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36. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Juni 1978 i.S. Gaberell gegen Teron AG | |
Regeste |
Art. 48 Abs. 1 OG; Begriff des Endentscheids. | |
Sachverhalt | |
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Gegen das Urteil des Appellationshofs erhob der Gesuchsgegner Berufung ans Bundesgericht. Das Bundesgericht tritt nicht auf die Berufung ein.
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Aus den Erwägungen: | |
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"Der Richter kann auf Gesuch eines Beteiligten als vorsorgliche Massnahme eine einstweilige Verfügung treffen, sofern ihm glaubhaft gemacht wird, dass der Erlass einer solchen sich aus einem der folgenden Gründen rechtfertigt: ...
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2. zum Schutze eines bedrohten Besitzstandes sowie zur Wiedererlangung eines widerrechtlich entzogenen oder vorenthaltenen Besitzes;
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..." Art. 330 ZPO/BE bestimmt sodann, dass dem Gesuchsteller beim Zuspruch der einstweiligen Verfügung gegebenenfalls eine angemessene Frist zur Anhebung des Hauptprozesses anzusetzen sei, ansonst die einstweilige Verfügung dahinfalle; die Entscheidung über die einstweilige Verfügung falle im übrigen dahin, sobald über die Sache selbst ein rechtskräftiges Urteil ergangen sei. Und Art. 332 Abs. 1 ZPO/BE sieht schliesslich vor, dass eine Partei, welcher durch eine einstweilige Verfügung Schaden verursacht wurde, auf dem Wege des ordentlichen Prozesses Klage auf Ersatz dieses Schadens erheben könne, "sofern die Massnahmen unbegründet waren oder ihnen ein materiell-rechtlicher Anspruch nicht zugrunde lag".
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b) Der angefochtene Entscheid hat somit insofern bloss vorläufigen Charakter, als ein ordentlicher Prozess vorbehalten bleibt. Allerdings ist zur Anhebung eines solchen Prozesses keine Frist angesetzt worden; dies offenbar deshalb, weil damit eine Änderung der durch die einstweilige Verfügung geschaffenen Sachlage nicht erreicht, sondern nurmehr über einen Schadenersatzanspruch des unterlegenen Gesuchsgegners und heutigen Berufungsklägers verhandelt werden könnte (in diesem Sinne LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. Aufl., N. 1 zu Art. 330, S. 308 oben). Der Berufungskläger muss daher trotz des einstweiligen Charakters der ihm gegenüber getroffenen Massnahme hinnehmen, dass er die von ihm benützte Werkstatt abbrechen und das Areal räumen muss, bevor er in einem ordentlichen Verfahren sein allfälliges besseres Recht geltend machen und Wiedergutmachung verlangen kann. Es fragt sich, ob die Berufung nicht mit Rücksicht darauf als zulässig zu betrachten sei.
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"So muss sich der im Befehlsverfahren aus seiner Wohnung ausgewiesene Mieter gefallen lassen, ausgeschafft zu werden, auch wenn er die Möglichkeit behält, beim ordentlichen Richter auf Rückerstattung der Wohnung oder auf Schadenersatz zu klagen...
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Mit Rücksicht auf diese Auswirkungen der ein Befehlsbegehren gutheissenden Entscheidung lässt es sich verantworten, die Berufungsfähigkeit solcher Entscheide jedenfalls dann zu bejahen, wenn diese nicht zwangsläufig zu einem ordentlichen Verfahren Anlass geben (wie dies bei den vorsorglichen Massnahmen der Fall ist), sondern in der Regel für längere Zeit oder sogar endgültig Recht schaffen" (BGE 100 II 289). Angesichts dieser Entwicklung der Rechtsprechung stellt sich die Frage, ob nicht auch die hier angefochtene Ausweisung des Berufungsklägers auf Grund der soeben zitierten Erwägung Gegenstand einer Berufung bilden könne. Dem steht indessen folgender Umstand entgegen:
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Der provisorische Charakter der einstweiligen Verfügungen gemäss Art. 326 ZPO/BE zeigt sich auch darin, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht werden müssen. Der Entscheid beruht somit in tatsächlicher Hinsicht nicht auf einer abschliessenden Prüfung des Streitfalles; diese bleibt vielmehr dem ordentlichen Prozess vorbehalten (LEUCH, a.a.O., N. 3 zu Art. 326; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl. S. 233). Hierin besteht ein grundlegender Unterschied zum zürcherischen Befehlsverfahren, das zur schnellen Handhabung klaren Rechts nur zulässig ist, sofern die tatsächlichen Verhältnisse nicht ![]() | 13 |
3. In BGE 101 II 359 /360 hat die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts den in einem summarischen Verfahren gefällten Entscheid über die Ausweisung eines Mieters als nicht berufungsfähig bezeichnet. Soweit dort das Nichteintreten damit begründet wurde, es handle sich bei einer solchen Ausweisung um ein blosses Vollstreckungsverfahren, das vom kantonalen Prozessrecht beherrscht werde und daher der Berufung an das Bundesgericht nicht unterliege, könnte daran nicht festgehalten werden. Die I. Zivilabteilung ist denn auch in einem neueren Entscheid, der sich auf einen Zürcher Fall bezog, von dieser Auffassung abgerückt und hat entschieden, dass ein Ausweisungsverfahren, in dem über den Rückgabeanspruch des Vermieters geurteilt werde, ein Erkenntnisverfahren darstelle, bei dem es um den materiellen Bestand des geltend gemachten Anspruchs gehe und nicht um seine Vollstreckbarkeit (BGE 103 II 250 /251 E. 1a). Wenn in diesem neueren Urteil auf die Berufung gegen den kantonalen Entscheid eingetreten wurde, so deshalb, weil es sich dabei um einen solchen im Befehlsverfahren zur schnellen Handhabung klaren Rechts nach der neuen ![]() | 14 |
Wird jedoch über die Ausweisung eines Mieters im Unterschied zum soeben erwähnten Fall im Verfahren der einstweiligen Verfügungen oder vorsorglichen Massnahmen entschieden, in dem die blosse Glaubhaftmachung der anspruchsbegründenden Tatsachen genügt, kann es sich aus den in Erwägung 2 c dargelegten Gründen nicht um einen Endentscheid handeln, der mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden kann. Daran ändert auch der Hinweis auf den Besitzesschutz in Art. 326 Ziff. 2 ZPO/BE nichts. Nach der Auffassung von KUMMER müsste die Geltendmachung des Besitzesschutzanspruches im Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. BGE 94 II 348 ff.; BGE 85 II 275 ff.) zwar nicht notwendigerweise zu einem nicht berufungsfähigen Entscheid führen (vgl. die Kritik dieses Autors an BGE 94 II 353 f.E. 3 in ZBJV 106/1970, S. 130/131). Im vorliegenden Fall war jedoch nicht über eine bundesrechtliche Besitzesklage zu entscheiden. KUMMER weist in seinem Grundriss des Zivilprozessrechts selber darauf hin, dass es sich bei der einstweiligen Verfügung gemäss Art. 326 Ziff. 2 ZPO/BE nicht um den bundesrechtlichen Besitzesschutz handeln könne, da dieser ein ordentliches Verfahren voraussetze, das sich nicht mit einer bloss summarischen Kognition begnüge (a.a.O., S. 235).
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Man mag es unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes als unbefriedigend empfinden, dass ein Mieter oder Pächter durch eine vorsorgliche Massnahme aus- oder weggewiesen werden kann, ohne dass ihm dagegen der Weg der Berufung an das Bundesgericht offen steht. Dies ist jedoch eine Folge der kantonalen Prozesshoheit und kann nicht dadurch korrigiert werden, dass der Begriff des Endentscheids im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG noch extensiver ausgelegt und auf einstweilige Verfügungen ausgedehnt wird.
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