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68. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. November 1974 i.S. Fux gegen Altstadt-Versicherungs-Aktiengesellschaft. | |
Regeste |
Unfallversicherung; Vergütung der Heilungskosten; Art. 96 VVG. |
Eine Versicherungsklausel, in der die Ersatzpflicht des Versicherers für Heilungskosten ausdrücklich wegbedungen wird, falls ein Dritter hiefür aufkommt, verstösst gegen Art. 96/98 VVG. | |
Sachverhalt | |
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für Heinrich Fux Fr. 1688.65 | 2 |
Emma Fux Fr. 8292.25 | 3 |
Christine Fr. 252.-- | 4 |
Beatrice Fr. 85.90 | 5 |
Sie wurden von der Haftpflichtversicherung des Militärfahrzeuges bezahlt.
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B.- Heinrich Fux hatte am 2. Februar 1969 bei der Altstadt-Versicherungs-Aktiengesellschaft eine kombinierte Versicherung "Autoplan" abgeschlossen, die das Risiko von Haftpflicht, Kasko und Unfall von Insassen deckte. Die Insassenversicherung sieht neben einer monatlichen Pauschale von Fr. 300.--, einer Todesfallentschädigung von Fr. 10 000.-- sowie einer Entschädigung von Fr. 30 000.-- bei gänzlicher Invalidität die Vergütung der vollen tatsächlichen Heilungskosten auf die Dauer von zwei Jahren vor.
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Die dem Versicherungsnehmer übergebenen Allgemeinen Bedingungen, auf die in der Police verwiesen wird, enthalten in Art. 26 Abs. 5 folgende Bestimmung:
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"Die Heilungskostenentschädigung entfällt, sofern und soweit die Heilungskosten von einem Dritten zu bezahlen sind. Der versicherte Insasse kann jedoch von der Altstadt direkt Bezahlung verlangen, tritt ihr aber im Umfange ihrer Leistungen und nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen seine Ansprüche gegen den Dritten ab."
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C.- Heinrich Fux forderte von der Altstadt-Versicherung die Bezahlung der Heilungskosten im Gesamtbetrage von Fr. 10 318.80. Die Versicherung verweigerte die Bezahlung mit der Begründung, die Haftpflichtversicherung des Militärfahrzeuges habe diese Leistungen bereits erbracht. Eventuell verlangte sie gestützt auf Art. 26 Abs. 5 der Allgemeinen Bedingungen die Abtretung der Ansprüche der Verletzten, was diese ablehnten.
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Am 4. April 1972 reichten Heinrich und Emma Fux sowie ihre minderjährigen Kinder Christine und Beatrice Fux gegen die Altstadt-Versicherungs-Aktiengesellschaft Klage ein, mit der sie die Bezahlung der gesamten Heilungskosten nebst Verzugszins ab 10. Februar 1971 verlangten. Das Kantonsgericht ![]() | 11 |
D.- Die Kläger erhoben Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtes Wallis vom 7. Mai 1974 aufzuheben und ihre vor kantonaler Instanz eingeklagten Begehren vollumfänglich zu schützen.
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E.- Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach Art. 40 der Walliser Zivilprozessordnung kann der Richter jederzeit von Amtes wegen oder auf Begehren der Parteien die Verbindung von Klagen anordnen, wenn sie auf gleicher rechtlicher Grundlage beruhen und durch ein und ![]() | 15 |
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Ist die Heilungskostenversicherung jedoch als Personenversicherung zu behandeln, so besteht gestützt auf Art. 96 VVG Anspruchskumulation. Diese Bestimmung sieht vor, dass in der Personenversicherung die Ansprüche, die dem Anspruchsberechtigten infolge Eintritts des befürchteten Ereigntsses gegenüber Dritten zustehen, nicht auf den Versicherer übergehen. Art. 98 VVG verbietet ausdrücklich, gewisse Vorschriften zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder Anspruchsberechtigten vertraglich abzuändern. Zu diesen zwingenden Vorschriften gehört auch Art. 96 VVG. Eine Einschränkung dieses ![]() | 17 |
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Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, überwiegt in der Literatur die Auffassung, die Forderung gegen den Schädiger auf Ersatz der Heilungskosten gehe dann auf den Versicherer über, wenn der Versicherungsvertrag diese als einen durch das befürchtete Ereignis verursachten Schaden betrachte. In diesem Falle handle es sich um eine Schadensversicherung im Sinne von Art. 72 VVG. Im Gebiete der Personenversicherung erfasse Art. 96 VVG nur die Versicherung für bestimmte Summen, bei denen der Anspruch des Versicherten unabhängig vom Eintritt eines Schadens entstehe, nämlich schon durch die blosse Verwirklichung des Ereignisses, von dem die Leistungen des Versicherers abhängig gemacht werden (BGE 94 II 187; vgl. z.B. GAROBBIO, ZBJV 81 (1945) S. 289 ff. und 329 ff.; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl. Bd. I S. 340/341 und daselbst in Fussnote 17 aufgeführte weitere Literatur; GAUGLER, SVZ 29 (1961 /62) S. 65 ff. und 108 ff.; STAUFFER, SJZ 59 (1963) S. 177 ff.; KÖNIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., S. 467/68, 479 und 488).
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Demgegenüber hat das Bundesgericht in ständiger Praxis entschieden, dass die Vorschrift von Art. 96 VVG auch für die Heilungskosten gelte, die der Versicherer auf Grund einer Unfallversicherung ersetzt hat (BGE 94 II 186 ff. lit. b, BGE 89 II 124 f. Erw. 6, BGE 73 II 39 ff. und BGE 70 II 229 ff.; vgl. auch BGE 81 II 167 und BGE 77 II 165). Es hat dabei auf die Gesetzesmaterialien ![]() | 20 |
Das Bundesgericht folgerte daraus, dass bei den Personenversicherungen die Subrogation nicht ausgeschlossen sei, weil oder wenn sie auf bestimmte Summen lauten, sondern vielmehr, weil man den Ersatz des Schadens unabhängig von dessen objektivem Vorhandensein in dem für den Fall des befürchteten Ereignisses vorgesehenen Ausmass zulassen wollte (BGE 94 II 188). Wenn danach bei den Personenversicherungen der Eintritt des befürchteten Ereignisses die Ausrichtung eines Betrages zur Folge haben könne, der den tatsächlich eingetretenen Schaden übersteige, so lasse sich auch nichts dagegen einwenden, dass der Versicherte, obwohl er die mit dem Versicherer vertraglich vereinbarte Entschädigung erhalten habe, auch noch gegen den Schädiger vorgehen könne. Es könne nicht gesagt werden, dass der Versicherte unter diesen Umständen aus dem Bestehen des Versicherungsvertrages ungerechtfertigte Vorteile ziehen könne. Die Subrogation müsse bei der Personenversicherung auch in den Fällen ausgeschlossen sein, in denen die Parteien im Vertrag die Zahlungspflicht davon abhängig machen, dass ein Vermögensschaden eingetreten sei, z.B. wenn der Ersatz der Heilungskosten vereinbart werde. Entscheidend sei in dieser Hinsicht einzig der Zusammenhang der Versicherung mit dem Leben und der ![]() | 21 |
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Der Standpunkt des Bundesgerichtes findet aber auch eine gewisse Bestätigung in der bereits zitierten Verordnung des Bundesrates über die Aufhebung von Beschränkungen der Vertragsfreiheit bei kantonalen obligatorischen Unfallversicherungen. Wäre die Heilungskostenversicherung im Rahmen einer Unfallversicherung entsprechend der einhelligen Meinung der Literatur Schadensversicherung, so wäre diese Verordnung überflüssig, da der Rückgriff auf den Haftpflichtigen ![]() | 23 |
Ist aber an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes festzuhalten, so muss die hier umstrittene Versicherungsklausel als Personenversicherung betrachtet werden, was zur Folge hat, dass die Beklagte den Klägern die Heilungskosten zu ersetzen hat ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung diese bereits vergütet hat.
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Damit ist dem Kantonsgericht aber ein offensichtliches Versehen unterlaufen, das vom Bundesgericht gestützt auf Art. 63 Abs. 2 OG zu korrigieren ist. Bei den von der Vorinstanz aufgeführten Summen handelt es sich zum Teil um die gesetzlichen Minima und zum Teil um die bei der Beklagten versicherbaren Maximalgarantien der gesetzlichen Haftplichtversicherung. Sowohl für die Kasko- wie für die Insassenversicherung gelten ganz andere Grundsätze. Die Police enthält auf der Rückseite für die Insassenversicherung verschiedene Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Leistungen (Plan 1-Plan 8). Nach der Code-Nummer in der Police hat der Kläger Heinrich Fux den Plan 7 gewählt, der Fr. 300.-- Monatspauschale, Fr. 10 000.-- Todesfall- und Fr. 30 000.--Invaliditätsentschädigung ![]() | 26 |
Ob indessen an der in BGE 73 II 42 vertretenen Auffassung festgehalten werden kann, ist fragwürdig; denn die einzelnen Elemente einer gemischten Versicherung sollten je gesondert beurteilt werden (vgl. dazu STAUFFER, a.a.O. S. 179, OFTINGER, a.a.O. S. 341, und GAROBBIO, a.a.O. S. 304). Im vorliegenden Fall braucht diese Frage jedoch nicht näher geprüft zu werden, da die Heilungskostenversicherung auf jeden Fall als Personenversicherung aufzufassen ist, ob sie für sich allein oder im Zusammenhang mit der Hauptversicherung betrachtet wird.
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Nicht ankommen kann es auf die in der Police mitenthaltenen anderen Versicherungen; die Haftpflicht-, die Kasko- und die Insassenversicherung gehören drei völlig verschiedenen Sparten an, die lediglich äusserlich gemeinsam behandelt worden sind. Jede einzelne der drei gekoppelten Versicherungen ist wiederum als gemischte Versicherung ausgestaltet worden. Dass eine blosse Koppelung auf die rechtliche Natur der Versicherungen ohne Einfluss ist, dürfte unbestritten sein.
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In BGE 73 II 42 hat das Bundesgericht ausgeführt: "Il n'est donc, sauf clause particulière, que de traiter de la même manière (d.h. als Personenversicherung) toutes les prestations faites en vertu d'un contrat d'assurance contre les accidents des personnes." Obwohl sich diese Bemerkung nur auf die Frage bezieht, ob die Nebenabrede ihren eigenen rechtlichen ![]() | 30 |
Da die Heilungskostenversicherung im vorliegenden Fall zur Personenversicherung gehört, ist mit STAUFFER, a.a.O., anzunehmen, die in Art. 26 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltene generelle Ausschlussklausel verstosse gegen Art. 96/98 VVG und sei daher ungültig. Es spricht denn auch nichts dafür, durch eine solche Regressforderung gegen den Schädiger den Versicherer zu entlasten, der die volle Prämie des Versicherungsnehmers für das ganze Risiko kassiert hat und durch das Schadenereignis nicht weiter betroffen wird. Der Verletzte wird auch dann, wenn die Heilungskosten und der Verdienstausfall voll ersetzt werden, infolge des Unfalles erhebliche Nachteile auf sich nehmen ![]() | 31 |
Man könnte sich höchstens fragen, ob der Ausschluss der Doppelforderung durch Vertragsabrede zulässig wäre, wenn die Versicherungsgesellschaften zum Ausgleich dafür einen billigeren Prämiensatz gewähren würden, so dass der Versicherungsnehmer die Wahl hätte zwischen der höheren Prämie mit unbeschränktem Heilungskostenersatz und der niedrigeren Prämie mit entsprechender Abtretung der Schadenersatzansprüche an den Versicherer bei Leistungspflicht eines Dritten. Dabei müsste der Prämienunterschied versicherungstechnisch errechnet und vom Eidgenössischen Versicherungsamt genehmigt werden. Dass dies im vorliegenden Falle geschehen sei, wird nicht behauptet. Unter diesen Umständen braucht aber diese Frage hier nicht näher geprüft zu werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Kantons-Gerichts Wallis vom 7. Mai 1974 aufgehoben. Die Beklagte wird zur Bezahlung folgender Beträge verpflichtet: an Heinrich Fux Fr. 1688.65, an Emma Fux Fr. 8292.25, an Christine Fux Fr. 252.-- und an Beatrice Fux Fr. 85.90, je zuzüglich 5% Zins seit dem 10. Februar 1971.
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