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47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Oktober 1978 i.S. Waadt-Versicherungen gegen Martinez Garcia und Lobato Gonzales | |
Regeste |
Versicherungsvertrag; Auslegung einer Ausschlussklausel bei einer Unfallversicherung (Art. 33 VVG). |
2. Begriff der Schlägerei bzw. des Raufhandels (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Mit Urteil vom 17. Mai 1977 hiess das Bezirksgericht Bülach (II. Abteilung) eine von Casimiro Martinez Garcia und Petra Lobato Gonzales gegen die "Waadt" eingereichte Klage gut und verpflichtete diese, den Klägern Fr. 50'330.- nebst 5% Zins seit 14. August 1975 zu zahlen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, der Messerstich von Sukri Serifi sei nicht als Teil eines Raufhandels zu werten, da die an der vorangegangenen Schlägerei Beteiligten zuvor durch Dritte getrennt worden seien und sich in verschiedene Räume des Personalhauses zurückgezogen hätten.
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Das Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) erklärte am 13. März 1978 die von der Beklagten erhobene Berufung für unbegründet, änderte allerdings das erstinstanzliche Urteil insofern ab, als es festlegte, der den Klägern zugesprochene Betrag sei erst vom 21. Januar 1976, dem Tag der Inverzugsetzung, an zu verzinsen.
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Die Beklagte hat gegen das obergerichtliche Urteil sowohl Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich als auch Berufung an das Bundesgericht erhoben. Mit der Berufung stellt sie folgende Anträge:
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"1. Ziff. 1 des Urteilsdispositivs der I. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich sei aufzuheben, und es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen; eventuell sei die Klage im Ausmass von Fr. 12'582.50 (1/4 der Versicherungssumme) gutzuheissen.
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2. Eventuell sei die Streitsache zur Beweisabnahme und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen."
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Die Kläger schliessen auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Zu den Geschehnissen, die dem tödlichen Messerstich vorangegangen waren, verweist die Vorinstanz auf die Feststellungen des Bezirksgerichtes. Dieses hatte ausgeführt, man könne davon ausgehen, dass Sukri Serifi von Ramon Martinez Lobato, dessen Bruder Eleuterio und Gonzalo Pedraz im Verlaufe ![]() | 8 |
Das Bezirksgericht hatte weiter festgehalten, es habe nicht zweifelsfrei abgeklärt werden können, wieviel Zeit zwischen der Trennung der Streitenden und dem Angriff Serifis mit dem Messer verstrichen sei. Nach seiner Ansicht dürfte es sich um wenige Minuten gehandelt haben. Die Vorinstanz stellt unter Hinweis auf die Akten der Bezirksanwaltschaft Bülach, die die Strafuntersuchung gegen Serifi geführt hatte, fest, es seien wenige bzw. einige Minuten gewesen.
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b) Der Ausschluss der bei einer Schlägerei oder einem Raufhandel erlittenen Verletzungen aus dem Versicherungsschutz ist offensichtlich darin begründet, dass die Beklagte nicht für ![]() | 12 |
Die Parteien weisen übereinstimmend darauf hin, dass Serifi den Sohn der Kläger gemäss Gutachten der kantonalen Psychiatrischen Klinik Rheinau in einem durch Gewalteinwirkungen bei der vorangegangenen tätlichen Auseinandersetzung verursachten Dämmerzustand erstochen habe und dass es sich bei dieser Tat nicht um eine bewusste Fortsetzung oder Wiederaufnahme des Kampfes, nicht um eine bewusste Rache gehandelt habe. Zugunsten der Kläger lässt sich daraus indessen nichts ableiten, denn Hiebe, wie sie Serifi bei der Auseinandersetzung mit Ramon Martinez Lobato, dessen Bruder Eleuterio und Gonzalo Pedraz eingesteckt hatte, sind nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus geeignet, einen Menschen die Selbstbeherrschung verlieren zu lassen und dazu zu bringen, dass er seine Gegner im Raum, in den sie sich zurückgezogen haben, mit einem Messer bewaffnet aufsucht, auf sie einsticht und dabei einen von ihnen tödlich verletzt. Ob bis in alle Einzelheiten vorauszusehen gewesen sei, dass sich die Ereignisse, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der psychischen Verfassung Serifis, genau so abspielen würden, wie es in Wirklichkeit geschehen ist, und ob Serifi den Sohn der Kläger bewusst getötet habe oder nicht, ist für die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges ohne Belang (vgl. BGE 80 II 344; im gleichen Sinne auch BGE 103 IV 291 f. E. 2 mit Hinweis).
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c) Ein rechtserheblicher Zusammenhang zwischen der tätlichen Auseinandersetzung, die zur Verletzung und zum Dämmerzustand Serifis führte, und dem tödlichen Messerstich reicht allerdings nicht aus, das ganze Geschehen als Schlägerei bzw. als Raufhandel zu qualifizieren. Merkmal der Schlägerei oder des Raufhandels ist auch eine zeitliche und örtliche Einheit. Bei objektiver Betrachtung des äusseren Ablaufs und der Entwicklung der psychischen Verfassung Serifis ist jedoch diese Einheit hier trotz der vorübergehenden Trennung der Streitenden ![]() | 14 |
4. Die tätliche Auseinandersetzung zwischen Sukri Serifi und den drei Spaniern und der Messerstich Serifis, durch den der Sohn der Kläger getötet wurde, stellen nach dem Gesagten ein Ganzes dar, das nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch als Raufhandel oder Schlägerei zu bezeichnen ist. Der Tod von Ramon Martinez Lobato ist somit durch die Versicherung der Beklagten nicht gedeckt. Dies führt zur Gutheissung der Berufung und zur Abweisung der Klage. Das Eventualbegehren der Beklagten, die Klage sei in der Höhe eines Viertels der Versicherungssumme gutzuheissen, wird dadurch gegenstandslos, weshalb es sich erübrigt, zur Frage seiner Zulässigkeit Stellung zu nehmen.
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