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20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1976 i.S. Ringier & Co. AG gegen Annabelle Verlagsgesellschaft und Weltwoche-Verlag Karl von Schumacher & Co. AG. | |
Regeste |
Markenschutz und unlauterer Wettbewerb. |
2. Art. 6 Abs. 1 und 3 MSchG und Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG. Verwechslungsgefahr zwischen den Marken "annabelle" und "Annette", die sich auf gleichartige Zeitschriften beziehen (Erw. 2 und 3). |
3. Art. 32 Abs. 1 MSchG und Art. 6 UWG. Veröffentlichung des Urteilsspruches (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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Die Ringier & Co. AG, Zofingen, erteilte in den Jahren 1971 und 1973 je einem Marktforschungsinstitut den Auftrag, die Aussichten einer neuen Frauenzeitschrift zu prüfen. Die Zeitschrift "Annabelle" spielte bei diesen Prüfungen eine erhebliche Rolle, da sie angeblich den besten Ruf genoss.
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Vom Oktober 1973 bis Ende 1975 liess die Ringier & Co. AG wöchentlich die Frauenzeitschrift "Annette" erscheinen; dazu kam monatlich eine Sonderausgabe unter dem Namen "Annette extra".
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Im Dezember 1973 ersuchten die Annabelle Verlagsgesellschaft und die Weltwoche-AG den Richter, der Ringier & Co. AG die Verwendung der Bezeichnung "Annette" oder "Annette extra" vorsorglich bei Strafe zu untersagen. Der Präsident des Handelsgerichtes des Kantons Aargau wies das Gesuch am 29. Januar 1974 ab.
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Das Handelsgericht des Kantons Aargau hiess die Klagebegehren am 28. Oktober 1975 gut.
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C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerinnen beantragen, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Dieser Einwand geht fehl. Das Berufungsbegehren vom 21. Januar 1976 lautet auf Abweisung der Klage in vollem Umfange. In der Berufungsbegründung beharrt die Beklagte auf ihrem Standpunkt, dass zwischen den streitigen Zeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe, folglich weder von einer Markenrechtsverletzung noch von unlauterem Wettbewerb die Rede sein könne. Sie versucht die gegenteilige Auffassung des Handelsgerichtes denn auch bis ins einzelne zu Widerlegen und hält "Annette" für ein zulässiges Zeichen. Angesichts dieses prozessualen Verhaltens der Beklagten haben die Klägerinnen unbekümmert darum, dass die Zeitschrift "Annette" seit anfangs 1976 unter einem anderen Namen erscheint, auch im Berufungsverfahren noch ein schützenswertes Interesse am ![]() | 10 |
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Dieser Eindruck wird hier, wie das Handelsgericht richtig annimmt, vor allem dadurch bestimmt, dass der Hauptbestandteil der streitigen Zeichen auf dem gleichen Frauennamen Anna beruht. Von diesem Bestandteil in der Marke der Weltwoche-AG unterscheidet sich das Zeichen "Annette" einzig durch die diminutive Form des Namens. Der Mädchenname Annette ist von Anna abgeleitet, was entgegen den Einwänden ![]() | 12 |
Angesichts dieser inneren Beziehung können hier in den übrigen Unterschieden zwischen den streitigen Zeichen keine wesentlichen Merkmale im Sinne von Art. 6 Abs. 1 MSchG erblickt werden. Das lässt sich insbesondere nicht von der Zahl der Silben und Buchstaben, noch vom Schriftbild und der Aussprache oder von der Reihenfolge und der Kadenz der Vokale sagen. Was in der Erinnerung des Käufers haften bleibt, sind vor allem die Namen Anna und Annette, nicht die verschiedenen Nachsilben oder andere visuelle und klangliche Unterschiede, welche von der Beklagten offensichtlich überwertet werden. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn auch Annabelle vom Publikum als ein von Anna abgeleiteter Frauenname empfunden und verwendet wird, wie die Beklagte behauptet. Die Beziehung zum gleichen Grundwort wird dadurch nicht aufgehoben, zumal "belle" eine Sachbezeichnung und daher ein schwacher Zusatz ist. Es verhält sich ähnlich wie z.B. bei den Zeichen "Lysol" und "Lysolats", "Alps" und "Alpina", "Aqua" und "Aquamatica", "Sihl" und "Silbond", die das Bundesgericht als verwechselbar erachtet hat (BGE 57 II 609, BGE 73 II 186, 82 II 233, BGE 92 II 261).
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Da die streitigen Zeichen auf einem gemeinsamen Frauennamen beruhen, schliesst das Handelsgericht zudem mit Recht, dass sie den Eindruck von Serienzeichen erwecken. Wer sie hört oder liest, kann leicht auf den Gedanken kommen, dass die Erzeugnisse, die sie kennzeichnen, aus dem gleichen Verlag stammen oder doch Waren von zwei Unternehmen seien, die wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind. Diese Täuschungsgefahr wird auch durch das Zeichen "Annette extra" nicht vermindert, sondern noch gefördert. Ob die Beklagte bewusst auf eine Nachahmung der Marke "annabelle" ausgegangen sei, was die Klägerinnen ihr unter Hinweis auf die Empfehlungen der beiden Markforschungsinstitute ![]() | 14 |
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Ob unlauterer Wettbewerb auch darin zu erblicken ist, dass auf Gestellen und Tischen der Verkäufer angeblich nur das linke Viertel der Zeitschrift "Annette" sichtbar war und diese sich bezüglich Schriftform, Papierqualität, Preis, Format usw. nur unerheblich von der "Annabelle" unterschied, wie die Klägerinnen im kantonalen Verfahren behaupteten, kann dahingestellt bleiben. Das Handelsgericht hat sich dazu nicht abschliessend geäussert, und die Klägerinnen haben sich mit seinem Urteil abgefunden.
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Offen bleiben kann ferner, ob die Beklagte auch Namensrechte der Erstklägerin verletzt habe, was das Handelsgericht in den Erwägungen bejaht, im Urteilsspruch mangels eines entsprechenden Klagebegehrens der Annabelle Verlagsgesellschaft aber nicht zum Ausdruck gebracht hat. Entscheidungsgründe nehmen an der Rechtskraft des Urteils nicht teil (BGE 99 II 174 mit Zitaten).
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4. Die Beklagte beanstandet, dass das Handelsgericht die Klägerinnen ermächtigt, den Urteilsspruch in zwei Frauenzeitschriften ihrer Wahl zu veröffentlichen. Sie macht geltend, die Vorinstanz verkenne, dass auch die Klägerinnen an die Depeschenagentur gelangten und dadurch den Streit in der Öffentlichkeit weiter behandelten. Von weit grösserer Bedeutung sei jedoch die bereits im September 1975 erschienene Pressemitteilung, ![]() | 18 |
Das Handelsgericht hält der Beklagten indes mit Recht vor, dass sie den Streit als erste in die Öffentlichkeit getragen hat, weshalb sich die Publikation des Urteilsspruches aufdränge. Dazu kommt, dass der Beklagten im Entscheid über die vorsorgliche Massnahme ausdrücklich nahegelegt wurde, angesichts der nicht geringen Prozessrisiken auf die weitere Verwendung der Zeichen zu verzichten. Sie tat das jedoch nicht, sondern machte den Streit reklamehalber öffentlich bekannt. Das rechtfertigt die Veröffentlichung des Urteilsspruches. Das Interesse der Klägerinnen an dieser Massnahme wurde durch das Zusammenlegen der Zeitschriften "Annette" und "Femina" nicht aufgehoben; denn die Beklagte hielt die klägerischen Begehren unbekümmert darum für unbegründet.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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