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53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vym 18. Oktober 1973 i.S. Zindel und Bürer gegen Obrecht. | |
Regeste |
Erbrechtliche Auflage; Art. 482 ZGB. |
2. Von Todes wegen kann die Ehefrau ohne Einwilligung des Ehemannes über ihr eingebrachtes Gut verfügen (Erw. 6). |
3. Eine Auflage, die die gesetzlichen Erben verpflichtet, mit einem Dritten einen bestimmten Teilungsvertrag über einen im Nachlass befindlichen Anteil an einer ungeteilten Erbschaft abzuschliessen, ist zulässig (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
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Am 13. Juni 1960 starb in Jenins Anna Obrecht-Lippuner. Ihr Nachlass ging unverteilt auf ihre gesetzlichen Erben über, nämlich auf ihre beiden Kinder Christian Obrecht und Anna Zindel-Obrecht.
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Am 17. Oktober 1967 errichtete Anna Zindel-Obrecht ein eigenhändiges Testament, das unter anderem folgende Bestimmungen enthält:
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"1. Mein gesamter Nachlass soll, nach Abzug des von Gesetzes wegen auf meinen Ehemann entfallenden Teils, zu gleichen Teilen an meine Kinder Annelise Bürer-Zindel und Rico Zindel-Malär übergehen.
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2. Es ist mein audrücklicher Wille, dass der Nachlass meiner Mutter wie folgt auf meinen Bruder Christian Obrecht-Wegelin, Jenins, und mich aufgeteilt wird:...
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Diese Aufteilung des Nachlasses meiner Mutter entspricht mit Ausnahme der Zuweisung der Panx-Wiese an meinen Bruder dem von Dr. P. von Rechenberg, Chur, ausgearbeiteten Teilungsvorschlag."
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Am 17. November 1967 starb Anna Zindel-Obrecht. Als gesetzliche Erben hinterliess sie ihren Ehemann Johann Ulrich Zindel sowie ihre zwei Kinder Annalise Bürer-Zindel und Ulricus (Rico) Zindel-Malär.
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Mit Leitschein vom 23. März 1969 leiteten Johann Ulrich Zindel, Annalise Bürer und Rico Zindel gegen Christian Obrecht eine Klage ein, mit der sie unter anderem verlangten, es sei festzustellen, dass Ziff. 2 der letztwilligen Verfügung nichtig bzw. ungültig sei. Das Bezirksgericht Unterlandquart und das Kantonsgericht von Graubünden wiesen die Klage in diesem Punkte ab, worauf die Kläger die Berufung ans Bundesgericht erklärten.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Der Hauptstreit dreht sich um die Gültigkeit von Ziff. 2 des Testaments. Die Kläger machen unter Berufung auf ein von ![]() | 9 |
Demgegenüber erblickt der Beklagte gestützt auf ein von ihm eingeholtes Gutachten Merz vom 9. Mai 1970 in Ziff. 2 des Testaments eine rechtsgültige Auflage. Er macht geltend, eine verheiratete Frau dürfe ohne die Zustimmung ihres Mannes über ihren Nachlass testamentarisch verfügen, ihn also auch mit Auflagen belasten. Der Anteil an einer Erbschaft sei vererblich, könne also auch Gegenstand eines Testamentes sein und demzufolge auch mit Auflagen belastet werden. Anna Zindel-Obrecht habe ihren aus dem Nachlass ihrer Mutter stammenden Erbanteil mit einer Auflage belastet, welche die Erben verpflichte, das auf sie übergegangene Recht auf Mitsprache und Mitwirkung bei der Teilung in ihrem Sinne auszuüben.
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4. Nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien ist die letztwillige Verfügung der Anna Zindel-Obrecht vom 17. Oktober 1967 ein formgültiges eigenhändiges Testament im Sinne von Art. 498 und 505 ZGB. Die Vorinstanz schreibt in ihrer Tatbestandsdarstellung, dass dieses Testament unangefochten geblieben sei. Diese Feststellung beruht wohl auf einem offensichtlichen Versehen, haben doch die Kläger mit ihrer Klage ![]() | 11 |
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Der Anteil am mütterlichen Nachlass fiel Anna Zindel-Obrecht während ihrer Ehe unentgeltlich zu und gehörte demnach zu ihrem eingebrachten Gut (Art. 195 Abs. 1 ZGB). Das eingebrachte Gut einer unter dem Güterstand der Güterverbindung lebenden Ehefrau gehört zum ehelichen Vermögen (Art. 194 ZGB), das vom Ehemann verwaltet wird; der Ehefrau steht die Verwaltung nur insoweit zu, als sie zur Vertretung der ehelichen Gemeinschaft berechtigt ist (Art. 200 ZGB). Sie darf demnach über ihr eingebrachtes Gut nur im eng begrenzten Bereich ihrer ordentlichen Vertretungsbefugnis allein verfügen; sonst darf sie darüber ohne Zustimmung des Mannes keine Verfügungen treffen (Art. 203 ZGB). Die Mitwirkung bei der Teilung einer Erbschaft, insbesondere der Abschluss eines Erbteilungsvertrages, überschreitet den Rahmen der ordentlichen Vertretungsbefugnis (LEMP, N. 8 am Ende zu Art. 203 ZGB). Anna Zindel-Obrecht durfte demnach zu Lebzeiten ohne die Zustimmung ihres Mannes mit dem Beklagten vertraglich keine Teilung vereinbaren.
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Nach übereinstimmender Darstellung beider Parteien hat Anna Zindel-Obrecht zu Lebzeiten versucht, mit ihrem Bruder einen Erbteilungsvertrag abzuschliessen, dessen Inhalt im wesentlichen dem entsprach, was sie dann in Ziff. 2 des Testamentes anordnete. Ihr Ehemann lehnte die Genehmigung dieses Vertrages jedoch ausdrücklich ab. Zu Lebzeiten der Anna Zindel-Obrecht ist somit eine Verfügung über den Nachlass der Anna Obrecht-Lippuner nicht zustandegekommen.
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6. Mit dem Tod einer Ehefrau wird die eheliche Gemeinschaft aufgelöst, womit die güterrechtlich begründeten Verwaltungs-, Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse des Ehemannes am ![]() | 15 |
Eine urteilsfähige Ehefrau darf unter Beobachtung der gesetzlichen Schranken und Formen über ihr Vermögen letztwillige Verfügungen treffen (Art. 467 ZGB), und zwar können sich diese sowohl auf ihr eingebrachtes Gut wie auf ihr Sondergut beziehen. Die Einwilligung des Ehemannes ist dazu nicht erforderlich (TUOR, N. 7 zu Art. 467 ZGB).
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Der Anteil der Anna Zindel-Obrecht am Nachlass ihrer Mutter stellt ein zum eingebrachten Gut gehörendes Recht auf eine Erbschaft dar. Ein solches ist vererblich (Art. 542 Abs. 2 ZGB) und kann somit auch zum Gegenstand testamentarischer Anordnungen gemacht werden. Anna Zindel-Obrecht durfte demnach in den gesetzlichen Schranken und Formen über ihre gesamthänderische Berechtigung am Nachlass ihrer Mutter ohne die Zustimmung ihres Ehemannes letztwillige Verfügungen treffen.
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a) Eine Auflage im Sinne von Art. 482 ZGB ist eine Verfügung von Todes wegen, die einen gesetzlichen oder eingesetzten Erben oder einen Vermächtnisnehmer verpflichtet, zu einem bestimmten Zweck etwas zu tun oder zu unterlassen, wobei diese Verpflichtung aber nicht ein Forderungsrecht eines Berechtigten, sondern nur einen Anspruch der interessierten Personen auf Vollziehung begründet (BGE 94 II 91 /92 mit Hinweisen; HERZER, Erbrechtliche Auflagen und Bedingungen nach Art. 482 ZGB, Diss. Zürich 1941, S. 40). Ob eine in die Lebensverhältnisse der Erben eingreifende Vorschrift eines Erblassers als Auflage betrachtet werden könne, ist eine.Auslegungsfrage (ESCHER, Eingriffe eines Erblassers in Lebensverhältnisse der Erben, SJZ 1962, S. 330).
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Anna Zindel-Obrecht verfügte in Ziff. 2 ihres Testamentes folgendes: "Es ist mein ausdrücklicher Wille, dass der Nachlass meiner Mutter wie folgt auf meinen Bruder... und mich aufgeteilt wird:...". Diese Anordnung kann entgegen der Meinung der Kläger ohne weiteres so verstanden werden, dass die Erblasserin ![]() | 20 |
b) Nach Art. 482 Abs. 2 ZGB machen unsittliche oder rechtswidrige Auflagen die Verfügung ungültig. Der Wille des Erblassers darf indessen nicht allzuleicht, sondern nur unter dem Gebot höherer Rücksichten vereitelt werden. Die Vermutung zu Gunsten der Aufrechterhaltung des Testaments gilt auch hier (TUOR, N. 28 zu Art. 482 ZGB). Im vorliegenden Fall kann die gemachte Auflage nicht als unsittlich oder rechtswidrig bezeichnet werden. Da Anna Zindel-Obrecht über ihr eingebrachtes Frauengut letztwillig ohne Zustimmung ihres Mannes verfügen durfte, hätte sie (immer natürlich im Rahmen der Pflichtteilsschranken) als Primärerbin über ihre gesamthänderische Berechtigung am Nachlass ihrer Mutter testamentarisch auch einen Erben einsetzen können; sie hätte also zum Beispiel ihren Anteil durch letztwillige Verfügung voll auf ihren Bruder übertragen dürfen, ohne sich dadurch den Vorwurf des unsittlichen oder rechtswidrigen Handelns zuzuziehen. Die Belastung des Nachlasses mit den in Ziff. 2 des Testaments umschriebenen Auflagen geht weniger weit und benachteiligt ihre gesetzliche Erben weniger, als wenn sie ihnen den ganzen Anteil am mütterlichen Nachlass entzogen hätte. Ist aber der völlige Entzug dieses Anteils nicht rechtswidrig oder unsittlich, dann kann es auch die weniger weitgehende Belastung des Anteils mit Auflagen nicht sein.
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Unsittlich ist eine Auflage unter anderem dann, wenn sie vom Adressaten ein verpöntes Verhalten verlangt (HERZER, a.a.O. S. 105). Die Kläger machen unter Hinweis auf das Gutachten Escher geltend, ein Zwang zum Abschluss eines Vertrages mit einem bestimmten Inhalt könne nicht Gegenstand einer Auflage sein. Dieser Einwand ist in seiner allgemeinen Formulierung unbegründet. In der Literatur ist unbestritten, dass ein Erblasser mit einer Auflage zum Beispiel anordnen darf, seine Erben hätten in bestimmt umschriebener Weise für den Unterhalt seines Grabes zu sorgen oder in einer bestimmten Kirche oder Pfarrei an bestimmten Tagen Jahrzeitmessen lesen zu lassen oder ![]() | 22 |
Unsittlich und rechtswidrig ist eine Auflage ferner auch dann, wenn sie die Persönlichkeitsrechte des Adressaten, zum Beispiel sein Recht auf Eheschliessung, beeinträchtigt oder seine individuelle Freiheit in einem Recht und Sitte verletzenden Masse einschränkt (TUOR, N. 28 und 28a zu Art. 482 ZGB). Berührt eine Auflage nur die wirtschaftliche Freiheit des Adressaten, ist zu prüfen, ob dies in einem Masse geschehe, dass dadurch das Recht der Persönlichkeit verletzt wird. In der Literatur wird zum Beispiel eine Auflage als unzulässig erklärt, die dem Belasteten verbietet, eine ihm vermachte Liegenschaft zu veräussern, weil durch eine solche Anordnung seine wirtschaftliche Existenz bedroht werden könnte (TUOR, N. 6 und 28a zu Art. 482 ZGB; HERZER, a.a.O. S. 106; vgl. auch BGE 87 II 363). Im vorliegenden Fall werden die Kläger durch die Auflage lediglich verpflichtet, mit dem Beklagten einen Vertrag eines bestimmten Inhaltes abzuschliessen. Das allein verletzt ihre Persönlichkeitsrechte und ihre individuelle Freiheit nicht. Wohl können sie den Vertrag mit dem Beklagten nicht mehr nach Belieben gestalten; aber es ist gerade der Zweck einer Auflage, dass sie dem Belasteten gewisse Bindungen und Verpflichtungen auferlegt, die er ohne die Auflage nicht hätte. Auch die wirtschaftliche Freiheit der Erben wird durch die Auflage nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, weil diese über das, was sie auflagegemäss erhalten, frei verfügen dürfen. Anna Zindel-Obrecht sah im Testament zudem einen angemessenen Wertausgleich vor.
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Die Kläger machen schliesslich geltend, zum Gegenstand einer Auflage dürfe nur gemacht werden, was Inhalt einer Schuldverpflichtung sein könne; was nicht erzwingbar sei, könne nicht ![]() | 24 |
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