BGE 105 II 92 | |||
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17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. März 1979 i.S. R. gegen M. (Berufung) | |
Regeste |
Art. 62 Abs. 2 und 67 OR, Art. 672 ZGB; Verjährung. |
2. Wird das Mietverhältnis entgegen einer solchen Erwartung vorzeitig aufgelöst, so beginnt die Verjährungsfrist für den Ersatzanspruch am Tage der Auflösung zu laufen (E. 3). |
3. Dieser Zeitpunkt ist gemäss Art. 64 OR auch massgebend für den Umfang des Bereicherungsanspruches (E. 4). | |
Sachverhalt | |
A.- Frau R. hatte seit 1960 auf dem Bauernhof des M. ein Islandpony eingestellt, wofür sie gemäss mündlicher Vereinbarung Fr. 100.- Miete im Monat bezahlte. Im Laufe der Zeit brachte sie dort sechs weitere Pferde unter. Als die vorhandenen Stallungen nicht mehr ausreichten, liess sie mit Zustimmung des Vermieters zwischen 1966 und 1971 andere Räume auf ihre Kosten umbauen und einrichten. Der Mietzins wurde in der gleichen Zeit bis auf Fr. 310.- im Monat erhöht.
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In den folgenden Jahren schwand das gute Einvernehmen zwischen den Parteien, weshalb das Mietverhältnis Ende März 1974 aufgelöst wurde. Die Mieterin beanspruchte aus diesem Anlass Ersatz für bauliche Aufwendungen im Betrage von Fr. 14'894.95. Da der Vermieter eine Schuldpflicht bestritt, liess die Mieterin ihn am 3. März 1975 für diesen Betrag nebst 5% Zins seit 31. Dezember 1974 betreiben und, auf Rechtsvorschlag hin, am 8. Dezember 1975 gerichtlich belangen.
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B.- Das Kantonsgericht Schaffhausen wies die Klage am 26. Oktober 1976 wegen Verjährung ab. Es fand, die Ersatzforderung lasse sich nicht auf den Mietvertrag stützen; sie sei daher nach Art. 672 ZGB in Verbindung mit Art. 67 OR zu beurteilen, was eine einjährige Verjährungsfrist ergebe. Diese sei aber längst abgelaufen, da die Bereicherung des Beklagten schon mit dem Einbau des Materials eingetreten sei.
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Die Klägerin appellierte an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, das am 28. Oktober 1977 im gleichen Sinn entschied.
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C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt mit den Anträgen, es aufzuheben, ihr Klagebegehren gutzuheissen oder die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass ihre Ersatzforderung verjährt sei.
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Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach dem angefochtenen Urteil hat zwischen den Parteien ein mündlich geschlossener Mietvertrag bestanden, was von beiden Seiten anerkannt wird. Fest steht ferner, dass die Klägerin während der Mietdauer für den Umbau und die Einrichtung von Stallungen erhebliche Aufwendungen gemacht hat und der Beklagte damit einverstanden gewesen ist. Die Parteien einigten sich jeweils nicht nur über die Ausdehnung des Mietverhältnisses auf neue Räume und über die Mietzinserhöhung, die sich daraus ergab, sondern auch über die vorgesehenen baulichen Änderungen und die ungefähre Bauzeit. Dagegen sprachen sie nie davon, wer die Kosten für die Änderung zu tragen habe.
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Diese Feststellungen der Vorinstanz betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden deshalb das Bundesgericht, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen oder in Missachtung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind (Art. 43 Abs. 3 und 63 Abs. 2 OG). Beides wirft die Klägerin dem Obergericht vor, ohne aber anzugeben, welche Aktenstelle die Vorinstanz übersehen habe oder welche Feststellung sich mit Art. 8 ZGB nicht vertrage. Sie behauptet auch nicht, mit dem Beklagten über die Kosten der Umbauarbeiten etwas vereinbart zu haben. Was sie vorbringt, richtet sich vielmehr gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz, betrifft also die Rechtsanwendung, welche das Bundesgericht frei überprüfen kann.
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Die Klägerin will damit nicht etwa sagen, es sei mit dem Beklagten auch nur stillschweigend vereinbart worden, dass und unter welchen Voraussetzungen er sich an den Kosten für die Umbauten und andere wertvermehrende Aufwendungen beteiligen werde. Zur Zeit der Umbauarbeiten dachte sie offensichtlich selbst nicht an einen Rückgriff auf den Beklagten, wohl aber an eine lange Mietdauer, welche ihr eine angemessene Amortisation ihrer Investitionen erlaubt hätte. Sie schliesst aus dem behaupteten Zusammenhang mit dem Mietvertrag zu Recht nicht auf eine zehnjährige Verjährungsfrist (Art. 127 OR), sondern anerkennt auch vor Bundesgericht, dass ihr Anspruch der einjährigen Verjährung nach Art. 67 OR unterliegt. Es ist deshalb wenn nicht unerheblich, so doch von untergeordneter Bedeutung, ob ein Bereicherungsanspruch gemäss Art. 62 Abs. 2 OR oder ein Entschädigungsanspruch nach Art. 672 ZGB gegeben ist (BGE 81 II 435 E. 3; MEIER-HAYOZ, N. 7 zu Art. 672 ZGB).
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a) Es wird in der Regel zutreffen, dass eine Ersatzforderung nach Art. 672 ZGB mit dem vollzogenen Einbau fällig wird und zu verjähren beginnt. Das ist namentlich dann anzunehmen, wenn vertragliche Beziehungen fehlen (BGE 99 II 135, BGE 95 II 225, BGE 82 II 288). Hier bestand zwischen den Parteien jedoch ein Mietverhältnis, was die Vorinstanzen unzureichend berücksichtigten. Die Klägerin liess die Räume als Mieterin umbauen und einrichten, und der Beklagte stimmte als Vermieter zu. Dazu kommt, dass nach der Feststellung des Obergerichts beide Parteien von der Vorstellung ausgingen, die Klägerin tätige die Investitionen im Hinblick auf ein längerfristiges Mietverhältnis, was der Beklagte noch in der Berufungsantwort anerkennt. Das aber kann nur heissen, dass die Klägerin beim Umbau nicht an eine Kostenbeteiligung des Beklagten dachte, sondern mit der Möglichkeit einer angemessenen Amortisation ihrer Aufwendungen durch Eigengebrauch rechnete. Bei dieser Sachlage ist nicht zu verstehen, wie sie schon damals gemäss Art. 672 ZGB hätte Ersatz beanspruchen können.
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Die Klägerin begründet ihren Anspruch denn auch damit, dass ihre damalige Erwartung sich infolge der vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses nicht erfüllt habe. Sie behauptet also nicht eine Zuwendung im Sinne von Art. 62 Abs. 2 OR, der von Anfang an ein gültiger Grund fehlte und die einen sofort fälligen Bereicherungsanspruch ausgelöst hätte. Es liegt auch nicht der Fall eines nachträglich weggefallenen, sondern jener eines nicht verwirklichten Grundes vor. Dass die Parteien für den Fall einer vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses nichts über die Umbaukosten vereinbarten, machte den bestehenden Mietvertrag nicht zu einem unbeachtlichen Motiv, wie die Vorinstanz annimmt. Als Zuwendungsgrund im Sinne von Art. 62 Abs. 2 OR kommt auch ein Umstand in Betracht, der an sich nicht rechtsgeschäftliche Bedeutung hat; das leuchtet namentlich ein, wenn eine Zuwendung in Erwartung einer zwar verabredeten, aber nicht verbindlichen Gegenleistung gemacht wird (von TUHR/PETER, OR S. 488 und Anm. 96; BECKER, N. 9 und 15 zu Art. 62 OR). Das muss vorliegend auch für die Erwartung eines langfristigen Mietverhältnisses gelten, zumal sie nicht nur einseitiger Hoffnung der Klägerin, sondern übereinstimmender Vorstellung beider Parteien entsprach, aber eben nicht in der verbindlichen Form einer vertraglichen Mindestmietdauer festgehalten wurde.
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Damit stimmt überein, dass Rechtsprechung und Lehre den Anspruch des Mieters auf Ersatz für bauliche Aufwendungen nicht aus Art. 672 ZGB, sondern aus Art. 62 OR abzuleiten pflegen (BGE 104 II 203, BGE 54 II 427; SCHMID N. 17 zu Art. 263 und N. 16 zu Art. 271 OR; vgl. dagegen LIVER, in Schweiz. Privatrecht, Bd. V/1 S. 171 und 175). Im vorliegenden Fall wäre übrigens das Ergebnis selbst dann kein anderes, wenn mit der Vorinstanz auf Art. 672 ZGB abzustellen wäre. Die Verjährung konnte nach Art. 67 OR erst beginnen, als die Klägerin nicht nur die Umbaukosten kannte, sondern zudem wusste, dass der Zuwendungsgrund sich nicht verwirklichte (BGE 82 II 428, BGE 63 II 258; VON TUHR/PETER, OR S. 518). Bei dieser Betrachtungsweise erübrigt sich die Konstruktion einer Hinderung gemäss oder analog Art. 134 OR.
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b) Der Anspruch der Klägerin wurde demnach nicht mit dem Abschluss der Umbauarbeiten, sondern erst mit der Auflösung des Mietverhältnisses Ende März 1974 fällig. Daran ändert nichts, dass nach dem Briefwechsel vom Dezember 1973 und Januar 1974 mit einer Aufgabe der Räume durch die Mieterin auf Ende März zu rechnen war; angesichts der Meinungsverschiedenheit, ob und von wem überhaupt gekündigt wurde, war damit weder die Fälligkeit noch eine hinreichende Kenntnis des Bereicherungsanspruchs gegeben. Mit der Betreibung vom 3. März 1975 wurde sodann die Verjährung unterbrochen (Art. 135 Ziff. 2 OR), und in der Folge ist sie wegen rechtzeitiger Einreichung der Klage unstreitig nicht mehr eingetreten.
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Das Urteil des Obergerichts, das die Verjährung zu Unrecht bejaht hat, ist deshalb aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung der eingeklagten Ersatzforderung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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a) Nach dem angefochtenen Urteil bestreitet der Beklagte eine Ersatzpflicht gemäss Art. 672 Abs. 1 ZGB nicht. Ob diese Annahme zutrifft oder angesichts von Äusserungen in der Klageantwort auf einem Versehen beruht, kann offen bleiben. Der Mieter kann sich für seine Investitionen nicht ohne weiteres auf Art. 672 ZGB berufen; er hat mangels besonderer Abrede selbst dann keinen Anspruch auf Ersatz, wenn der Vermieter die Einbauten bewilligt hat. Dagegen ist ein Bereicherungsanspruch zu bejahen, wenn ein vereinbartes oder ein übereinstimmend vorausgesetztes Mietverhältnis von langer Dauer vorzeitig aufgelöst wird (BGE 104 II 203, BGE 54 II 426; BECKER, N. 9 zu Art. 62 OR; SCHMID, N. 16/17 zu Art. 263 und N. 15/16 zu Art. 271 OR). Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Das Obergericht stellt verbindlich fest, dass beide Parteien nach gemeinsamer Vorstellung mit einem langfristigen Mietverhältnis gerechnet haben. Dass das Mietverhältnis insgesamt 14 Jahre gedauert hat, ist unerheblich; denn für die Amortisation der Investitionen zählt nur die nach deren Vornahme verbleibende Vertragsdauer. Da die Klägerin den eingeklagten Betrag ungefähr hälftig 1966/69 und 1971 für Umbauten aufgewendet hat, ergibt sich bis Ende März 1974 eine restliche Mietdauer zwischen drei und acht Jahren. Angesichts eines Kostenaufwandes von rund Fr. 15'000.- ist aber nicht anzunehmen, dass diese Dauer der gemeinsamen Vorstellung über die Amortisation der Investitionen entsprochen habe.
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b) SCHMID (N. 16 zu Art. 271 OR) gesteht dem Mieter einen Bereicherungsanspruch nur zu, wenn er die vorzeitige Auflösung des Vertrages nicht selbst zu verantworten hat. Nach BGE 54 II 427 entfällt der Anspruch aber nicht schon deswegen, weil der Mieter das Rechtsverhältnis vertragsgemäss gekündigt hat. Gemäss BGE 104 II 203 geht der Mieter dagegen leer aus, wenn er einen auf zehn Jahre fest vereinbarten Vertrag schon im ersten Jahr bricht. Unter dem hier massgebenden Gesichtspunkt kann indes nichts darauf ankommen, ob der Mieter durch die vorzeitige Auflösung zugleich gegen eine vertragliche Kündigungsbeschränkung verstösst; entscheidend ist vielmehr, ob er begründete Veranlassung hatte, das Mietverhältnis aufzulösen. Ist das nicht der Fall, so handelt ein Mieter in der Tat gegen Treu und Glauben, wenn er sich zur Begründung des Bereicherungsanspruchs auf die vorzeitige Vertragsauflösung beruft, die er ausschliesslich selber zu vertreten hat; aus diesem Grund ist ihm in BGE 104 II 203 /4 der Anspruch denn auch verweigert worden.
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Nach dem angefochtenen Urteil steht nicht fest, ob und von welcher Seite das Mietverhältnis gekündigt worden ist; das Obergericht nimmt vielmehr an, das gute Einvernehmen zwischen den Parteien habe sich im Laufe der Jahre getrübt, weshalb von einer Auflösung durch Übereinkunft auszugehen sei. Die Parteien haben sich im Berufungsverfahren mit dieser Annahme abgefunden. Es besteht deshalb kein Anlass, das Obergericht diesbezüglich zu näheren Abklärungen anzuhalten. Die Klägerin machte schon im kantonalen Verfahren vor allem den Sohn des Beklagten für die wachsenden Spannungen verantwortlich, während der Beklagte von "vielen Faktoren" sprach, auf die man nicht näher einzugehen brauche; jedenfalls seien die Reibereien nicht allein auf seinen Sohn zurückzuführen. Selbst aus dieser Darstellung des Beklagten folgt nicht, dass die Klägerin zur vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses schuldhaft beigetragen habe; es widerspricht deshalb auch nicht Treu und Glauben, dass sie sich in der Begründung ihres Anspruches auf diese Auflösung beruft.
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c) Nicht geklärt ist dagegen, ob und in welchem Ausmass der Beklagte bei Vertragsauflösung infolge der Investitionen noch im Sinne von Art. 64 OR bereichert war. Das Obergericht liess ausdrücklich offen, welche Wertvermehrung sich aus den Einbauten ergab und um wieviel sich diese bis Ende März 1974 entwerteten. Vollen Ersatz ihrer Aufwendungen kann die Klägerin entgegen der Auffassung, die ihrem Klagebegehren zugrunde liegt, im vornherein nicht beanspruchen (BGE 104 II 204 Nr. 33). Mit Wertvermehrung meint das Obergericht zudem eine solche im Sinne von Art. 672 Abs. 3 ZGB, die aber durchaus der Bereicherung gemäss Art. 64 OR entspricht. Nach Art. 672 Abs. 2 ZGB kann der Richter freilich auch auf vollen Schadenersatz erkennen, doch dürfte bei Gutgläubigkeit beider Parteien nur die Wertvermehrung auszugleichen sein (BGE 99 II 145, BGE 82 II 290; MEIER-HAYOZ, N. 15 und 20 zu Art. 672 ZGB). Art. 64 OR unterscheidet sich von Art. 672 ZGB aber dadurch, dass er auf den Zeitpunkt nicht des Einbaus, sondern des Vertragsablaufs abstellt; auch daraus erhellt, dass die Art. 62 ff. OR eine bessere Lösung ergeben als Art. 672 ZGB und daher vorzuziehen sind, wenn Mieter und Vermieter sich wie hier über den Ersatz wertvermehrender Aufwendungen streiten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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