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43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Mai 1976 i.S. Birchler & Co. gegen Lattoflex Degen AG. | |
Regeste |
Unlauterer Wettbewerb. |
Das trifft dann zu, wenn der gute Ruf eines Mitbewerbers oder seines Erzeugnisses ausgebeutet wird (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Die Lattoflex Degen AG stellt Untermatratzen her, die sie unter dem Namen "Lattoflex" auf den Markt bringt. Auch die Birchler & Co. AG fabriziert seit 1971 Untermatratzen und verkauft sie unter der Bezeichnung "Bico-flex". Dafür wurde ihr auf Gesuch vom 9. Februar 1971 hin das Patent Nr. 513'623 erteilt.
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B.- Am 19. März 1973 klagte die Lattoflex Degen AG gegen die Birchler & Co. AG u.a. auf Feststellung, dass die Beklagte durch Versendung des Schreibens: "Betrifft: Bicoflex-Untermatratze-Muba 1972" vom 7. April 1972 gegen Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG verstossen habe.
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Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen schützte am 30. Juni 1975 das Feststellungsbegehren nach Art. 1 Abs. 1 UWG und sprach der Klägerin Fr. 10'000.-- Schadenersatz zu.
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Auf Berufung der Beklagten bestätigte das Bundesgericht das vorinstanzliche Urteil.
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"Betrifft: bico-flex - Untermatratze - MUBA 72
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Sehr geehrte Herren,
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Wir haben eine neue, sensationelle Untermatratze als Gegenprodukt zur "Lattoflex" entwickelt, unsere neue bico-flex-Matratze (+ Patent Nr. 513'623).
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Diese Matratze ist mehr als 20% günstiger als die "Lattoflex" und trotzdem in jeder Beziehung (Bewegungsfähigkeit der Lättli etc.) ebenbürtig, unserer Ansicht nach sogar wesentlich besser und stabiler.
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Gerne möchten wir Ihnen diese Matratze zu Spezialkonditionen anbieten und laden Sie höflich ein, an der diesjährigen MUBA unseren Stand Nr. 388, Halle 15 (Rundbau 1. Stock) besuchen zu wollen.
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Es würde uns freuen, sämtliche Mitglieder an unserem Stand begrüssen zu dürfen."
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6. Die Beklagte bezeichnet die Ansicht des Handelsgerichts, das streitige Schreiben verstosse nicht gegen Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG, sondern gegen die Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG, als widersprüchlich. Ob diese Rüge zutrifft, hängt davon ab, ob die vergleichende Reklame, die weder unwahr, irreführend noch unnötig verletzend ist, gegen Art. 1 Abs. 1 UWG verstossen kann (vgl. auch GERMANN, Vergleichende Reklame, WuR 1954 S. 269 und 275; GERMANN, zum Leistungsprinzip im Wettbewerbsrecht, WuR 1968 S. 157). Das Bundesgericht bezeichnet im Entscheid 94 IV 38 die vergleichende Werbung als zulässig, wenn sie weder unwahr, irreführend noch unnötig herabwürdigend ist. Es nimmt dabei Bezug auf das Urteil 87 II 116, wo es an der Rechtsprechung zu "Art. 48 OR" (richtigerweise Art. 50 aOR und Art. 48 rev. OR) festhielt. Dabei führte es insbesondere aus, das UWG erlaube jedem, den andern mit der eigenen Leistung zu übertreffen und im Wettkampf zu schlagen (Leistungsprinzip), sofern er dadurch nicht gegen Treu und Glauben verstosse. Art. 1 Abs. 2 UWG nenne denn auch die vergleichende Werbung nicht als Beispiel des unlauteren Wettbewerbs, obwohl sich bei Erlass des Gesetzes die Frage ihrer Zulässigkeit gestellt habe. Gegenteils sei aus Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG zu schliessen, dass der Gesetzgeber nur bestimmte Formen der vergleichenden Werbung habe verbieten wollen. Diese Vorschrift untersage dem Bewerber Äusserungen über die Konkurrenten, ![]() | 13 |
Diese Argumentation überzeugt mindestens insofern nicht, als sie die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung bloss unter dem Gesichtswinkel des Art. 1 Abs. 2 lit. a (und wohl auch lit. b) UWG beurteilt. Nach der Generalklausel des Art. 1 Abs. 1 UWG ist unlauterer Wettbewerb jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. Art. 1 Abs. 2 lit. a-h UWG nennt Fälle unlauteren Wettbewerbs. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend. Auch andere Handlungen können unlauter sein, wenn sie der Umschreibung des Art. 1 Abs. 1 UWG entsprechen und den Mitbewerber im Sinne des Art. 2 UWG in seiner Kundschaft, in seinem Kredit oder beruflichen Ansehen usw. schädigen oder gefährden (BGE 72 II 390 /91). Unwahre, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen sind also nicht die einzigen Mittel, die geeignet sein können, eine vergleichende Werbung als missbräuchlich erscheinen zu lassen. Gerade weil Art. 1 Abs. 2 lit. a UWG die vergleichende Werbung nicht eigens nennt, hindert nichts, sie nicht bloss nach den besonderen Merkmalen dieser Bestimmung, sondern umfassend im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben zu würdigen, ohne dass sie schlechthin als unlauter abzulehnen ist. Dass sie im Wettbewerb üblich sei und sich allgemein durchgesetzt habe, wie die Beklagte behauptet, ändert nichts. Es mag zutreffen, dass ihre Verpönung nur unter den in Art. 1 Abs. 2 lit. a und b umschriebenen Voraussetzungen der Vorzug einer klaren und leicht zu handhabenden Regelung hat. Die Sondertatbestände des UWG können aber, so vollständig sie auch scheinen mögen, die Generalklausel nicht ersetzen (vgl. GERMANN, Zur Generalklausel des UWG SJZ 40 S. 286). Diese allein erlaubt, die Vielfalt des Wettbewerbes zu erfassen, daher den vollen Schutz des Gesetzes zu gewähren.
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Diese Erkenntnis liegt verschiedenen Entscheiden vor und nach Erlass des Wettbewerbsgesetzes zugrunde. So führte das Bundesgericht i.S. Migros AG c. Henkel AG (BGE 58 II 461 /62) u.a. aus, die Beklagte habe in der Reklame in erster Linie deshalb ständig auf das Waschpulver der Klägerin Bezug genommen, um sich dadurch den guten Ruf der Mitbewerberin ![]() ![]() | 15 |
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Es steht fest, dass die Beklagte im Jahre 1971 die Herstellung ihres bewusst als Gegenprodukt zur "Lattoflex"-Matratze geschaffenen Liegemöbel-Gestells aufgenommen und es unter der Bezeichnung "Bico-flex" zu vertreiben begonnen hat. Sie begnügte sich im Schreiben nicht mit dem Hinweis auf ihre Neuentwicklung, sondern fügte bei, dass es sich um ein "Gegenprodukt" zur Lattoflex handle, das dieser in jeder Beziehung ebenbürtig, ja sogar überlegen, aber um mehr als 20% billiger sei. Die Beklagte macht im streitigen Schreiben keine Angaben über Beschaffenheit und Preis ihres Möbels. Sie schreibt vielmehr die offenbar als bekannt vorausgesetzten Eigenschaften der Lattoflex-Matratze ihrem Erzeugnis zu und versucht mit diesem "Gegenprodukt" die Gunst der Kaufinteressenten für sich zu gewinnen. Sie hat es augenscheinlich darauf abgesehen, den guten Ruf eines Mitbewerbers ![]() | 17 |
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