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22. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Februar 1975 i.S. Versicherungsgesellschaft A. gegen X. | |
Regeste |
Art. 394 Abs. 3 OR; Angemessenheit eines Honorars. |
2. Ein Rechtslehrer, der eine für die Zukunft vorgesehene Regelung zu begutachten hat, kann sich selbst vergleichsweise nicht auf einen Anwaltstarif berufen (Erw. 3). |
3. Berechnung des objektiv angemessenen Honorars (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Der Pool überwies Professor X. am 28. April 1971 Fr. 18'000.--, bestritt aber die Schuldpflicht für den Restbetrag, weil er die Honorarrechnung für übersetzt hielt.
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B.- Im April 1972 klagte Professor X. gegen die Versicherungsgesellschaft A., die dem Pool angehört, auf Zahlung des Restbetrages nebst Zins.
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Das Bezirksgericht Zürich schützte am 21. August 1973 die Klage im Teilbetrag von Fr. 8'400.-- nebst Zins.
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Der Kläger appellierte an das Obergericht des Kantons Zürich, das die Klage am 9. Juli 1974 guthiess und die Beklagte zur Zahlung von Fr. 26'000.-- nebst 5% Zins seit 28. April 1972 verpflichtete.
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C.- Die Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichtes Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage ganz abzuweisen.
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Der Kläger hält das angefochtene Urteil für richtig und beantragt, es zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Dass über das Mass oder die Berechnung von Honoraren, ![]() | 10 |
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Besteht in Fällen wie hier über das Mass und die Berechnung eines Honorars weder eine gesetzliche Regel noch eine Vereinbarung oder Verkehrssitte, so hat der Richter es im Streitfall nach allgemeinen Grundsätzen festzusetzen. Dazu gehört immer, dass die Vergütung den geleisteten Diensten entsprechen, ihnen objektiv angemessen sein muss. Nach welchen Gesichtspunkten sie im übrigen zu ermitteln ist und was bei ihrer Bemessung berücksichtigt werden darf, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art und Dauer des Auftrages, der übernommenen Verantwortung sowie der beruflichen Tätigkeit und Stellung des Beauftragten. Eine Berechnung des Honorars nach Prozenten des Interessen- oder Streitwertes (sog. Prozentvergütung) ist "in der Regel keine angemessene, der Billigkeit entsprechende ![]() | 12 |
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a) Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass der Kläger nicht beauftragt worden ist, ein Gutachten zu einem streitigen Versicherungsfall abzugeben. Er hatte lediglich zwei Klauseln auf ihre Rechtsgültigkeit nach Art. 41 VVG zu überprüfen und sollte, falls sie sich unter irgendeinem Gesichtspunkt als unzulässig erwiesen, selber Änderungen vorschlagen. Es ging den Auftraggebern vor allem darum, sich bei den bevorstehenden Verhandlungen mit einer Fluggesellschaft über die Erneuerung von Versicherungen auf das Gutachten eines Wissenschafters berufen zu können, um die Zulässigkeit der Klauseln darzutun. Diese waren noch nicht Gegenstand eines Vertrages; der Pool wollte sie vielmehr in neue Kasko-Versicherungspolicen aufnehmen lassen, um die Rechtsstellung seiner Mitglieder gegenüber den Rückversicherern und den Versicherungsnehmern zu verbessern. Ob diese damit einverstanden waren und die Klauseln im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor Art. 41 VVG wirklich standhielten, war noch offen, zumal der Meinung des Klägers, wie die Beklagte einwendet, diejenige eines anderen Fachmannes entgegenstand.
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Die Aufgabe des Klägers erschöpfte sich somit in der wissenschaftlichen ![]() | 15 |
b) Die Annahme des Obergerichts, die Berechnung des Honorars nach den Höchstansätzen des zürch. Anwaltstarifes sei begründet, geht auch deshalb fehl, weil hier selbst von einer analogen Anwendung dieses Tarifes, der auf die besonderen Verhältnisse des freierwerbenden Anwaltes zugeschnitten ist, nicht die Rede sein kann. Gewiss kann der Anwalt ebenfalls Gutachten abgeben und sich dafür (im Kanton Zürich) auch auf den Tarif berufen (§ 6). Die für seinen Beruf charakteristische Arbeit besteht jedoch in der Prozessführung und deren Vorbereitung. Diese Tätigkeit bedingt einen Bürobetrieb, der mit erheblichen Unkosten verbunden ist. Dazu kommt, dass der Anwalt mit Ausfällen wegen Krankheit, ![]() | 16 |
Beim Hochschullehrer verhält es sich durchwegs anders, gleichviel ob er nebenbei als Gutachter tätig ist oder nicht. Er bezieht als Amtsperson ein festes Gehalt, das ihm auch während der Ferien, bei Krankheit, Unfall und Militärdienst sowie in Zeiten, in denen er als Gutachter tätig ist, ausgerichtet wird. Der Staat versichert ihn zudem gegen die wirtschaftlichen Folgen von Invalidität, Alter und Tod, wofür er freilich Beiträge zu leisten hat. Er kann sich ferner auf Kosten des Staates weiterbilden und auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisieren, da die wissenschaftliche Tätigkeit zu seinen Aufgaben gehört. Wird er, wie hier, auf Gebieten seiner Lehrtätigkeit als Gutachter beigezogen, so erleichtert ihm das dabei erworbene Wissen die Arbeit. Er benötigt für seine nebenberufliche Tätigkeit in der Regel auch kein Büro, noch eine ständige Sekretärin oder Bürohilfe. Seine Auslagen sind geringfügig.
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Dass die Tätigkeit eines Rechtsgutachters sich der Sache nach mit derjenigen eines Anwaltes vergleichen lässt, hilft über diese Unterschiede nicht hinweg, berechtigt den Kläger folglich nicht, sich auf den Anwaltstarif zu berufen. Die analoge Anwendung dieses Tarifes lässt sich entgegen der Annahme der Vorinstanz hier auch nicht damit begründen, der Anwalt dürfe davon ausgehen, dass der Richter das Recht kenne und es von sich aus berücksichtigen werde, während der Gutachter diese Vorteile nicht geniesse, als Spezialist aber für eine zuverlässige Beurteilung der Rechtslage mehr Gewähr ![]() | 18 |
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Mit Rücksicht auf die berufliche Stellung des Klägers ist vom Stundenhonorar eines qualifizierten Juristen auszugehen. In diesem Rahmen ist ferner der Schwierigkeit und Bedeutung des übernommenen Auftrages Rechnung zu tragen. Das Gutachten betraf zwei heikle Rechtsfragen, für die der Kläger sich weder auf wissenschaftliche Vorarbeiten noch auf Rechtsprechung stützen konnte. Die Bedeutung der Leistung erhellt daraus, dass den Auftraggebern laut Angaben der Beklagten sehr daran gelegen war, die geplanten Neuerungen von einem ausserhalb des Versicherungswesens stehenden Spezialisten wissenschaftlich überprüfen zu lassen. Das Gutachten entsprach zudem den Erwartungen der Auftraggeber, da sie es als klar und gründlich bezeichneten und der Kläger die neue Regelung grundsätzlich für zulässig hielt.
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Nach dem angefochtenen Urteil hat der Kläger für die Vorbereitung und Ausarbeitung des Gutachtens 12 3/4 Tage zu acht Stunden, insgesamt also 102 Stunden benötigt. Das Obergericht hat es abgelehnt, elf von der Beklagten eingereichte ![]() | 21 |
Die von der Beklagten zum Vergleich angerufenen Gutachten stammen mehrheitlich aus den Jahren 1968 bis 1971. Sie lassen auf Ansätze von Fr. 500.-- bis 600.-- im Tag schliessen. Im Jahre 1971 dürfte ein Honorar von Fr. 750.-- im Tag jedenfalls an der oberen Grenze dessen gelegen haben, was ein Hochschullehrer damals selbst für ein schwieriges und in seinen Auswirkungen bedeutsames Gutachten forderte. Dieses Tageshonorar müsste im vorliegenden Fall auch dann als angemessen gelten, wenn berücksichtigt wird, dass die Beklagte das Gutachten für dringend hielt und es bis Mitte Januar 1971 erwartete, dass der Kläger sich folglich während zwei Wochen unbekümmert um seine Genesung voll einsetzen musste. Indem die Auftraggeber dem Kläger für einen Zeitaufwand von 12 3/4 Tagen Fr. 18'000.-- ausrichten liessen, rechneten sie aber mit einem Tageshonorar von Fr. 1'411.--, bezahlten ihm also fast doppelt soviel, als sie schuldeten. Damit ist der eingeklagten Forderung der Boden entzogen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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