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23. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1976 i.S. Overterra Espanola SA gegen Kalt. | |
Regeste |
Internationales Privatrecht: Vertrag über den Kauf eines Grundstückes im Ausland. |
2. Schranken der Rechtswahl bezüglich der Form des Vertrages. Der Lageort des Grundstückes als alternativer Anknüpfungsgrund (Erw. 2). |
3. Anwendung der Formvorschriften des spanischen Rechts; Rechtsfolgen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Am 5. Februar 1974 schloss Kalt als Verpächter des Ferienhauses Nr. 11 zudem einen Pachtvertrag mit der Maris Stella SA in Palma, die sich durch die Overterra Espanola SA und die Intercity AG, Zürich, vertreten liess. Das Pachtverhältnis sollte am 1. März 1974 beginnen und einstweilen bis Ende Dezember 1977 dauern. Die Parteien setzten den Pachtzins auf Fr. 12'960.-- im Jahr fest und vereinbarten Zürich als Gerichtsstand.
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Die Maris Stella SA geriet in finanzielle Schwierigkeiten und konnte den am 30. Juni 1974 fälligen Pachtzins nicht bezahlen. Kalt schrieb deshalb der Intercity AG am 5. Juli 1974, dass er vom Kaufvorvertrag und vom Pachtvertrag, die eng zusammenhingen, zurücktrete und die Anzahlung zurückfordere.
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B.- Da die Overterra Espanola SA die Rückerstattung verweigerte, klagte Kalt im Oktober 1974 gegen sie auf Zahlung von Fr. 72'000.-- nebst Zins. Er machte geltend, der Kaufvorvertrag sei wegen Formmangels nichtig, eventuell wegen Irrtums über die Erfüllung des Pachtvertrages für ihn unverbindlich.
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Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte am 27. Oktober 1975 die eingeklagte Forderung nebst 5% Zins seit 5. Juli 1974. Es nahm an, die von den Parteien getroffene Rechtswahl beziehe sich auch auf die Form des Kaufvorvertrages und gelte für das Grundstück in San Antonio Abad jedenfalls soweit, als das spanische Recht nicht strengere Formvorschriften aufstelle. Auf den Kaufvorvertrag sei deshalb schweizerisches Recht anzuwenden, das in Art. 216 Abs. 2 OR für solche Verträge die öffentliche Beurkundung vorschreibe. Da die Parteien sich mit der einfachen Schriftlichkeit begnügten, ![]() | 5 |
C.- Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Die Parteien vereinbarten ausdrücklich, dass auf den Kaufvorvertrag schweizerisches Recht anzuwenden ist. Diese Vereinbarung ist ein sog. Verweisungsvertrag, der die massgebende Rechtsordnung für die Beurteilung des Schuldvertrages bestimmt, aber von diesem zu unterscheiden und für sich zu prüfen ist. Ob und in welchen Schranken die Parteien ihn abschliessen durften, ist nach dem Recht am Ort der Prozessführung, hier also nach schweizerischem Recht zu entscheiden (BGE 79 II 300, BGE 91 II 249; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, OR Allg. Einl. N. 199 und 202; VISCHER, Internationales Privatrecht, in Schweiz. Privatrecht Bd. I S. 666 und 669). Hievon geht auch das Handelsgericht aus, und die Parteien wenden dagegen nichts ein.
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Das schweizerische Recht gestattet den Vertragsparteien nicht, die anzuwendende Rechtsordnung völlig frei zu wählen. Gemäss BGE 78 II 86 war noch eine besondere Beziehung zwischen dem Schuldverhältnis und dem gewählten Recht erforderlich, was nach der Auffassung des Handelsgerichtes hier zutrifft, weil der Käufer in der Schweiz wohnt, die Vertreterin der Verkäuferin ihren Sitz in Zürich hat und diese Stadt nicht nur als Abschlussort, sondern auch als Gerichtsstand vereinbart worden ist.
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Die Möglichkeit einer solchen Rechtswahl hat das Bundesgericht bereits im Entscheid 82 II 553 sowie im nicht veröffentlichten Urteil vom 23. Februar 1972 i.S. Ring-Hotel AG gegen Beach Motels Ltd. dem Sinne nach bejaht. Diese Rechtsprechung entspricht zudem der im Schrifttum vorherrschenden Meinung (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 190; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 118; SCHNITZER, Internationales Privatrecht, II S. 690; für das deutsche Recht; REITHMANN, Internationales Vertragsrecht, N. 144 und 245; ferner SOERGEL-KEGEL, N. 260 und 342 vor Art. 7 EG BGB). Entgegen der Auffassung von VISCHER (a.a.O. S. 671) besteht kein zwingender Grund, einen Verweisungsvertrag der Parteien nach schweizerischem Recht zum vorneherein auszuschliessen, wenn es um die Übertragung eines ausländischen Grundstückes geht. Dazu besteht jedenfalls dann kein Anlass, wenn das Recht am Ort des Grundstückes die Rechtswahl ebenfalls zulässt.
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b) Fragen kann sich bloss, ob die von den Parteien getroffene Rechtswahl sich auch auf die Formerfordernisse des Schuldvertrages beziehen sollte und konnte, was das Handelsgericht bejaht, die Beklagte dagegen bestreitet.
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Welcher Sinn der in Ziff. 16 des Vorvertrages enthaltenen Willensäusserung über die Rechtswahl nach der Vertrauenstheorie zukommt, ist eine Rechtsfrage; sie beurteilt sich nicht bloss nach dem Wortlaut der Abrede, sondern namentlich auch nach den Umständen, unter denen die Äusserung abgegeben worden ist (BGE 96 II 333 und 101 II 279/80 mit Zitaten).
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Wollte man die Abrede über die Rechtswahl auch auf die Form des Vorvertrages beziehen, so würde den Parteien unterstellt, dass sie die Nichtigkeit des Vertrages zum vorneherein in Kauf nahmen. Das widerspräche aber ihrem Vorgehen. Sie haben den Vertrag nicht bloss als verbindlich betrachtet, sondern Leistung und Gegenleistung schon am 5. Februar 1974 bis ins einzelne geregelt, den Inhalt des notariellen Kaufvertrages also weitgehend vorweggenommen und sich wie Käufer und Verkäufer verhalten. Dies gilt insbesondere für den Kläger, der Fr. 72'000.-- anzahlte und die Liegenschaft am gleichen Tage an die Maris Stella SA verpachtete. Es trifft deshalb auch nicht zu, dass der vorliegende Sachverhalt sich "in jeder Hinsicht" vom bereits erwähnten Falle Ring-Hotel AG unterscheide, wie das Handelsgericht annimmt. Dieser Fall betraf den Kauf eines Grundstückes in Israel. Die Parteien unterstellten den in einfacher Schriftform gehaltenen Vertrag dem schweizerischen Recht, soweit diesem keine zwingenden Vorschriften des israelischen Rechts entgegenstanden. Auch damals schloss das Bundesgericht aus den Umständen, dass die Parteien nicht die schweizerischen Formvorschriften für anwendbar halten, diese aber missachten und den Vertrag gleichwohl als verbindlich betrachten konnten, mögen sie im Unterschied zum vorliegenden Fall auch beide geschäftskundig gewesen sein.
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Die Abrede über die Rechtswahl kann somit nach Treu und ![]() | 17 |
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Für Schuldverträge über bewegliche Sachen hat die Rechtsprechung selbst seit Aufgabe der sogenannten grossen Vertragspaltung im Jahre 1952 wiederholt anerkannt, dass für die Form des Vertrages eine Sonderanknüpfung möglich ist (BGE 78 II 86, BGE 88 II 199). Das Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht (BBl 1971 II 1049ff.) nimmt die Vertragsform in Art. 5 Ziff. 2 denn auch ausdrücklich aus, obschon es die Rechtswahl durch die Parteien begünstigt. Die wahlweise zur Verfügung stehende Sonderanknüpfung besteht in der Regel darin, dass die für das Rechtsgeschäft als Ganzes massgebende Rechtsordnung, gleichgültig ob sie von den Parteien vereinbart oder nach einer Kollisionsnorm ermittelt wird, auch die Form bestimmt, dass aber die am Abschlussort geltende Form genügt, um den Vertrag aufrechtzuerhalten (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 1969/71; VISCHER, a.a.O. S. 683). Die Rechtswahl ist aber auch bezüglich der Form nur gültig, wenn die Parteien weder zwingende Vorschriften in unzulässiger Weise umgehen noch gegen den Ordre public verstossen (BGE 78 II 86, BGE 79 II 299; vgl. ferner BGE 93 II 381).
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Wie es sich verhält, wenn es um Schuldverträge über Grundstücke geht, brauchte das Bundesgericht bisher nicht abschliessend zu prüfen. Im schweizerischen Schrifttum wird für solche Verträge eine die Form einbeziehende Rechtswahl teils überhaupt ausgeschlossen (VISCHER, a.a.O. S. 683; NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des internationalen Privatrechts, S. 183), teils auf ausländische Grundstücke beschränkt (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 190; MEIER-HAYOZ, ![]() | 20 |
Unter welchen Voraussetzungen die Parteien für die Form von Schuldverträgen über Grundstücke eine Rechtswahl treffen dürfen, braucht indes auch heute nicht weiter erörtert zu werden. Für Grundstücke hat der Lageort rechtlich jedenfalls erheblich grössere Bedeutung als für bewegliche Sachen, ist daher dem zufälligen Ort des Vertragsabschlusses vorzuziehen. Das heisst nicht, dass er ausschliesslich massgebend sein soll; es rechtfertigt sich vielmehr, den Lageort als alternativen Anknüpfungsgrund zuzulassen. Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, für die Form eine Auswahl von Anknüpfungen anzuerkennen, um den Vertrag womöglich zu retten, statt ihn, wie dies hier geschehen ist, kurzerhand für nichtig zu erklären, indem auf die strengste der in Betracht kommenden Rechtsordnungen abgestellt wird. Diese Lösung erweckt im vorliegenden Fall umsoweniger Bedenken, als das spanische Recht die Rechtswahl ebenfalls erlaubt und die am Ort des Grundstückes geltende Form des Vertrages im internationalen ![]() | 21 |
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Die Beklagte behauptete im kantonalen Verfahren, das spanische Recht verlange für solche Verträge bloss einfache Schriftlichkeit. Der streitige Vorvertrag behielt indes die Unterzeichnung eines notariellen Kaufvertrages gemäss spanischem Recht ausdrücklich vor, was auf besondere Vorschriften schliessen lässt; dafür spricht auch die in Klammer beigefügte Wendung "Escritura Publica". Wie es sich damit genau verhält, ist dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen; er ist deshalb gestützt auf Art. 65 OG aufzuheben und die Sache zur Abklärung der Frage an das Handelsgericht zurückzuweisen.
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Ergibt sich, dass der Vorvertrag den Formvorschriften des spanischen Rechts entspricht, so ist zu prüfen, ob deren Anwendung gegen den schweizerischen Ordre public verstosse. Das wäre nicht leichthin anzunehmen, da es schweizerischer Rechtsanschauung nicht widerspricht, dass ein Schweizer sich beim Kauf eines ausländischen Grundstückes in einfacher Schriftform binden kann. Er muss sich der Risiken eines solchen Kaufes bewusst sein und kann sich selbst unter dem Gesichtspunkt des Ordre public nicht auf die Schutzgedanken berufen, die den strengeren Formvorschriften des Art. 216 OR zugrunde liegen (vgl. BGE 93 II 382). Ist die Form des Vertrages nach spanischem Recht nicht zu beanstanden, so fragt sich ferner, ob der Kläger sich angeblich über die Vertragsgrundlage im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR geirrt habe und, falls ein Irrtum zu verneinen ist, ob er nach Art. 82 und 107 ff. OR wegen Zahlungsunfähigkeit der Maris Stella SA nicht nur vom Pacht-, sondern auch vom Kaufvorvertrag zurücktreten durfte. Beides beurteilt sich nach schweizerischem Recht.
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Ergibt sich dagegen, dass der Vorvertrag auch nach den Formvorschriften des spanischen Rechts ungültig ist, so stellt sich erneut die Frage der ungerechtfertigten Bereicherung, die ebenfalls schweizerischem Recht unterliegt (BGE 78 II 389, BGE 80 II 71 Nr. 9).
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