes nicht schlechthin, sondern nur für das SVG selber vor (Erw. 3b). Anwendbares Recht bei der Haftung aus unerlaubter Handlung und aus Gesellschaftsvertrag (Erw. 3c). |
Strassenverkehrsgesetz. Begriff des Mithalters. Das SVG gilt nicht für das Haftungsverhältnis zwischen Mithaltern eines Motorfahrzeuges, die bei einem Unfall als Lenker und Mitfahrer geschädigt werden, ohne dass ein anderer Halter oder Dritter verantwortlich wäre. Frage offen gelassen, ob das SVG die Haftung aus Vertrag ersetze (Erw. 4). |
Gesellschaftsvertrag. Die Abrede, ein Motorfahrzeug gemeinsam anzuschaffen, zu benützen und wiederzuveräussern bei hälftiger Teilung der Kosten und des Verkaufserlöses, untersteht den Vorschriften der einfachen Gesellschaft (Art. 530 f. OR). Der Mithalter und Fahrzeuglenker haftet dem andern Mithalter nach Art. 538 Abs. 1 und 2 OR für den Personen- und Sachschaden, den er ihm durch einen schuldhaft verursachten Unfall zugefügt hat. Der Ersatzanspruch verjährt in zehn Jahren (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Im Juli 1970 klagte Vögtli gegen Werner Müller auf Zahlung von Fr. 75 000.-- nebst Verzugszins und behielt sich eine Mehrforderung vor. Zugleich verkündete er der DAS den Streit und verlangte deren Verurteilung zur Zahlung des gleichen Betrages für den Fall, dass die Verjährungseinrede des Beklagten geschützt werde.
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Das Verfahren wurde zunächst auf die Verjährungsfrage beschränkt. Die Streitberufene beteiligte sich am Prozess nicht, reichte aber eine Vernehmlassung ein, in der sie die Ansicht vertrat, es gelte französisches Recht und danach seien die Ansprüche des Klägers nicht verjährt, da die Frist 30 Jahre betrage.
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Die Gerichte des Kantons Basel-Stadt, das Appellationsgericht mit Urteil vom 24. November 1972, stellten fest, dass der Ersatzanspruch hinsichtlich des Schadens am Automobil nicht verjährt sei, und wiesen im übrigen die Klage ab.
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C.- Der Kläger legte Berufung an das Bundesgericht ein mit dem Begehren, die Verjährungseinrede des Beklagten zu verwerfen und die Sache zur materiellen Behandlung an die Gerichte des Kantons Basel-Stadt zurückzuweisen. Die Streitberufene bleibt bezüglich der Verjährungsfrage auf ihrem Standpunkt.
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Der Beklagte beantragt, den Entscheid des Appellationsgerichtes zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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3. a) Beide Parteien argumentierten im kantonalen Verfahren auf Grund schweizerischen Rechtes. Das Zivilgericht ![]() | 9 |
b) Das Appellationsgericht hält mit dem Zivilgericht unter Hinweis auf BGE 95 II 635 dafür, dass nach Art. 85 Abs. 2 SVG schweizerisches Recht anwendbar sei. Das den Unfall verursachende Fahrzeug war mit schweizerischen Kontrollschildern versehen, und der Geschädigte hatte zur Zeit des Unfalles in der Schweiz Wohnsitz. Daraus folgt aber nicht schlechthin die Anwendbarkeit schweizerischen Rechtes, sondern nur für das SVG selber, d.h. für die "Haftpflicht- und Versicherungsbestimmungen dieses Gesetzes", wie der Text ausdrücklich erklärt. Etwas anderes ergibt sich auch aus dem angeführten Präjudiz nicht.
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c) Zu prüfen ist alsdann, ob auch der aus Vertrag oder unerlaubter Handlung abgeleitete Klageanspruch schweizerischem Recht unterstehe.
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aa) In Übereinstimmung mit den beidseitigen Vorbringen im Prozess bezeichnen die kantonalen Gerichte das Rechtsverhältnis der Parteien als einfache Gesellschaft mit dem Zweck, gemeinsam und mit hälftiger Beteiligung ein Occasionsautomobil anzuschaffen, zu benützen und wieder zu verkaufen. Daraus, dass sich der Unfall auf der Ferienreise nach Frankreich ereignet hat, ergibt sich eine Beziehung zum Ausland, die der Klärung des anwendbaren Rechts ruft. Nach Lehre und Rechtsprechung unterstehen Verträge, die mit verschiedenen Rechtsordnungen Beziehungen haben, mangels abweichender Meinung der Parteien dem Rechte jenes Staates, mit dem sie räumlich am engsten zusammenhangen. Das ist in der Regel das Recht am Wohnsitzjener Partei, welche die den Vertrag kennzeichnende ![]() | 12 |
bb) Für die Haftung aus unerlaubter Handlung gilt grundsätzlich das Recht am Deliktsort (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 326; VISCHER, a.a.O. S. 688). Eine Ausnahme enthält Art. 85 Abs. 2 SVG. Im gleichen Sinne rechtfertigen begründete Erwartungen der Parteien eine Abweichung zugunsten des gemeinsamen Wohnsitzrechtes, wenn der ausländische Begehungsort im Hinblick auf eine zwischen den Parteien bestehende rechtliche oder tatsächliche Beziehung als zufällig erscheint oder wenn eine soziale Einbettung des Deliktes, ohne dass der Begehungsort als zufällig zu bezeichnen ist, vorliegt, z.B. unerlaubte Handlungen innerhalb einer geschlossenen Personengruppe, deren Angehörige im gleichen fremden Recht domiziliert sind (vgl. VISCHER, a.a.O. S. 696 f.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 327, 328 und 339). Die erstgenannte Voraussetzung trifft hier zu, weshalb schweizerisches Recht anzuwenden ist.
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Zu prüfen ist, ob der Beklagte nach den Bestimmungen des SVG haftet.
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Ist somit das SVG nicht anwendbar, so stellt sich die Frage nicht, ob dieses Gesetz als Sonderordnung nicht nur die Haftung aus unerlaubter Handlung, sondern auch aus Vertrag ersetzt, wie das in der Lehre (vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht I, S. 433, und II S. 474, 476/77; A. KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, S. 241; GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht, S. 202) angenommen wird.
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a) Die kantonalen Gerichte gehen mit den beidseitigen Vorbringen im Prozess zutreffend davon aus, dass zwischen den Parteien für Kauf, Benützung und Wiederverkauf des Occasionswagens eine einfache Gesellschaft im Sinne der Art. 530 f. OR bestanden hat. Das Appellationsgericht stellt sodann fest, dass auch die Ferienfahrt nach Frankreich zum Vertragszweck gehört habe, sei sie doch gerade der wichtigste Anwendungsfall der gemeinsamen Benützung des Wagens gewesen. Diese Feststellungen sind, soweit sie nicht schriftlich niedergelegte Vertragsabreden wiedergeben, tatsächlicher Art und für das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Sie beruhen weder auf einem offensichtlichen Versehen noch auf einer Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, wie der Beklagte in der Berufungsantwort - übrigens entgegen der Vorschrift in Art. 55 Abs. 1 lit. d OG ohne nähere Begründung - einwendet. Vielmehr decken sie sich mit der im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Darstellung der Parteien, insbesondere jener des Beklagten. Unter diesen Umständen waren auch keine weiteren Beweise zu erheben. Im angefochtenen Urteil ist sodann, entgegen der Behauptung des Beklagten, mit keinem Wort davon die Rede, dass das Appellationsgericht nicht nur die Kosten ![]() | 19 |
b) Das Appellationsgericht ist der Meinung, der Beklagte hafte mangels besonderer Abrede nur für den Sachschaden, nicht auch für den Personenschaden, was der Kläger als bundesrechtswidrig rügt.
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Nach Art. 538 Abs. 1 und 2 OR hat jeder Gesellschafter in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiss und die Sorgfalt anzuwenden, die er in seinen Geschäften beachtet; er haftet den übrigen Gesellschaftern für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden. Das Gesetz unterscheidet also nicht zwischen Personen- und Sachschaden, sondern spricht von Schaden schlechthin. Es macht die Haftung für beide Schadensarten von der schuldhaften Verursachung abhängig, setzt also keine besondere Abrede für die Pflicht zum Ersatz des Personenschadens voraus. Die vom Appellationsgericht getroffene Unterscheidung müsste demnach sachlich gerechtfertigt sein. Sie wäre es höchstens dann, wenn der Gesellschaftszweck als rein oder vorwiegend wirtschaftlich aufgefasst werden müsste, was er in der Regel ist, aber nicht zu sein braucht (SIEGWART, N. 129 zu Art. 530 OR; vgl. auchBGE 48 II 439, wo eine Vereinbarung über die gemeinsame Einreichung einer Strafklage als sogenannte Gelegenheitsgesellschaft angesehen wurde) und hier offenkundig nicht war.
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Wenn das Appellationsgericht erklärt, die Parteien hätten offensichtlich nicht an die Möglichkeit eines Unfalles und schon gar nicht an die vertragliche Übernahme einer Ersatzpflicht gedacht, so gilt diese an sich verbindliche Feststellung nicht nur für den Personenschaden, sondern auch für den Sachschaden. Sie bietet jedenfalls keinen schlüssigen Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien die Haftung nur auf diesen Schaden beschränken wollten. Auch die gegenseitige Ablösung der Parteien am Steuer beweist weder die Übernahme "zusätzlicher vertraglicher Pflichten" noch den Ausschluss der Haftung für Personenschaden, ![]() | 22 |
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