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40. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Juni 1976 i.S. Zarzycka gegen Kirch. | |
Regeste |
Rückgriff des Checkinhabers. |
2. Art. 1128 Ziff. 2 und 1129 OR. Die Erklärung des Bezogenen, dass er die Zahlung verweigere, muss innert der dafür vorgesehenen Frist auf dem Check selber abgegeben werden. Missbräuchliche Berufung auf Formvorschriften, Schadenersatz (Erw. 1b-d)? |
3. Art. 1052 Abs. 1, 1093, 1140 und 1142 OR. Der Bereicherungsanspruch gegen den Checkaussteller richtet sich nach dem Recht des Ausstellungsortes; Bedeutung der Gesetzesmaterialien (Erw. 2). |
4. Art. 8-10 ZGB. Anwendung von Beweisvorschriften des französischen Rechts, weil das dem Check zugrunde liegende Darlehensverhältnis diesem Recht untersteht (Erw. 3)? | |
Sachverhalt | |
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Da der Check nicht eingelöst wurde, erwirkte Frau Zarzycka am 26. April 1967 für die Summe von Fr. 150'000.-- nebst 6% Zins seit dem 2. März 1967 und Protestkosten ![]() | 2 |
B.- Ettinger starb am 16. September 1967 und hinterliess die in Berlin wohnhafte Frau Kirch als Erbin. Gegen diese klagte Frau Zarzycka im Juli 1968 auf Zahlung von Fr. 150'000.-- nebst 6% Zins seit 2. März 1967 und Fr. 201.90 Kosten. Die Klägerin beantragte ferner, ihr für die eingeklagten Forderungen in der Betreibung Nr. 2242 des Betreibungsamtes Zürich 1 die definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
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Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage im Betrage von Fr. 150'114.90 gut. Auf Appellation der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Zürich sie dagegen durch Urteil vom 19. Dezember 1975 ab.
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Die Klägerin führte gegen dieses Urteil kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 5. April 1976 mit Bezug auf die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutgeheissen, im übrigen aber abgewiesen wurde.
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C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts auch Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
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Die Beklagte stellt keinen Antrag, schliesst sinngemäss aber auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Die Vorinstanz wendet dabei schweizerisches Recht an, weil die Notwendigkeit, die Form und die Fristen des Protestes sich nach dem Recht des Landes bestimmten, in dem der Protest zu erheben oder die Erklärung über die Verweigerung der Zahlung abzugeben sei (Art. 1141 Ziff. 9, Art. 1143 Abs. 1 Ziff. 21 in Verbindung mit Art. 1088 OR). Vorliegend habe die Berechtigte den Check in Zürich zur Zahlung vorlegen müssen, weshalb schweizerisches Recht anwendbar sei.
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b) Die Frist zur Vorlegung des Checks, der am 2. März 1967 in Paris ausgestellt worden und in der Schweiz zahlbar war, lief am 22. März 1967 ab (Art. 1116 Abs. 2 OR). Da die Klägerin ihn erst am letzten Tag vorlegen liess, musste spätestens am 23. März Protest erhoben oder die Erklärung der Bezogenen, dass sie die Zahlung verweigere, schriftlich festgestellt werden (Art. 1128 und 1129 Abs. 2 OR). Das Obergericht ist der Auffassung, der Vermerk der Kreditanstalt vom 26. April 1967 auf einem Anhang des Checks (Allonge), wonach der Titel "am 22. März 1967 zur Zahlung vorgelegt und nicht bezahlt" wurde, sei verspätet und das auf dem Check angebrachte Datum "22. März 1967" könne nicht als Feststellung gelten, dass die Einlösung verweigert worden sei. Die Klägerin bestreitet dies nicht. Sie macht unter Hinweis auf Vorbringen im kantonalen Verfahren bloss geltend, die Bezogene habe die Weigerung auf einer Allonge vermerkt, die dem Check beigeheftet worden, aber verloren gegangen sei; ein solcher Vermerk habe den gesetzlichen Erfordernissen genügt.
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Damit wendet die Klägerin sich gegen die Annahme des Obergerichtes, die Erklärung über die Nichteinlösung müsse auf dem Check selber abgegeben werden. Die Vorinstanz führt dazu insbesondere aus, der Wortlaut des Art. 1128 Ziff. 2 OR sei klar und lasse keinen Vermerk ausserhalb des Checks zu, auch nicht auf einer Allonge. Dadurch unterscheide die Bestimmung sich von der Vorschrift über die Indossamentserklärung, die gemäss Art. 1003 Abs. 1 OR auch auf ein mit dem Wechsel verbundenes Blatt (Anhang, Allonge) gesetzt werden dürfe. Einige Autoren, namentlich ZIMMERMANN (Kommentar des Schweiz. Checkrechts, N. 46 zu Art. 1128 OR), befürworteten zwar eine analoge Anwendung von Art. 1003 im Checkrecht, womit unterstellt werde, dass eine echte oder unechte Gesetzeslücke vorliege. Die Allonge sei in Art. 1128 jedoch nicht aus Versehen, sondern mit Absicht ![]() | 12 |
Was die Klägerin dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Das gilt vorweg von ihrem Hinweis auf die Ansicht ZIMMERMANNS (a.a.O.), die im Gesetz keine Stütze findet. Die Auffassung des Obergerichtes hingegen deckt sich mit dem klaren Wortlaut des Art. 1128 Ziff. 2 und kann schon deshalb nicht als übertrieben formalistisch bezeichnet werden. Ebensowenig lässt sich aus den von der Vorinstanz angeführten Gründen sagen, die Verwendung der Allonge für den Nichteinlösungsvermerk des Bezogenen entspreche im Checkrecht einem praktischen Bedürfnis und dränge sich auf. Art. 1003 Abs. 1 enthält zudem, wie das Obergericht mit Recht bemerkt, eine Ausnahme, die ausdrücklich auf das Indossament beschränkt ist; das steht nicht nur einer extensiven Auslegung, sondern auch einer analogen Anwendung der Bestimmung auf die Feststellung, dass die Zahlung eines Checks verweigert wird, entgegen.
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Die Behauptung der Klägerin sodann, dass die Formvorschrift des Art. 1037 Abs. 1 OR im Checkrecht "nicht etwa speziell" wiederholt werde und die Art. 1128 und 1129 sich diesbezüglich nicht unterschieden, geht nicht nur am Wortlaut und Zweck des Gesetzes, sondern auch an der Begründung des angefochtenen Urteils vorbei. Die Art. 1128 und 1129 sehen nicht zwei Formen des Protestes vor, wie die Klägerin annimmt. Die erste Bestimmung nennt vielmehr als Voraussetzung ![]() | 14 |
Der Einwand schliesslich, die Auffassung des Obergerichts widerspreche dem Verhalten aller schweizerischen Banken, ist tatsächlicher Natur (BGE 72 II 267, BGE 86 II 257 mit Hinweisen), aber neu und daher nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Dem angefochtenen Urteil ist dafür jedenfalls nichts zu entnehmen, und die Klägerin behauptet nicht, dies sei auf eine Verletzung von Art. 8 ZGB zurückzuführen. Gegen die eindeutige gesetzliche Regelung wäre mit einer davon abweichenden Übung der Banken ohnehin nicht aufzukommen.
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c) Die Klägerin hält die Einrede der Beklagten, es fehle an einer formgerechten Erklärung der Bezogenen auf dem Check, jedenfalls für missbräuchlich. Damit hat sich bereits das Bezirksgericht, auf dessen Erwägungen das Obergericht verweist, eingehend auseinandergesetzt. Diesen Erwägungen ist lediglich beizufügen, dass die Weisung Ettingers an die Bank nur Aufträge mit doppelter Unterschrift auszuführen, die Bezogene offenbar veranlasste, die Zahlung zu verweigern. Der Verlust des Rückgriffsrechtes durch die Klägerin ist jedoch nicht auf die Weisung, sondern allein darauf zurückzuführen, dass die Weigerung innert gesetzter Frist weder durch Erklärung der Bank auf dem Check noch durch öffentliche Urkunde festgestellt worden ist.
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d) Die Klägerin wollte die Beklagte im kantonalen Verfahren auch aus Art. 41 und 50 OR haftbar machen. Die Vorinstanz erblickte darin eine unzulässige Klageänderung. Das Kassationsgericht hielt diese Auffassung für unzutreffend, ![]() | 17 |
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Der vom Obergericht übernommenen Auffassung ZIMMERMANNS ist entgegenzuhalten, dass Art. 1052 Abs. 1 OR einen Bereicherungsanspruch gegen den Aussteller des Wechsels vorsieht, aber nicht sagt, welchem Recht der Anspruch unterliegt. Die Annahme sodann, der Aussteller sei in Art. 1142 wie in Art. 1093 OR übersehen worden, deckt sich nicht mit den ![]() | 19 |
Mit einer Nachtragsbotschaft vom 12. Februar 1932 zur Revision des OR unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten einen weiteren Entwurf, in dem die Abschnitte über den Wechsel und den Check den Genfer Abkommen von 1930/31 angepasst waren (BBl 1932 I 217 ff.). Die Bereicherungsansprüche aus Wechselrecht gemäss dem früheren Entwurf wurden unverändert beibehalten (Art. 1032), ebenso die Vorschriften über das anwendbare Recht (Art. 1070 Abs. 2 und 1073); diese wurden lediglich dahin ergänzt, dass das Recht des Zahlungsortes die Wirkungen bestimmen sollte, welche den Verpflichtungserklärungen des Annehmers eines gezogenen Wechsels und des Ausstellers eines Eigenwechsels zukommen (Art. 1070 Abs. 1). Beim Check wurden anstelle ![]() | 20 |
Aus der Entstehungsgeschichte geht somit klar hervor, dass der Gesetzgeber den Bereicherungsanspruch gegen den Aussteller des Checks weder der Kollisionsnorm des Art. 1142 unterstellen wollte noch den Sitz des Bezogenen als Anknüpfungspunkt betrachtete, sondern dass nach Art. 1140 OR das Recht des Ausstellungsortes massgebend ist (so auch SCHNITZER, Handbuch des Internationalen Handels-, Wechsel- und Checkrechtes, S. 439/40 in Verbindung mit S. 409/12). Da Ettinger den Check in Paris ausgestellt hat, wäre der Bereicherungsanspruch der Klägerin somit entgegen der Annahme des Obergerichtes nicht nach deutschem, sondern nach französischem Recht zu beurteilen. Schweizerisches Recht scheidet also aus, und wie es sich nach ausländischem verhält, hat das Bundesgericht in Fällen, wie hier, auf Berufung hin nicht zu prüfen (BGE 101 II 170 Erw. 3 mit Hinweisen).
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Die Klägerin versucht diese Gründe nicht im einzelnen zu widerlegen. Sie begnügt sich vielmehr mit Ausführungen darüber, dass die von der Vorinstanz angewandten Bestimmungen des französischen Rechts den Art. 8-10 ZGB widersprächen. Art. 8 ZGB ordnet indes bloss die Beweislast für rechtserhebliche Tatsachen, sagt aber nicht, wie und mit welchen Mitteln Beweis zu führen und wie dieser zu würdigen ist (BGE 95 II 452, BGE 98 II 79 und 330; KUMMER, N. 8 zu Art. 8 ZGB); dies bestimmt sich nach kantonalem Verfahrensrecht und wenn ausländisches anwendbar ist, nach diesem. Art. 10 ZGB sodann, der an sich eine Schranke zur Streitfrage enthält, greift nicht ein, wenn ein Rechtsverhältnis dem ausländischen Recht untersteht. Die Frage, ob diesfalls auch die Beweisformen des ausländischen Rechts massgebend sind, ist freilich umstritten (KUMMER, N. 15 zu Art. 10 ZGB mit Hinweisen); sicher ist aber, dass sie nicht allgemein, sondern nur nach der im Einzelfall in Betracht kommenden Norm entschieden werden kann.
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Art. 1341 CC bestimmt insbesondere, dass über alle Gegenstände, die den Betrag oder den Wert von FF. 50.-- überschreiten, eine notarielle oder private Urkunde aufgenommen werden muss; ein Zeugenbeweis gegen den Inhalt der Urkunde oder über diesen hinaus wird nicht zugelassen, auch nicht über das, was angeblich vor, bei oder nach Aufnahme ![]() | 25 |
Art. 1341 CC ist im Abschnitt über den Zeugenbeweis eingeordnet. Nach ihrem Wortlaut und Inhalt ist die Bestimmung indes in erster Linie eine Formvorschrift; ihre verfahrensrechtliche Bedeutung erschöpft sich im Ausschluss des Zeugenbeweises. Der materiellrechtliche Charakter, der durch die praktischen Auswirkungen des Formerfordernisses noch erhöht wird, überwiegt den prozessualen Gehalt der Bestimmung derart, dass ihre Beachtung durch den schweizerischen Richter sich aufdrängt. Bei diesem Ergebnis ist, wie das Obergericht beifügt, auch Art. 1347 CC zu berücksichtigen, der eine Ausnahme zulässt, wenn der Anfang eines Urkundenbeweises vorhanden ist. Ob dies hier zutrifft, beurteilt sich ebenfalls nach französischem Recht und ist zudem eine Frage der Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht auf Berufung hin aber so wenig zu überprüfen ist wie die Anwendung ausländischen Rechts (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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