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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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3. Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Januar 1979 i.S. Penza gegen ICC Handels AG (Berufung) | |
Regeste |
1. Zustandekommen des Vertrages, Art. 1 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 OR. Auslegung der Willensäusserungen nach Treu und Glauben und Bedeutung des übereinstimmenden inneren Willens der Parteien (E. 2-4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Im April 1976 klagte Penza gegen die ICC Handels AG auf Zahlung von US § 270'000.- nebst Zins zu 7% seit dem 1. März 1974. Für den Fall, dass die geschuldete Summe mittels Betreibung geltend gemacht werden müsse, sei festzustellen, "dass die Schadenersatzsumme zum Kurs von Fr. 3.14 pro US Dollar umzurechnen ist".
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Das Kantonsgericht des Kantons Zug wies die Klage am 25. November 1977 ab, ebenso auf Appellation des Klägers hin das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 6. Juli 1978.
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C.- Gegen das obergerichtliche Erkenntnis hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit der er Gutheissung seiner Klagebegehren verlangt; allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
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Die Ermittlung der Bedeutung, die den Willensäusserungen der Parteien beim Abschluss eines Vertrages nach Treu und Glauben zukommt, ist eine Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren der freien Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt; dieses ist aber an Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich äusserer Tatsachen und des inneren Willens der Parteien gebunden (BGE 100 II 149 E. 3c, BGE 99 II 285 E. 1/2, BGE 96 II 333 E. 4d mit Hinweisen).
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b) Das Obergericht stellt fest, der Angestellte der Beklagten, F., sei "zugestandenermassen subjektiv von einem Verkaufswillen" der Beklagten ausgegangen. Dass er das englische "bidding firm" im Fernschreiben der Muttergesellschaft mit "Festgebot" übersetzt habe und trotzdem der Meinung gewesen sei, die Beklagte wolle verkaufen, zeige deutlich, dass er im Chemikalienhandel nicht derart erfahren gewesen sei, wie der Kläger es behaupte. Damit ist hinreichend klar festgestellt, dass die Beklagte, die sich unstreitig das Verhalten F.'s anrechnen lassen muss, bei der Abfassung ihres Fernschreibens vom 18. Januar 1974 verkaufen und nicht kaufen wollte. Noch klarer ergibt sich das aus dem erstinstanzlichen Urteil, auf welches das Obergericht verweist. Dort wird ausgeführt, die Beklagte selber gestehe ein, dass F. die englischsprachige Anweisung des Mutterhauses falsch verstanden habe. "In falscher Deutung eines Fernschreibens ihrer Muttergesellschaft" habe die Beklagte somit dem Kläger am 18. Januar 1974 die fragliche Menge Ätznatron verkaufen wollen.
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c) Hat der Kläger das Fernschreiben der Beklagten vom 18. Januar 1974 so verstanden, wie es gemeint war, so ist der Vertrag nach dem Gesagten zustande gekommen; für eine Auslegung der beidseitigen Willenserklärungen nach Treu und ![]() | 11 |
4. a) Selbst wenn der Kläger ob den Unstimmigkeiten in dem ihm von der Beklagten unterbreiteten Angebot hätte "stutzig" werden müssen, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte ein Verkaufsangebot machte. Allfällige Unklarheiten räumte der Kläger mit seiner klaren und widerspruchsfreien Annahmeerklärung aus, indem er der Beklagten bestätigte, "von ihnen gekauft und sie an uns verkauft zu haben". Mehr durfte von ihm unter diesen Umständen nicht erwartet werden. Indem er die von der Beklagten gemachten Bedingungen wiederholte und das Wort "Festgebot" ersetzte durch "feste Offerte" nahm er das Angebot der Beklagten an, wie sie es gemeint hatte. Unbehelflich ist es deshalb, wenn die Beklagte vor Bundesgericht vorbringt, damit habe der Kläger sie in ihrer Verkäuferstellung festnageln wollen. Hätte sie wirklich nicht verkaufen wollen, so hätte sie auf das Bestätigungsschreiben des Klägers hin allen Anlass gehabt, einen solchen Versuch entschieden zurückzuweisen. Statt dessen verdankte sie noch gleichen Tags ausdrücklich die "Bestätigung" des Klägers und fügte lediglich bei, dass das gemachte Angebot "ausdrücklich vorbehältlich 'schiffsraumbuchung' zu verstehen" sei. Selbst wenn der Vertragsschluss nicht schon mit der Annahmeerklärung des Klägers vom 21. Januar zustande gekommen, sondern das klägerische Fernschreiben mit dem Obergericht als neue Offerte anzusehen wäre, wäre der Vertrag jedenfalls mit diesem Antwortschreiben der Beklagten geschlossen worden. Mit dem Vorbringen, der Kläger habe gewusst, dass die Beklagte weder verkaufen wollte noch verkaufen konnte, ist die Beklagte nicht ![]() | 12 |
b) Nach dem angefochtenen Urteil liegt im Fernschreiben des Klägers vom 21. Januar 1974 keine Annahmeerklärung, weil die Beklagte mit ihrer Offerte vom 18. Januar ausdrücklich "Schiffsraumbuchung" vorbehalten hatte. Die Beklagte habe damit "erkennbarermassen ihre mangelnde wirkliche Verkaufsabsicht" aufgezeigt. Dass das hinsichtlich ihres inneren Willens nicht zutrifft, wurde bereits dargelegt. Fragen kann sich nur, ob wegen des erwähnten Vorbehaltes ein Konsens, der an sich auch Nebenpunkte zu erfassen hat, entfällt. Davon kann aber keine Rede sein, hat doch der Kläger nicht nur die von der Beklagten angebrachte Ergänzung stillschweigend angenommen, sondern die fragliche Klausel auch ausdrücklich in seinen Bestätigungsbrief vom 21. Januar 1974 aufgenommen. Streitig ist zwar, zu wessen Gunsten dieser Vorbehalt gemacht wurde, doch besteht Übereinstimmung darin, dass nur der Käufer an einer solchen Klausel interessiert war. Nach verbindlicher Feststellung des Kantonsgerichts, auf die das Obergericht verweist, ist es möglich, dass es der Kläger war, der den Vorbehalt betreffend die Schiffsraumbuchung gemacht hatte. Das erste Fernschreiben der Beklagten vom 18. Januar 1974, das auf ein zuvor mit dem Kläger geführtes Telefongespräch Bezug nahm, konnte durchaus als Bestätigung eines vom Kläger gemachten Vorbehaltes verstanden werden. Ist somit der Vertrag so oder anders am 21. Januar 1974 zustande gekommen, so vermag die Beklagte auch aus dem späteren Verhalten des Klägers nichts Entscheidendes mehr abzuleiten. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger bereits am 22. Januar darauf hingewiesen habe, alles beruhe auf einem Missverständnis und die fragliche Ware habe nie existiert, kann deshalb ebensowenig eine Rolle spielen wie jener, dass der Kläger angeblich nichts unternommen habe, um ein Akkreditiv zu eröffnen. Letzteres erklärt sich immerhin damit, dass er die Beklagte erfolglos aufgefordert hatte, den Verschiffungshafen zu bezeichnen.
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5. Steht somit fest, dass die Beklagte dem Kläger 2000 mt Ätznatron zu den aus den schriftlichen Erklärungen der Parteien ![]() | 14 |
Zu prüfen sind aber auch die weiteren von der Beklagten gegen ihre Zahlungspflicht erhobenen Einwendungen. Das gilt zunächst für die Voraussetzungen einer Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung des Vertrages sowie für die Berechnung des Schadens. Zu prüfen ist ferner auch der Einwand der Beklagten, der Kläger sei bezüglich der Schiffsraumbeschaffung einer Bedingung des Vertrages nicht nachgekommen. In dieser Hinsicht erlaubt der von der Vorinstanz festgestellte Tatbestand keine abschliessende Beurteilung, sondern bedarf der Ergänzung; in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 OG ist das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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