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Informationen zum Dokument  BGE 99 II 353  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Klägerin arbeitet seit der Trennung vom Beklagten w&a ...
2. a) Nach den vom Obergericht getroffenen tatsächlichen Fes ...
3. Es bleibt zu prüfen, ob das schuldhafte Verhalten der Kl& ...
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49. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Dezember 1973 i.S. W. gegen B.
 
 
Regeste
 
Art. 151 Abs. 1 ZGB.  
 
Sachverhalt
 
BGE 99 II, 353 (353)A.- W. B. und R. W. gingen am 15. Juni 1956 miteinander die Ehe ein, welcher drei Söhne entsprossen. Die Ehegatten wohnten in Luzern, wo der Ehemann als Hilfsarbeiter tätig war. Die Ehefrau hatte bereits im Oktober 1963 einen ersten Sühneversuch zwecks Ehetrennung und im Frühjahr 1967 einen zweiten zwecks Ehescheidung anbegehrt, ohne aber eine Klage einzureichen.
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B.- Die Ehefrau erhob am 7. August 1972 Scheidungsklage mit der Begründung, der Ehemann habe zu trinken begonnen und unterhalte seit einigen Jahren Beziehungen zu andern Frauen; es sei daher häufig zu Streitigkeiten gekommen, die mit Tätlichkeiten geendet hätten. Der Ehemann widersetzte sich der Klage.
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Mit Urteil vom 27. Dezember 1972 sprach das Amtsgericht Luzern-Stadt die Scheidung der Ehe der Parteien auf Begehren der Klägerin aus, stellte die Kinder unter die elterliche Gewalt BGE 99 II, 353 (354)der Mutter und verpflichtete den Beklagten zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen für die Kinder sowie einer Entschädigungsrente von Fr. 400.-- pro Monat gemäss Art. 151 ZGB an die Klägerin; dieser Unterhaltsbeitrag an die Klägerin reduziert sich um Fr. 200.-- monatlich während der Zeit, da der Beklagte noch für den ältesten Sohn Unterhaltsbeiträge leisten muss.
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Der Beklagte zog dieses Urteil an das Obergericht des Kantons Luzern weiter. Er hielt zunächst an der Abweisung der Scheidungsklage fest, beantragte dann aber an der Hauptverhandlung seinerseits, die Ehe der Parteien zu scheiden.
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Das Obergericht hat mit Urteil vom 12. Juli 1973 die Ehe auf Begehren der Klägerin geschieden und die Klage des Ehemanns abgewiesen. Es hat dem Beklagten die Eingehung einer neuen Ehe für die Dauer eines Jahres untersagt und die drei Kinder unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Ferner hat das Obergericht das Besuchsrecht des Beklagten sowie seine Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern geregelt und die Vereinbarung der Parteien über die güterrechtlichen Nebenfolgen der Scheidung genehmigt. Hingegen hat es das Gericht abgelehnt, der Klägerin eine Entschädigungsrente zuzusprechen, weil es sie nicht als schuldlos im Sinne von Art. 151 ZGB betrachtete; zudem war es der Auffassung, die Klägerin erleide durch das Scheitern der Ehe keinen finanziellen Schaden.
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C.- Die Klägerin führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Beklagte habe der Klägerin einen monatlich vorauszahlbaren und zu je 5% seit Verfall verzinslichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 400.-- zu bezahlen, welcher mit der Indexklausel zu verbinden sei; während der Zeit, da der Beklagte für den ältesten Sohn Unterhaltsbeiträge von Fr. 100.-- leisten müsse, sei der Unterhaltsbeitrag an die Klägerin um Fr. 100.-- zu reduzieren.
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D.- Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1. Die Klägerin arbeitet seit der Trennung vom Beklagten während drei Tagen in der Woche und erzielt einen Verdienst von rund Fr. 1000.-- im Monat. Sie verlangt daher nicht einen Unterhaltsbeitrag wegen Bedürftigkeit gemäss Art. 152 ZGB, sondern eine Rente gestützt auf Art. 151 ZGB als Entschädigung für den verlorenen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehemann. Art. 151 Abs. 1 ZGB bestimmt, dass der schuldige Ehegatte BGE 99 II, 353 (355)dem schuldlosen eine angemessene Entschädigung zu entrichten hat, sofern dessen Vermögensrechte oder Anwartschaften durch die Scheidung beeinträchtigt werden. Die Klägerin kann daher nur eine Entschädigungsrente beanspruchen, wenn ihr die Eigenschaft des schuldlosen Ehegatten im Sinne der von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung von Art. 151 ZGB zukommt.
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Die Rechtsprechung beurteilt die vom ansprechenden Gatten begangenen Verfehlungen verschieden, je nachdem ob sie für die Zerrüttung der Ehe kausal waren oder nicht. Ist dieser Kausalzusammenhang zu bejahen, so kann der Richter nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts dem Ehegatten, dessen Verschulden, ohne ganz nebensächlich zu sein, angesichts der gesamten Umstände und des überwiegenden Verschuldens des andern Ehegatten als leicht erscheint und für die Zerrüttung lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt hat, eine - eventuell herabgesetzte - Entschädigung zusprechen (BGE 99 II 129 /30 und BGE 98 II 9 betreffend Art. 152 ZGB). Ein Ehegatte, dem eine für das Zerwürfnis nicht ursächliche Verfehlung zur Last fällt, wird als schuldlos betrachtet, ausser wenn er sich gegen die ehelichen Pflichten schwer vergangen hat. In diesem Fall wird die Entschädigung verweigert oder herabgesetzt (BGE 98 II 163 Erw. 5, BGE 95 II 290 und BGE 93 II 287 mit Verweisungen).
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Die Vorinstanz hat das Verhalten der Klägerin als unvereinbar mit den ehelichen Pflichten und damit als schuldhaft betrachtet. Sie stellte fest, dass die Klägerin zur Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses beigetragen habe. Dies trifft insbesondere auf ihre Beziehungen zu B. zu, welche sie unterhielt, bevor die Ehe scheiterte. Zu Unrecht wird daher in der Berufungsschrift BGE 99 II, 353 (356)behauptet, die Vorinstanz habe sich nicht dazu geäussert, ob und inwiefern das Verhalten der Klägerin für die Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses kausal gewesen sei.
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b) Hinsichtlich des Verhaltens des Beklagten stellte das Obergericht fest, dass dieser im Jahre 1970 mit einer Frau Sch. intime Beziehungen unterhielt, die er im Juni 1972, als diese Person vorübergehend bei den Parteien wohnte, fortsetzte. Schon vor mehreren Jahren hatte er ein intimes Verhältnis mit einer R. S. Bei einem kürzlichen Besuch stellte ein Sohn der Parteien fest, dass der Vater mit einer Frau B. schmuste. Dazu kam, dass der Beklagte die Klägerin grob und brutal behandelte. Bereits im Jahre 1962 hatte die Klägerin im Verlauf eines Streites die Polizei geholt, wobei der Beklagte zugeben musste, dass er seine Frau geschlagen habe. Nach der Zeugenaussage eines der Söhne konnte die Familie fast keine Nacht ruhig schlafen, als der Beklagte noch zu Hause war. Er habe immer geflucht, nicht nur, wenn er betrunken heimgekehrt sei. Die Klägerin habe er mit schlimmen Schimpfworten bedacht und sie auch ernsthaft bedroht. Solche Szenen habe es auch schon vor Einreichung der Scheidungsklage gegeben.
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Der Beziehung zu S., welche die Klägerin im Jahre 1972 unterhielt, also nach dem Ehebruch des Beklagten, und von der die Vorinstanz nicht festgestellt hat, dass sie zur bereits bestehenden Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft beigetragen habe, kommt in diesem Zusammenhang kein Gewicht zu. Hingegen ist es fraglich, ob die Beziehungen der Klägerin zu B. in den Jahren 1967 bis 1969, welche für die Zerrüttung der Ehe kausal waren, noch als leichtes Verschulden betrachtet werden dürfen. Es handelte sich dabei immerhin um ein Verhältnis von einer gewissen Dauer, das von der Vorinstanz als ziemlich intensiv bezeichnet wurde, und nicht nur um einen vereinzelten Verstoss gegen die eheliche Treuepflicht. Auf jeden Fall kann nicht gesagt werden, dass diese Beziehungen für die Zerrüttung nur eine ganz nebensächliche Rolle gespielt hätten.
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Das Verhalten der Klägerin darf indessen in subjektiver Hinsicht nicht losgelöst von den in der ehelichen Gemeinschaft BGE 99 II, 353 (357)herrschenden Zuständen betrachtet werden. Wäre dem Beklagten nichts vorzuwerfen und hätte die Klägerin die ehewidrigen Beziehungen mit B. unterhalten, während sie mit ihrem Ehemann in glücklicher Ehe lebte, wäre ihr Verschulden zweifellos als schwer zu qualifizieren. Doch war die eheliche Gemeinschaft zur Zeit, als die Klägerin gegen die Treuepflicht verstiess, d.h. von 1967 bis 1969, durch das grobe und brutale Verhalten des Beklagten bereits schwerwiegend gestört. Dieser kannte keine Rücksicht auf seine Frau, die Mutter von drei minderjährigen Kindern war. Er unterhielt schon vor 1970 ein ehebrecherisches Verhältnis und behandelte die Klägerin seit dem Jahre 1962 in grober Weise. Dass diese von ihrem Ehemann vernachlässigte und misshandelte Frau, welche bereits zweimal erfolglos den Richter angerufen hatte, in einer Beziehung zu einem andern Mann, deren ehebrecherischer Charakter nicht erstellt ist, Trost suchte, kann angesichts der gesamten Umstände und des überwiegenden Verschuldens des Beklagten noch als leichtes Verschulden im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 151 ZGB beurteilt werden. Auf jeden Fall ist das Verschulden der Klägerin nicht derart, dass ihr jeglicher Anspruch gestützt auf Art. 151 ZGB versagt werden müsste. Immerhin ist ihr aber im Hinblick auf ihr eigenes Verhalten lediglich eine herabgesetzte Entschädigung zuzusprechen.
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Das Obergericht verweigerte der Klägerin eine Entschädigung gemäss Art. 151 ZGB auch noch aus einem andern Grunde. Es war nämlich der Auffassung, dass die Klägerin durch das Scheitern der Ehe keinen wesentlichen finanziellen Schaden erleide, weil sie mit ihrer - gegenwärtig wegen der Kinder reduzierten - Erwerbstätigkeit im Service bereits über Fr. 1000.-- im Monat verdiene und mit zunehmender Selbständigkeit der Kinder diesen Verdienst noch steigern könne. Damit setzte sich die Vorinstanz aber in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichts. In BGE 95 II 597 ff. wird ausgeführt, dass für die Festsetzung der Höhe der Entschädigung die Verschuldenslage, das Alter der Gatten, die Dauer der Ehe, der Gesundheitszustand des ansprechenden Gatten und dessen Möglichkeit, wegen der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, in Betracht gezogen werden müssen. Der Richter darf den dem schuldlosen Gatten durch die Scheidung entstandenen finanziellen Schaden nicht schematisch berechnen, sondern er hat eine Billigkeitsentscheidung zu treffen und die Gesamtheit der Umstände zu BGE 99 II, 353 (358)würdigen (vgl. HINDERLING, Das Schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 129 f.).
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Im vorliegenden Fall verdient der Beklagte Fr. 1750.-- und die Klägerin etwas über Fr. 1000.-- im Monat. Dazu erhält sie vom Beklagten als Unterhaltsbeitrag für die drei Söhne monatlich Fr. 500.--. Dass die Klägerin infolge des Verlustes des ehelichen Unterhaltsanspruches keinen finanziellen Schaden erleide, kann nicht gesagt werden. Dies ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass sie neben der Besorgung des Haushalts für ihre drei Söhne noch während drei Tagen in der Woche im Service tätig sein muss, wozu sie vor der Scheidung nicht gezwungen war. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin, wenn alle drei Söhne erwachsen sein werden, bereits in einem Alter befinden wird, in dem sich die Arbeitsverhältnisse für sie schwieriger gestalten werden. Wird weiter in Betracht gezogen, dass die Ehe der Parteien 17 Jahre gedauert hat und das Verschulden des Ehemannes sehr schwer wiegt, rechtfertigt es sich, den Beklagten gestützt auf Art. 151 Abs. 1 ZGB zur Leistung einer reduzierten Entschädigung von Fr. 300.-- pro Monat an die Klägerin zu verpflichten.
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In der Berufungsschrift wird zusätzlich noch verlangt, dass die Entschädigungsrente mit einer Indexklausel zu verbinden sei. Dieses Begehren wurde erstmals vor Bundesgericht erhoben. Es ist daher gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. b OG unzulässig.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts (II. Kammer) des Kantons Luzern vom 12. Juli 1973 in dem Sinne abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin eine Rente von Fr. 300.-- pro Monat gemäss Art. 151 ZGB zu bezahlen. Im übrigen wird das angefochtene Urteil bestätigt.
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