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3. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. März 1978 i.S. A. gegen Waisenamt G. | |
Regeste |
Entmündigung wegen Freiheitsstrafe (Art. 371 ZGB). | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen: | |
3. Nach Art. 371 Abs. 1 ZGB gehört jede mündige Person unter Vormundschaft, die zu einer Freiheitsstrafe von ![]() | 2 |
Das Gesetz erblickt somit im Antritt einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr einen absoluten Entmündigungsgrund. Die Lehre tritt indessen für eine Relativierung von Art. 371 ZGB ein. Namentlich EGGER (N. 8-10 zu Art. 371 ZGB) weist darauf hin, die Entmündigung sei nur bei Schutzbedürftigkeit des Sträflings in persönlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht sinnvoll. Art. 371 ZGB schaffe bloss eine widerlegbare Vermutung der Unfähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten. Es sei Sache des Häftlings, darzutun, dass im konkreten Fall kein Schutzbedürfnis bestehe. Das Bundesgericht hat sich in BGE 91 II 170 ff. mit dieser Kritik auseinandergesetzt. Es bezeichnete es als bedenklich, Art. 371 ZGB schon wegen gewisser mit der Bevormundung verbundener Nachteile für den Strafgefangenen nicht anzuwenden, und liess die Frage offen, ob allenfalls in ausserordentlichen Fällen, wenn die einem Vormund obliegenden Aufgaben - persönliche Betreuung des Gefangenen und Wahrung von dessen Vermögensinteressen - unter den gegebenen Umständen offensichtlich völlig ausser Betracht fielen, von einer Entmündigung abzusehen sei.
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Nach diesem Entscheid haben sich weitere Autoren für eine Relativierung von Art. 371 ZGB eingesetzt (MERZ, ZBJV 102/1966, S. 484 f.; SCHNYDER, Die Stufenfolge der vormundschaftlichen Massnahmen und die Verhältnismässigkeit des ![]() | 4 |
In späteren (nicht veröffentlichten) Entscheiden hat das Bundesgericht daran festgehalten, dass sich ein Verzicht auf Entmündigung nach Art. 371 ZGB höchstens dann erwägen lässt, wenn feststeht, dass nach den gegebenen Umständen eine persönliche Betreuung des Verurteilten und die Wahrung von Vermögensinteressen völlig ausser Betracht fallen (Urteile vom 10. Februar 1972 i.S. Keusch und vom 15. Februar 1973 i.S. Stürm).
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4. Wortlaut und Entstehungsgeschichte (BGE 91 II 173 E. 2) von Art. 371 ZGB sind derart eindeutig, dass die Nichtanwendung dieser Bestimmung trotz Vorliegens ihrer Voraussetzungen in der Tat nur in einem ausserordentlichen Fall in Frage kommt. Allenfalls könnte im Sinne der Auffassung Eggers und ähnlich der Relativierung des Scheidungsgrundes des Ehebruchs (BGE 98 II 161 ff. E. 4 b) in Art. 371 ZGB bloss eine widerlegbare Vermutung erblickt werden, in dem Sinne, dass die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (bzw. der Antritt der Strafe) stets zur Bevormundung führt, wenn nicht der Nachweis geleistet wird, dass im konkreten Fall die persönliche Fürsorge und die Wahrung der Vermögensinteressen des Verurteilten ausser Betracht fallen. Weiter zu gehen verbietet das Gesetz.
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