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54. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. November 1973 i.S. Züblin gegen Hofmann | |
Regeste |
Erbvertrag; Ungültigerklärung wegen Willensmängeln (Art. 469 ZGB). Art. 469 ZGB findet auch auf Erbverträge Anwendung (Erw. 4). |
Will der Erblasser einen von ihm abgeschlossenen Erbvertrag wegen eines Willensmangels aufheben, so hat er dem Vertragspartner davon Kenntnis zu geben (Erw. 4b). |
Ein Erbvertrag darf nicht wegen eines Willensmangels ungültig erklärtwerden, von dem mit Sicherheit anzunehmen ist, dass er nicht in wirksamer Weise geltend gemacht worden wäre, hätte ihn der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten entdeckt (Erw. 8). | |
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Nach herrschender Auffassung beziehen sich diese Regeln auch auf Erbverträge, jedenfalls soweit es sich um Willensmängel des auf seinen Tod hin Verfügenden handelt (ESCHER und TUOR, je N. 2 zu Art. 469 ZGB; PICENONI, Die Auslegung von Testament und Erbvertrag, S. 96, je mit Zitaten; vgl. auch BGE 53 II 102, BGE 72 II 156 ff., BGE 75 II 284 Erw. 3). Eine abweichende ![]() | 2 |
Es trifft jedoch zu, dass Art. 469 ZGB eine sehr unvollkommene Regelung enthält, die zwischen der Anfechtung von Testamenten und Erbverträgen wegen Willensmängeln nicht unterscheidet, obwohl die Interessenlage in beiden Fällen offensichtlich nicht die gleiche ist. Im vorliegenden Prozess stellt sich die vom Bundesgericht bisher noch nie ausdrücklich beurteilte Frage, ob die Irrtumsanfechtung nicht nur beim Testament, sondern auch beim Erbvertrag wegen eines blossen Motivirrtums möglich oder ob sie hier nur in den Schranken von Art. 24 OR zulässig sein soll. Ferner fragt es sich, ob der Erblasser einen Erbvertrag ohne Kenntnisgabe an den Vertragspartner aufheben kann, wenn er den Willensmangel zu seinen Lebzeiten entdeckt.
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a) Was die Frage des Motivirrtums betrifft, vertreten die Kommentatoren ESCHER und TUOR übereinstimmend die Auffassung, dass kein Unterschied zwischen Testament und Erbvertrag bestehe; in beiden Fällen sei auch ein Irrtum im Beweggrund ![]() | 4 |
An dieser Gleichbehandlung von Testament und Erbvertrag hinsichtlich des Irrtums im Beweggrund ist indessen von verschiedenen Autoren Kritik geübt worden. Diese Kritik geht davon aus, dass es sich beim Erbvertrag im Unterschied zum Testament um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft handelt und dass deshalb die Berücksichtigung des Motivirrtums auf Seiten des Erblassers nicht nur auf Kosten des Vertragspartners geht, der sich in seinem Vertrauen auf den Vertragswortlaut getäuscht sieht, sondern dass sie auch eine stossende Ungleichheit zur Folge hat, da der Vertragspartner seinerseits den Vertrag nur in den Schranken von Art. 24 OR wegen Irrtums anfechten kann (GOTTFRIED MÜLLER, Die Ungültigkeitsklage bei den Verfügungen von Todes wegen, Zürcher Diss. 1928, S. 34/35; RASCHEIN, Die Ungültigkeit der Verfügungen von Todes wegen, Berner Diss. 1953, S. 23/24; PICENONI, a.a.O. S. 96 ff. und 100 ff.; PIOTET, a.a.O. S. 332 ff.).
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In der Tat ist nicht zu verkennen, dass die stärkere Berücksichtigung des Willens des Erblassers beim Erbvertrag in Konflikt gerät mit dem Vertrauen des Vertragspartners, dessen Schutz die Bestimmungen des Obligationenrechtes über den Vertragsschluss anstreben. Im Hinblick auf Art. 7 ZGB, der die Anwendung der Bestimmungen des Obligationenrechtes über die Entstehung, Erfüllung und Aufhebung der Verträge auf vergleichbare andere zivilrechtliche Verhältnisse gebietet, sind die in der Literatur erhobenen Einwände gegen eine unbeschränkte Berücksichtigung des Motivirrtums des Erblassers beim Erbvertrag begründet. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat deshalb ein solcher Irrtum nur dann als beachtlich zu gelten, wenn er sich auf einen Sachverhalt bezieht, der vom Erblasser nach Treu und Glauben als notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet ![]() | 6 |
b) Im weitern stellt sich die Frage, wie der Erblasser einen Willensmangel, den er zu seinen Lebzeiten entdeckt. geltend zu machen hat. Beide Kommentatoren nehmen übereinstimmend an, der Erblasser müsse von seinem in Art. 469 Abs. 2 ZGB vorgesehenen Aufhebungsrecht in der Form eines Testamentes Gebrauch machen. Ihre Auffassungen weichen indessen voneinander ab, was die Frage der Mitteilung an die Gegenseite betrifft. ESCHER hält dafür, dass eine solche Mitteilung Gültigkeitserfordernis der Aufhebung bilde, während TUOR die Meinung vertritt, die Mitteilung der einseitigen Aufhebung an den Vertragspartner sei zwar nicht Voraussetzung für deren Gültigkeit; ihre Unterlassung könne aberje nach den Umständen Bereicherungs- oder sogar Schadenersatzansprüche auslösen (ESCHER, N. 18/19, TUOR, N. 19 und 30 zu Art. 469 ZGB).
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Im vorliegenden Fall wollte der Erblasser den mit der Klägerin und deren Sohn abgeschlossenen Erbvertrag durch das später errichtete Testament grösstenteils wieder aufheben, ohne seinen Vertragspartnern davon Kenntnis zu geben. Die in der Literatur kontroverse Frage, ob die einseitige Aufhebung des Erbvertrages nur in Testamentsform erfolgen könne, muss hier nicht entschieden werden, nachdem sich der Erblasser dieser Form bedient hat. Hingegen stellt sich die Frage, ob der Erblasser den Erbvertrag wegen des im Testament geltend gemachten Willensmangels einseitig aufheben konnte, ohne der Gegenseite davon Kenntnis ![]() | 8 |
Mangels Kenntnisgabe an die Vertragspartner ist somit der vom Erblasser im Testament vom 20. Oktober 1965 zum Ausdruck gebrachte Irrtum über die Angemessenheit des Kaufpreises von Fr. 280 000.-- für die in Frage stehende Liegenschaft wirkungslos geblieben und kann, da der Erbvertrag diesbezüglich konvaleszierte, nachträglich nicht mehr geltend gemacht werden.
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Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass der Erblasser den ![]() | 11 |
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