BGE 105 II 75 - Escophon | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: | |||
13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Februar 1979 i.S. Escophon AG gegen Bank in Langenthal | |
Regeste |
Schadenersatz aus culpa in contrahendo. |
2. Haftung aus culpa in contrahendo wegen fahrlässiger Verletzung der Aufklärungspflicht (E. 2). |
3. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass er sich auf die nachträglich gescheiterten Verhandlungen eingelassen hat. Überprüfung der Schadensermittlung durch das Bundesgericht (E. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Eheleute Schmid wollten zusammen mit Ernst Schneider Fernseh- und Stereogeräte vermieten, zu diesem Zwecke die Escophon AG gründen und die abzuschliessenden Geschäfte durch eine Bank finanzieren lassen. Ende Juli 1975 wurden ihnen von der Filiale Spreitenbach der "Bank in Langenthal" verschiedene Finanzierungsvarianten und der Entwurf eines Rahmenvertrages unterbreitet. Da die Parteien sich nicht einigen konnten, legte die Bank am 26. September 1975 neue Entwürfe zu einem Modell-Mietvertrag und einer Rahmenvereinbarung vor. Ab Anfang Oktober 1975 finanzierte sie gemäss diesen Entwürfen 80 Mietverträge, welche von der inzwischen gegründeten Escophon AG geschlossen wurden; 84 weitere Verträge wies sie zurück.
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Am 25. November 1975 sandte die Bank der Escophon AG die definitiven Texte zum Mietvertrag und zur Rahmenvereinbarung. Ziff. 5 des Vertrages sah ein Faustpfandrecht zugunsten der Bank vor, und gemäss Ziff. 10 der Vereinbarung behielten sich die Parteien eine neue Regelung vor, falls die gesamten Mietzinsbeträge die Summe von Fr. 1'500'000.- übersteigen sollten. Die Bank forderte die Escophon AG auf, die Vertragsentwürfe "zum Zeichen ihres Einverständnisses" zu unterzeichnen und zurückzusenden. Am 8. Dezember 1975 fand auf Verlangen der Bank an deren Hauptsitz eine Besprechung statt. Den Vertretern der Gesellschaft wurde dabei erklärt, die Vertragsentwürfe könnten angesichts der rechtlich kaum haltbaren Faustpfandklausel und des "Ballungsrisikos" gemäss Ziff. 10 der Vereinbarung nicht genehmigt werden. Die Bank wollte ihre Finanzierung zudem auf höchstens Fr. 400'000.- beschränkt wissen.
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Am 17. Dezember 1975 sandte die Escophon AG die von ihr unterzeichnete Vereinbarung zurück und fügte bei, dass sie die Besprechung vom 8. Dezember als hinfällig betrachte, da zwischen den Parteien bereits eine vertragliche Bindung bestehe. Die Bank weigerte sich daraufhin, weitere Mietverträge zu finanzieren.
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Durch Urteil vom 26. April 1978 hiess das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 39'500.- nebst 5% Zins seit 15. November 1976 zu bezahlen.
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C.- Die Klägerin hat gegen diesen Entscheid Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 390'000.- nebst Zins zu verurteilen.
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Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Begehren angeschlossen, die Klage ganz abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Klägerin hält dem entgegen, die vorbehaltene Schriftform sei nicht Gültigkeitsvoraussetzung gewesen, sondern habe bloss der Beweissicherung gedient. Die Beklagte habe die gesetzliche Vermutung durch ihr eigenes Verhalten widerlegt, da sie zur Finanzierung übernommene Mietverträge genau nach dem Verhandlungsergebnis abgewickelt und ihr nicht genehme Verträge in Übereinstimmung mit Ziff. 1 der vorgesehenen Vereinbarung ohne Angabe von Gründen abgelehnt habe; dadurch habe sie darauf verzichtet, die Gültigkeit des Vertrages von der Schriftform abhängig zu machen.
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Für die Behauptung, die Schriftform sei bloss zwecks Beweissicherung vorbehalten worden, ist dem angefochtenen Urteil indes nichts zu entnehmen. Auf eine solche Funktion dürfte die schriftliche Form zudem nur beschränkt werden, wenn sie erst nach Einigung über den Inhalt des Vertrages verabredet worden wäre (BECKER, N. 1 zu Art. 16 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 25 zu Art. 16 OR). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Parteien dachten schon zu Beginn der Verhandlungen übereinstimmend an eine schriftliche Vereinbarung. Diesfalls ist nicht erforderlich, dass sie dieser Form stillschweigend oder ausdrücklich die Bedeutung beigemessen haben, der Vertrag solle erst bei deren Erfüllung verbindlich werden.
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Ein Verzicht auf eine zum vorneherein vorbehaltene Schriftform ist anzunehmen, wenn die vertraglichen Leistungen trotz Nichteinhaltung der Form vorbehaltlos erbracht und entgegengenommen werden; denn durch ein solches Verhalten wird die Vermutung des Art. 16 Abs. 1 OR entkräftet (BECKER, N. 2 zu Art. 16 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 41 zu Art. 16 OR). Die Beklagte hat seit Anfang Oktober 1975 von der Klägerin Mietverträge entgegengenommen und sie nach den Regeln des Entwurfes, den sie der Gesellschaft am 26. September 1975 zur Prüfung zugestellt hat, teils finanziert und teils zurückgewiesen. Daraus kann schon deshalb nicht gefolgert werden, die Beklagte habe vorbehaltlos auf die Schriftform verzichtet, weil die Parteien sich nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz erst Ende November 1975 über den ganzen Inhalt der Vereinbarung geeinigt haben. Die Klägerin übersieht ferner, dass die Bank nach dem angefochtenen Urteil einzelne Mietverträge, die ihr genügend sicher erschienen, auch im Rahmen ihrer normalen Geschäftstätigkeit finanzieren konnte, zumal sie sich von vorneherein eine Garantieerklärung geben liess. Dazu kommt, dass die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 26. September 1975 den Vorbehalt der Schriftlichkeit wiederholt hat. Sie bat damals den Vertreter der Klägerin, die beiliegende Vereinbarung genau zu prüfen und zu unterzeichnen, falls keine Änderungen notwendig seien; sie werde dann umgehend ein Exemplar gegenzeichnen und es der Gesellschaft zustellen. Ähnlich äusserte sie sich in ihrem Schreiben vom 25. November 1975, dem sie "die definitive Vereinbarung" zur Unterzeichnung beilegte. Die Klägerin entsprach diesem Begehren und sandte die von der Beklagten noch nicht unterschriebene Vereinbarung am 17. Dezember 1975 unterzeichnet zurück. In einer solchen Zustellung von Vertragsdoppeln zur Unterschrift ist aber ein Vorbehalt der Schriftform zu erblicken (BGE 50 II 284, 49 II 119/20, 42 II 376 E. 2 mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil ist daher insoweit nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte bestreitet, die Klägerin durch ein gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten geschädigt zu haben. Sie sei zunächst durchaus willens gewesen, die Vereinbarung abzuschliessen; die Verhandlungen seien erst dann nicht mehr weitergeführt worden, als bei Auslegung einer wesentlichen Vertragsbestimmung (Ziff. 10) Meinungsverschiedenheiten auftauchten und sich bei den Versuchen, sie zu bereinigen, keine Lösung abzeichnete. Sie habe die Verhandlungen nicht trotz vorgefasster Absicht, sie scheitern zu lassen, fortgeführt, sich folglich auch nicht im Sinne der culpa in contrahendo dolos verhalten. Vor Erfüllung der vorbehaltenen Schriftform habe die Klägerin sich nicht auf Rechte der Vereinbarung verlassen dürfen, zumal sie auf die Zustellung der Entwürfe nicht reagiert, sich ihre Entscheidungsfreiheit vielmehr vorbehalten und selbst mit der Unterzeichnung und Rücksendung des angeblich in allen Teilen abgesprochenen Vertrages rund drei Wochen zugewartet habe.
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a) Die Haftung aus culpa in contrahendo beruht auf der Überlegung, dass die Parteien sich während der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben zu verhalten haben. Gewiss besteht keine Pflicht, begonnene Verhandlungen fortzuführen; jede Partei darf sie vielmehr abbrechen und hat darüber der andern grundsätzlich auch nicht Rechenschaft zu geben. Mit dem Eintreten in Verhandlungen ergeben sich jedoch zwangsläufig gegenseitige Verpflichtungen. Dazu gehört insbesondere, dass die Parteien Verhandlungen ihrer wirklichen Absicht gemäss führen und einander in gewissem Masse über Tatsachen unterrichten, die den Entscheid der Gegenpartei über den Vertragsschluss oder dessen Bedingungen beeinflussen können (BGE 102 II 84, BGE 92 II 333 E. 3b, 90 II 455 E. 4).
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In welchem Masse die Parteien einander gegenseitig aufzuklären haben, entscheidet sich nicht allgemein, sondern hängt von den Umständen des einzelnen Falles, namentlich von der Natur des Vertrages, der Art, wie sich die Verhandlungen abwickeln, sowie den Absichten und Kenntnissen der Beteiligten ab. Entgegen der Meinung der Beklagten setzt die Haftung aus culpa in contrahendo jedoch kein doloses Verhalten voraus. Wer Verhandlungen anbahnt und fortführt, aber nicht auf Umstände aufmerksam macht, von denen sich die Gegenpartei selber weder Kenntnis verschaffen kann noch verschaffen muss, haftet vielmehr auch bei fahrlässiger Verletzung der Aufklärungspflicht. Das leuchtet vor allem dann ein, wenn er diese Pflicht schon aus eigenem Interesse beachten sollte, um z.B. einer mangelhaften Zusage vorzubeugen (BGE 92 II 333, BGE 90 II 455 /6; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 579 und 590 zu Art. 1 OR; MERZ, N. 270-274 zu Art. 2 ZGB; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 135 ff; PIOTET, Culpa in contrahendo, S. 127).
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b) Die Beklagte liess die Filiale Spreitenbach während Monaten mit der Klägerin verhandeln und eine Vereinbarung entwerfen, welche Ende November 1975 der Gegenpartei zur Unterschrift vorgelegt wurde. Ihren Willen, die Vereinbarung gegenzuzeichnen, änderte sie erst, als Organe des Hauptsitzes anfangs Dezember 1975 die Zustimmung verweigerten. Dass die Genehmigung durch diese Organe notwendig war und daher vorbehalten blieb, wurde der Klägerin jedoch nie bekanntgegeben. Dazu hätte die Beklagte jedoch schon Ende September 1975, als sie der Klägerin einen neuen Entwurf zustellte, allen Anlass gehabt, zumal sie daraufhin begann, von ihr Mietverträge entgegenzunehmen und zu finanzieren; denn dadurch bestärkte sie die Klägerin in der Meinung, die Vereinbarung entspreche den Interessen der Bank und werde von dieser nach endgültiger Bereinigung ohne weiteres unterzeichnet.
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Das ist auch dem als Weigerungsgrund angeführten "Ballungsrisiko" entgegenzuhalten, das bereits aus dem Entwurf vom 26. September 1975 ersichtlich war und umsomehr auffallen musste, als ein Faustpfandrecht zugunsten der Bank noch fehlte. Wenn schon dieser Entwurf dem Hauptsitz nicht zur Prüfung vorgelegt worden und eine rechtzeitige Orientierung der Klägerin deswegen unterblieben ist, so hat die Beklagte sich dieses Verhalten anrechnen zu lassen, gleichviel welches Organ die Unterlassung zu vertreten hat. Es widersprach Treu und Glauben, die Verhandlungen unbekümmert um interne Befugnisse fortzuführen, das Zustandekommen des Vertrages dann aber an der Genehmigung durch den Hauptsitz scheitern zu lassen, als der definitive Text vorlag.
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Bei Haftung aus culpa in contrahendo ist das negative Interesse zu ersetzen. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm aus dem von der Gegenpartei erweckten Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrages erwachsen ist (BGE 40 II 372, BGE 36 II 203; ENGEL, a.a.O., S. 137; VON BÜREN, OR Allg. Teil, S. 209). Entgegen der Auffassung der Klägerin geht es daher nicht an, die schuldige Partei so zu behandeln, wie wenn ein Vertrag mit ihr abgeschlossen worden wäre, sie also zum Ersatz des positiven Vertragsinteresses zu verpflichten. In welchem Umfang die Klägerin dadurch, dass sie sich auf die nachträglich gescheiterten Verhandlungen einliess, geschädigt wurde, ist zudem im wesentlichen eine Tat- und Ermessensfrage. Das Bundesgericht darf den angefochtenen Entscheid in diesem Punkte nur daraufhin überprüfen, ob er von unrichtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgeht, der allgemeiner Lebenserfahrung widerspricht oder aus dem Rahmen des Ermessens fällt, das dem kantonalen Richter insbesondere bei Abschätzen des Schadens gemäss Art. 42 Abs. 2 OR zusteht (vgl. BGE 99 II 373 oben, BGE 89 II 398, BGE 85 II 357 E. 6, BGE 81 II 42). Das Urteil der Vorinstanz ist unter keinem dieser Gesichtspunkte zu beanstanden.
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a) Das Handelsgericht geht zutreffend davon aus, die Beklagte habe nur dafür einzustehen, dass sie die fehlende Bereitschaft, zu den vereinbarten Bedingungen einen Vertrag abzuschliessen, erst am 8. Dezember, statt bereits anfangs Oktober 1975 bekanntgegeben hat. Die Klägerin verlor deswegen zwei Monate Zeit, konnte folglich Verhandlungen mit einer andern Bank über die Finanzierung der Geschäfte und damit ihre Tätigkeit erst entsprechend später im vollen Umfange aufnehmen. Eine über diese Zeitspanne hinausgehende Wirkung zulasten der Beklagten ist dagegen zu verneinen; diese haftet weder für die von Juli bis Ende September 1975 dauernden Verhandlungen, die ordnungsgemäss geführt worden sind, noch dafür, dass die Klägerin sich mit dem neuen Finanzierungsinstitut angeblich erst auf 1. Juli 1976 einigen konnte. Die Rüge der Klägerin, das Handelsgericht verkenne, dass sie durch das schuldhafte Verhalten der Beklagten mindestens sieben Monate eingebüsst habe, geht daher samt den daraus gezogenen Folgerungen fehl.
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Das gilt vorweg von den Behauptungen, sie habe frühere Interessenten nicht mehr angehen wollen und die Verhandlungen mit der Beklagten neuen nicht verschweigen können. Darüber hätte die Klägerin Dritten auch bei einem schuldlosen Abbruch der Verhandlungen Auskunft geben müssen, wenn sie andernfalls unerwünschte Wirkungen befürchtete. Dass sie Weihnachten 1975 und die olympischen Winterspiele nicht als besondere Geschäftsanlässe ausnutzen konnte, hilft ihr schon deshalb nicht, weil ihre Verhandlungen mit dem neuen Vertragspartner sich weit über diese Anlässe hinzogen. Für die Behauptungen schliesslich, die Klägerin habe wegen der Beklagten nutzlose Aufwendungen gehabt, ihr bester Vertreter sei nach dem 8. Dezember 1975 zu einer Konkurrenzfirma übergelaufen und habe ihr Kunden abspenstig gemacht, ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Sie sind auch abgesehen davon unbehelflich, weil konkrete Anhalte für angeblichen Schaden fehlen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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