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44. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. September 1976 i.S. Cevitch gegen Konkursmasse Reiss & Co. Bankiers in Liquidation. | |
Regeste |
Rechtliches Schicksal des Erlöses aus der Rückzahlung einer Obligation, welcher der auf bewahrenden Bank (die den Titel in ein fremdes Sammeldepot gelegt hatte) kurz vor dem Entzug der Bewilligung zur Ausübung des Bankgewerbes und der nachfolgenden Konkurseröffnung gutgeschrieben wird. |
2. Subrogation bzw. Aussonderung im Sinne von Art. 401 OR? (E. 2 und 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Verfügung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 21. März 1972 wurde der Reiss & Co. in Anwendung von Art. 23quinquies BankG die Bewilligung zur Ausübung des Bankgewerbes entzogen und festgestellt, die Gesellschaft trete in Liquidation. Zur Liquidatorin ernannte die Aufsichtsbehörde die Neutra Treuhand A.G., Zürich, die zuvor schon als Beobachterin im Sinne von Art. 23quater BankG tätig gewesen war.
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Mit Stichtag 15. März 1972 war inzwischen die von der Bragi S.A. hinterlegte Obligation zur Rückzahlung ausgelost worden, worauf die Schweizerische Bankgesellschaft der Reiss & Co. am 21. März 1972 den Erlös von US Dollar 9'987.50, Wert 15. März 1972, gutschrieb; bei dieser soll die Gutschriftsanzeige allerdings erst am 24. März 1972 eingegangen sein. Die Liquidatorin buchte am 27. März 1972 auf das Konto der Bragi S.A. eine Gutschrift von US Dollar 9'975.-- (= Fr. 38'154.35), welche sie am 26. Juni 1972 auf ein mit "K" gekennzeichnetes Konto übertrug.
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Am 4. Juli 1972 bewilligte das Handelsgericht des Kantons Zürich der in Liquidation stehenden Bank eine Nachlassstundung. Nachdem die Genehmigung des Nachlassvertrages verweigert worden war, wurde am 8. August 1973 der Konkurs eröffnet.
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C.- Als Rechtsnachfolger der unterdessen aufgelösten Bragi S.A. verlangte Jasha Cevitch bei der Konkursverwaltung die Auszahlung des Betrages von Fr. 41'107.20 (= Saldo des Kontos "K") als Massaschuld. Mit Verfügung vom 17. Juni 1974 wurde das Begehren abgewiesen und die Forderung in der 5. Klasse kolloziert. Am 25. September 1975 erhob Cevitch beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Konkursmasse auf Zahlung von Fr. 41'107.20 nebst Zins zu 6% seit 15. März 1972.
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E.- Diesen Entscheid hat der Kläger beim Bundesgericht mit Berufung angefochten, wobei er folgende Rechtsbegehren stellt:
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"1. Es sei das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 16. März 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Fr. 38'154.35 nebst Zins zu 5% seit dem 22. März 1972, eventuell seit 28. März 1972 zu bezahlen;
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eventuell, für den Fall der Abweisung des Hauptantrages:
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2. Es sei das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 16. März 1976 aufzuheben und die Sache zur Vervollständigung des Sachverhaltes und neuer Entscheidung an die kantonale Instanz zurückzuweisen."
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Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach Auffassung des Handelsgerichtes wurde das Recht der Bragi S.A. am Wertpapier schon am 15. März 1972 - dem für die ausgeloste Rückzahlung massgebenden Stichtag - durch einen auf den Erlös gerichteten Forderungsanspruch ersetzt. Ob die an dieser Ansicht geübte Kritik des Klägers, der geltend macht, das Wertpapier sei nicht ohne weiteres am Stichtag "untergegangen", begründet ist, mag dahingestellt bleiben. Denn aus der Tatsache, dass die Schweizerische Bankgesellschaft der Reiss & Co. den Rückzahlungsbetrag am 21. März 1972 gutschrieb, ergibt sich, dass der Titel spätestens an jenem Tag der Anleihensschuldnerin zurückgegeben worden ![]() | 13 |
Ist somit die Geldforderung noch vor der Schalterschliessung entstanden, könnte von einer Massaschuld im Sinne von Art. 262 SchKG - die ihrem Wesen nach erst bei oder nach Eröffnung des Konkurses entstehen kann - selbst dann nicht gesprochen werden, wenn - was übrigens äusserst fraglich ist - die Wirkungen des Konkursbeschlags im vorliegenden Fall auf diesen Zeitpunkt zurückzubeziehen wären. Der Anspruch ist ausserdem ohnehin nicht im Zusammenhang mit der Eröffnung oder Durchführung des Konkurses bzw. der Liquidation begründet worden (vgl. Art. 262 Abs. 1 SchKG). Aus dieser Sicht ist die Berufung demnach abzuweisen.
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a) Die Vorinstanz ist der Ansicht, das Verhältnis zwischen der Bank und der Bragi S.A. habe in einem gewöhnlichen Hinterlegungsvertrag bestanden, wobei jene ermächtigt gewesen sei, die Wertschriften in ein fremdes Sammeldepot zu legen. Dass die Zinsen und der Rückzahlungserlös bei einer Drittbank eingegangen seien, sei nicht Ausfluss eines von der Hinterlegung getrennten, besonderen Auftrages mit fiduziarischem Charakter. Die Reiss & Co. habe keine Verpflichtungen übernommen, die über die sich schon aus dem Hinterlegungsvertrag ergebenden hinausgegangen seien. Dem kann nicht beigepflichtet werden.
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- Einzug oder bestmögliche Verwertung fälliger Zins- und Dividendenscheine sowie zur Rückzahlung gelangender Titel,
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- Überwachung von Auslosungen, Kündigungen, Konversionen, Bezugsrechten und Amortisationen von Wertpapieren,
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- Bezug neuer Couponsbogen und Umtausch von Interimsscheinen gegen definitive Titel.
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Nach § 19 des Depotreglementes hatte die Bank die einkassierten Beträge der Deponentin auf deren Konto gutzuschreiben.
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Diese Dienstleistungen haben auftragsrechtlichen Charakter und sprengen den Rahmen des Hinterlegungsvertrages. Die zwischen der Bragi S.A. und der Bank geschlossene Vereinbarung ist daher als auf die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren gerichtetes gemischtes Rechtsgeschäft zu verstehen (vgl. BGE 94 II 169 E. 2 mit Hinweisen; UMBRICHT-MAURER, Das Depotgeschäft, Zürich 1976, S. 2; dazu auch BGE 101 II 123 E. 1). Mit Bezug auf die Verwaltung der hinterlegten Obligation durch die Reiss & Co. sind mithin die Art. 394 ff. OR durchaus anwendbar.
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c) Nach Art. 401 Abs. 1 OR gehen Forderungsrechte, die der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers in eigenem Namen gegen Dritte erworben hat, auf den Mandanten über, sobald dieser seinerseits allen Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis nachgekommen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers wird die Subrogation von Gesetzes wegen begründet (Legalzession), sobald die Voraussetzungen erfüllt sind; eine Mitwirkung des Beauftragten ist nicht erforderlich (Art. 166 OR; vgl. dazu GAUTSCHI, Subrogation und Aussonderung von beweglichem Treuhandvermögen, in SJZ 72/1976, S. 321 sub Ziff. 25 und S. 326 sub Ziff. 53; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 6 und 7 zu Art. 401 OR).
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3. Zu prüfen bleibt, ob dem Kläger als Rechtsnachfolger der Bragi S.A. - in sinngemässer Anwendung von Art. 401 Abs. 3 OR - ![]() | 25 |
a) Das Bundesgericht hat in BGE 99 II 393 ff. ausgeführt, dem Auftraggeber sei im Konkurs des Beauftragten dort ein Aussonderungsrecht zuzugestehen, wo vom Beauftragten einkassiertes Geld einem Sonderkonto des Auftraggebers gutgeschrieben wird und von den andern Mitteln des Beauftragten getrennt bleibt (S. 398 E. 7). Es lagen jenem Urteil ganz besondere Umstände zugrunde: Ein Bankinstitut hatte von zahlreichen Kunden auf Grund fiduziarischer Verträge Geld entgegengenommen, das auf Sonderkonten gutzuschreiben war und das es alsdann in eigenem Namen, aber auf Rechnung und Gefahr der Kunden nach deren Weisungen für eine begrenzte Zeit Dritten auszuleihen hatte. Die zurückbezahlten Darlehenssummen wurden jeweils sogleich wieder auf die Sonderkonten gebucht, die übrigens in der Geschäftsbilanz nicht aufgeführt wurden und deren Bestände somit nach aussen nicht als Vermögen der Bank erschienen. Die Fiduziarin hatte zudem nach jeder Rückzahlung bei den Kunden neue Instruktionen einzuholen.
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b) Eine derartige Ausscheidung des aus der Rückzahlung der Obligation stammenden Betrages hat hier nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht stattgefunden. Der Erlös wurde vielmehr dem (ordentlichen) Depositenkonto der Bragi S.A. gutgeschrieben, wo auch Guthaben aus andern Geschäften zu finden Waren. Letzteres gilt übrigens auch für das mit "K" gekennzeichnete Konto, von dem der Kläger behauptet, es sei von der Liquidatorin in der Meinung eröffnet worden, dass es wirtschaftlich nicht zur Liquidationsmasse gehöre und dass sein Saldo dem Inhaber vollumfänglich ausbezahlt werden solle. Wenn das Handelsgericht unter diesen Umständen darauf verzichtete, die verantwortlichen Organe der Liquidatorin zum Zweck der Eröffnung des Kontos "K" einzuvernehmen, hat es nicht gegen Bundesrecht verstossen. Es besteht auch sonst kein Anlass, die Sache zu einer Aktenergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die für die Begründung eines Aussonderungsanspruches erforderliche Individualisierung hätte nur dadurch geschaffen werden können, dass der Rückzahlungserlös gleich nach dem Eintreffen der Gutschriftsanzeige der Schweizerischen Bankgesellschaft auf ein separates, neu anzulegendes Konto gebucht ![]() | 28 |
Die Berufung erweist sich somit auch insofern als unbegründet, als sie sich auf Auftragsrecht stützt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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