BGE 101 II 323 | |||
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54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. September 1975 i.S. Wildberger gegen Müller. | |
Regeste |
Bürgschaft oder selbständiges Schuldversprechen? |
2. Art. 260 SchKG. Im Konkurs der Gesellschaft können die Konkursgläubiger nur auf Ansprüche verzichten, die der Masse zustehen (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Mit Vertrag vom 16. Januar 1967 gewährte Josef Müller der Arplan AG, die durch ihren einzelunterschriftsberechtigten Verwaltungsratspräsidenten Eugen Wildberger vertreten war, ein Darlehen von Fr. 115'000.--. Wildberger versprach, das Darlehen für die Vollendung von vier Ferienhäusern in Oberterzen zu verwenden und für die Schuld der Gesellschaft persönlich zu haften, bis vier Grundpfandverschreibungen, die auf den Bauparzellen lasteten, in Schuldbriefe umgewandelt würden (Ziff. 1 des Vertrages). Zur Sicherstellung des Darlehens räumte die Arplan AG Müller an den vier Hypothekarforderungen, die ihr gehörten und zusammen Fr. 115'000.-- ausmachten, ein Faustpfandrecht ein (Ziff. 3). Die Rückzahlung sollte so erfolgen, dass die Gesellschaft nach der Umwandlung der Grundpfandverschreibungen in Schuldbriefe ihre vier Hypothekarforderungen an Müller abtrat (Ziff. 4). Bis dahin sollte die Arplan AG das Darlehen mit 5 1/2% verzinsen (Ziff. 5).
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Im November 1967 wurde über die Arplan AG der Konkurs eröffnet. Von den vier Grundpfandverschreibungen konnte Müller nur eine, lautend auf Fr. 25'000.--, in einen Schuldbrief umwandeln lassen. Bei den übrigen von je Fr. 30'000.-- erhielt er von den Schuldnern, die gegen die Arplan AG Gegenforderungen erhoben, vergleichsweise insgesamt Fr. 22'982.15. Seine ungedeckte Darlehensforderung belief sich nach dem Konkurs der Gesellschaft noch auf Fr. 44'340.85.
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B.- Im Juli 1973 klagte Müller gegen Wildberger auf Zahlung dieses Betrages nebst 5% Zins seit verschiedenen Verfalldaten.
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Das Bezirksgericht Baden wies die Klage ab. Auf Appellation des Klägers hiess das Obergericht des Kantons Aargau sie dagegen am 7. März 1975 dahin gut, dass es den Beklagten zur Zahlung von Fr. 44'340.85 nebst 5% Zins seit 7. November 1968 verurteilte.
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Das Obergericht ist der Auffassung, die in Ziff. 1 des Vertrages enthaltene Wendung, dass das Darlehen "mit persönlicher Haftbarkeit" Wildbergers gewährt werde, sei entgegen der Annahme des Bezirksgerichtes nicht als Bürgschaft, sondern als eine formlos gültige Garantieerklärung oder kumulative Mitverpflichtung auszulegen.
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C.- Der Beklagte hat die Berufung erklärt. Er beantragt, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen. Er macht geltend, es sei weder eine Garantie- noch eine Solidarschuldverpflichtung gewollt und versprochen worden; einem allfälligen Anspruch des Klägers könnte er übrigens die Saldoabmachung vom 7./12. November 1969 entgegenhalten.
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Der Kläger hält das angefochtene Urteil für richtig; er beantragt, es vollumfänglich zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Zu diesen Umständen gehörte hier insbesondere, dass der Beklagte nach dem angefochtenen Urteil Hauptaktionär und einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsratspräsident der Arplan AG war und dass die Gesellschaft das Darlehen zur Vollendung von vier Ferienhäusern benötigte. Diese Feststellungen über tatsächliche Verhältnisse binden das Bundesgericht, weshalb der Beklagte mit seiner erneut erhobenen Behauptung, die Arplan AG sei faktisch von einem Architekten beherrscht worden, nicht gehört werden kann. Schon nach seiner Stellung in der Gesellschaft hatte der Beklagte im Januar 1967 aber ein erhebliches eigenes Interesse, dass der Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der Arplan AG zustande kam. Mit dem Darlehen konnte die Gesellschaft ihren finanziellen Schwierigkeiten begegnen, den Konkurs jedenfalls vorübergehend vermeiden. Dass der Beklagte daran unmittelbar selber interessiert war, ergibt sich auch aus seiner Vereinbarung vom 7./12. November 1969 mit der Konkursverwaltung und dem Gläubigerausschuss. Nach dem Sinn und Zweck der Vereinbarung rechnete er damit, im Konkurs der Arplan AG zivil- oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.
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Ein unmittelbares eigenes Interesse des Promittenten am Geschäft, für dessen Erfüllung er einzustehen verspricht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ein gewichtiger Anhaltspunkt dafür, dass keine akzessorische, sondern eine selbständige Verpflichtung vorliegt (BGE 56 II 381 Erw. 2 und 3, 64 II 346, 72 II 24, 75 II 53, 81 II 526/7). Nach der herrschenden Lehre kommt diesem Interesse des Promittenten für die Frage, ob sein Versprechen als Bürgschaft oder als unabhängige Verpflichtung auszulegen sei, ebenfalls entscheidende Bedeutung zu (Becker, N. 17 zu Art. 111 OR, OSER/SCHÖNENBERGER, N. 50 zu Art. 492 OR, VON TUHR/ESCHER, OR Bd. II S. 302).
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b) Für ein eigenes Interesse und damit für eine selbständige Verpflichtung des Beklagten spricht ferner, dass er sich persönlich verpflichtete, das Darlehen für die Vollendung der vier Ferienhäuser zu verwenden. Seine Behauptung, er habe bloss versprochen, die richtige Verwendung des Darlehens durch die Gesellschaft zu überwachen, widerspricht dem Wortlaut des Vertrages, der in diesem Punkte keiner Auslegung bedarf. Hätte er im Falle einer vertragswidrigen Verwendung des Geldes aber auch hiefür persönlich einstehen müssen, so ist nicht zu beanstanden, dass das Obergericht darin ein weiteres wichtiges Indiz für eine selbständige Verpflichtung des Beklagten erblickt hat.
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An den Vertragsverhandlungen nahm der Treuhänder Dr. Adolf Keller als Berater des Beklagten teil. Er sagte als Zeuge aus, er habe die umstrittene Wendung gekannt, sie aber "als nicht sehr glücklich" betrachtet; er habe sie in den Vertrag aufgenommen, weil damals noch keine richtige Sicherheit vorhanden gewesen sei und der Kläger die persönliche Haftbarkeit des Beklagten verlangt habe; die Arplan AG sei wegen Liquiditätsschwierigkeiten an einem raschen Abschluss des Vertrages interessiert gewesen. Beide Parteien wollten somit die Erfüllung des Vertrages nicht durch eine ungültige Abrede gefährden. In der von ihnen gewählten einfachen Schriftform war die Vereinbarung über die persönliche Haftbarkeit des Beklagten aber nur gültig, wenn sie den Sinn einer Garantieerklärung oder einer kumulativen Schuldübernahme hatte. Die einfache Schriftlichkeit hätte, was Dr. Keller als Jurist wissen musste, für eine Bürgschaft nicht genügt, die Aufnahme der Wendung folglich Treu und Glauben widersprochen und den Gläubiger über die Gültigkeit der Verpflichtung getäuscht.
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Eine selbständige Verpflichtung des Beklagten entsprach auch dem wirtschaftlichen Zweck, den die Parteien mit dem Vertrag verfolgten. Nach der Feststellung des Obergerichtes war das Darlehen nur als Übergangslösung gedacht, da es dem Kläger um den Erwerb von Schuldbriefen ging. Der Beklagte bezeichnet die Zeit bis zur Umwandlung der Grundpfandverschreibungen denn auch selber als Zwischenphase. Es wäre daher nicht sinnvoll gewesen, die Verpflichtung des Beklagten vom Bestand der Darlehensschuld abhängig zu machen.
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c) Dass das Obergericht aus dem Wortlaut des Vertrages folgerte, die persönliche Haftbarkeit des Beklagten erstrecke sich auf den Darlehensbetrag, nicht aber auf den Zins, schliesst weder eine Schuldmitübernahme noch eine Garantieverpflichtung aus. Ein selbständiges Schuldversprechen kann nach dem Willen der Beteiligten auf die Kapitalschuld beschränkt, die Zinsschuld also beim ursprünglichen Schuldner belassen werden. Der Bürge haftet dagegen, wenn nichts anderes vereinbart ist, bis zu dem in der Bürgschaftsurkunde angegebenen Höchstbetrag auch für einen allfälligen Vertrags- oder Verzugszins (Art. 499 OR). Es kann deshalb offen bleiben, ob der Beklagte nach dem Vertrag nur für die Darlehensschuld, nicht aber für den Zins Haftung versprochen habe, wie das Obergericht annimmt.
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Dass der Kläger zuerst gegen die Grundpfandschuldner vorging, er sich der Subsidiarität des Schuldversprechens also bewusst war, steht einer selbständigen Verpflichtung des Beklagten ebenfalls nicht entgegen. Der Kläger begründete sein Vorgehen damit, er habe in erster Linie Schuldbriefe erhalten wollen, vom Beklagten aber nur Geld erwarten dürfen. Diese Begründung leuchtet ein; sie deckt sich mit dem Zweck des beabsichtigten Geschäftes, das von Anfang an auf den Erwerb von Schuldbriefen ausgerichtet war. Dass der Kläger auf dem Umweg über ein Darlehen an die Arplan AG eine langfristige Kapitalanlage anstrebte, erhellt auch aus dem Vertrag. Im übrigen ist selbst die Leistungspflicht des Garanten in dem Sinne subsidiär, als er erst in Anspruch genommen werden darf, wenn feststeht, ob und in welchem Umfang die Leistung des Dritten entfällt.
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d) Die streitige Wendung über die persönliche Haftbarkeit des Beklagten erweist sich somit nach den Umständen nicht als akzessorische, sondern als selbständige Verpflichtung, die keiner besonderen Form bedarf und daher gültig ist, gleichviel ob sie als Garantiezusage oder als kumulative Mitverpflichtung aufgefasst wird. Damit bleibt für die vom Bundesgericht aufgestellte Vermutung, wonach zur Verwirklichung des vom Bürgschaftsrecht angestrebten Schutzes des Verpflichteten eher auf eine Bürgschaft zu schliessen ist, kein Raum mehr; denn die Vermutung gilt nur für den Fall, dass weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Zweck und den gesamten Umständen ein sicherer Schluss gezogen werden kann (BGE 66 II 28/9, 81 II 525 Erw. 3).
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Richtig ist, dass die Konkursgläubiger beim Abschluss der Vereinbarung durch den Obmann ihres Ausschusses vertreten waren und durch die Genehmigung der Vereinbarung verpflichtet wurden, diese einzuhalten. Der Beklagte übersieht indes, dass die Konkursgläubiger nur auf Ansprüche verzichten konnten, die der Konkursmasse zustanden. Die Forderung, um die es hier geht, gehörte nicht dazu, sondern ist eine persönliche des Klägers, der sie folglich unbekümmert darum, ob er der Vereinbarung zustimmte oder nicht, einklagen durfte. Es kann deshalb offen bleiben, ob der Verzicht der Mitglieder des Gläubigerausschusses, den Beklagten zu belangen, sich bloss auf Ansprüche, welche die Masse ihnen gemäss Art. 260 SchKG abtreten konnte, oder auch auf private Forderungen bezogen habe. Der Eventualstandpunkt des Beklagten erweist sich so oder anders als unbegründet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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