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1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Februar 1978 i.S. Maurer gegen Messerli | |
Regeste |
Art. 28 ZGB. |
Urteilspublikation als Mittel zur Beseitigung des Störungszustandes; Interesse an der Publikation. | |
Sachverhalt | |
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Am 16. April 1975 erhob Fritz Maurer gegen Alfred Messerli Klage mit den Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass der Zeitungsartikel den Kläger in seinen persönlichen Verhältnissen unbefugterweise verletzt habe, der Beklagte habe dem Kläger eine Schadenersatz- und Genugtuungssumme von Fr. 4'000.-- zu bezahlen und das Urteil sei im "Tages-Anzeiger" zu veröffentlichen. Das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung hin das Obergericht des Kantons Zürich hiessen das ![]() | 2 |
In seiner Berufung ans Bundesgericht hält Fritz Maurer am Antrag auf Urteilspublikation fest. Das Bundesgericht heisst die Berufung in diesem Punkt gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung betrachtet die Urteilsveröffentlichung bei Persönlichkeitsverletzungen durch Presseäusserungen in Anlehnung an das Schrifttum sowie die Praxis im Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht nicht mehr als eine besondere Art der Genugtuung, sondern als Mittel zur Beseitigung des Störungszustandes, der durch die verletzende Publikation geschaffen wurde (BGE 95 II 499 f. E. 10 mit Hinweisen; BGE 100 II 180 E. 6. Der Anspruch des Klägers auf die Veröffentlichung einer Berichtigung hängt daher in keiner Weise davon ab, ob den Beklagten ein Verschulden treffe und ob die durch die Presseäusserungen verursachte Persönlichkeitsverletzung für den Kläger besonders schwer wiege. Massgebend ist vielmehr, ob die Urteilsveröffentlichung als geeignetes Mittel betrachtet werden kann, um die Folgen der Persönlichkeitsverletzung zu beseitigen. Unter diesem Gesichtspunkt ist zu prüfen, ob der Kläger ein ausreichendes Interesse an der von ihm verlangten Publikation besitze.
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Nach der Meinung von P. JÄGGI ist der Richter von Bundesrechts wegen zwar befugt, mangels besonderer Gesetzesvorschrift ![]() | 6 |
b) Im angefochtenen Entscheid wird das Interesse des Klägers an der Urteilspublikation verneint, weil der Inhalt des eingeklagten Artikels heute nicht mehr nachwirke und der Störungszustand somit nicht mehr fortdauere. Diese Auffassung wird damit begründet, dass bereits einmal eine Berichtigung erschienen sei, und dass die Persönlichkeitsverletzung nicht einziger Gegenstand eines Artikels gebildet habe, sondern in einem umfassenden Prozessbericht enthalten gewesen sei, in dem die strafbaren Handlungen des Klägers zusammenfassend gewürdigt worden seien. Ein solcher Bericht sei in unserer raschlebigen Zeit bald vergessen, zumal da seit dessen ![]() | 7 |
Ob eine Urteilspublikation dem Kläger mehr schaden als nützen könnte, ist in erster Linie von diesem selbst zu entscheiden. Die Veröffentlichung kann im übrigen auf den zu berichtigenden Vorwurf beschränkt werden, so dass der Leser nicht unbedingt an die vom Kläger tatsächlich begangenen Straftaten erinnert zu werden braucht. Denjenigen Lesern aber, die noch eine Erinnerung daran besitzen, kann mittels der Urteilspublikation zur Kenntnis gebracht werden, dass wenigstens der Vorwurf der Schmiergeldzahlung auf den Kläger nicht zutraf. Dem Kläger darf das Interesse an einer solchen Berichtigung des durch den Artikel verursachten falschen Gedankenbildes nicht bloss deshalb abgesprochen werden, weil das negative Werturteil über ihn dennoch bestehen bleibt. Im Unterschied zur Genugtuung, für die es auf die Schwere der Verletzung und damit auf das Vorhandensein eines guten Rufes ankommt, setzt der Beseitigungsanspruch nur voraus, dass durch die widerrechtliche Äusserung eine falsche Vorstellung hervorgerufen wurde, die berichtigt werden kann. Dass die Verletzung schon lange zurückliegt und mit der Zeit an Bedeutung verloren hat, genügt nicht, um den Beseitungsanspruch gegenstandslos werden zu lassen (JÄGGI, a.a.O., S. 249a; MERZ, a.a.O., S. 90; BGE 95 II 496 ff. E. 9). Der Kläger hat daher ungeachtet des Zeitablaufs Anspruch darauf, vom ungerechtfertigten Vorwurf der Schmiergeldzahlung entlastet zu werden, selbst wenn sich nur noch vereinzelte Leser daran erinnern können. Der Einfluss der Berichterstattung über einen viel beachteten Strafprozess darf im übrigen nicht unterschätzt werden. Viele Straftäter fürchten die Auswirkungen der Zeitungsberichte über ihren Strafprozess mehr als das Urteil selber. Das Interesse an der öffentlichen Richtigstellung falscher Darstellungen darf ihnen deshalb auch dann nicht abgesprochen werden, wenn das Erscheinen des Berichts schon lange zurückliegt und sich der unzutreffende ![]() | 8 |
Ein genügendes Interesse des Klägers an der Urteilsveröffentlichung müsste hingegen wohl dann verneint werden, wenn der Beklagte im "Tages-Anzeiger" bereits von sich aus einen Widerruf publiziert hätte. Die Vorinstanz hat eine solche Berichtigung darin erblickt, dass der Beklagte in der Ausgabe dieser Zeitung vom Samstag, dem 26. Januar 1974, also drei Tage nach dem Erscheinen des eingeklagten Artikels, am Schluss eines Berichts über das obergerichtliche Urteil folgendes schrieb:
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"Fritz Maurer legt im übrigen Wert auf die Feststellung, dass nicht
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er, sondern ein Geschäftspartner von ihm eine fünfstellige Summe im
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Zusammenhang mit der Freigabe von Land in Adliswil bezahlt habe
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(vgl. TA vom Mittwoch: "Hat Fritz Maurer Schmiergelder bezahlt?")."
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Mit der Veröffentlichung dieser Gegendarstellung wurde jedoch der durch die Berichterstattung erweckte falsche Eindruck nicht völlig beseitigt. Vor allem blieb vollständig offen, wie es sich mit dem Wahrheitsgehalt dieser Bestreitung des Klägers verhalte. Auf Grund des vorliegenden Prozesses steht nun fest, dass der Kläger mit der Zahlung von Schmiergeldern an Politiker tatsächlich nichts zu tun hatte. Das Interesse des Klägers an der Veröffentlichung dieser gerichtlichen Feststellung wird durch die an sich begrüssenswerte Publikation der seinerzeitigen Gegendarstellung nicht aufgehoben. Die Überzeugungskraft einer vom Richter angeordneten Berichtigung ist erheblich grösser als jene einer Gegendarstellung. Die Urteilsveröffentlichung vermag daher den falschen Eindruck, der durch die Berichterstattung des Beklagten erweckt wurde, besser zu beseitigen als die seinerzeit publizierte Bestreitung des Beklagten.
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