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21. Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Mai 1979 i.S. Togal AG gegen Schmidt (Berufung) | |
Regeste |
Art. 736 Ziff. 4 OR. Auflösung einer Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen. |
2. Schwere finanzielle Benachteiligung angenommen. Sie kann auch bei einer blossen Kürzung der Dividenden vorliegen (E. 4, 5). |
3. a) Die Auflösungsklage ist nicht erst dann möglich, wenn die Gesellschaft finanziell ausgehöhlt ist (E. 6a). |
b) Grundsatz der Subsidiarität bzw. der Verhältnismässigkeit der Auflösungsklage: Dass der klagende Minderheitsaktionär mit Hilfe des Richters seine Mitgliedschaftsrechte jeweils durchzusetzen vermochte oder vermocht hätte, schliesst die Auflösungsklage nicht aus, solange die missbräuchliche Haltung der Mehrheit andauert und zu erwarten ist, dass der Kläger auch künftig nur zu seinen Rechten kommt, wenn er regelmässig den Richter anruft (E. 6d). |
4. a) Für die Frage, ob wichtige Gründe vorliegen, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (E. 6a, b). Diese hat von den konkreten Verhältnissen auszugehen (E. 7). |
b) Bei Familiengesellschaften dürfen persönliche Beziehungen der Mitglieder nicht völlig ausser Betracht fallen (E. 7b). |
c) Überwiegendes Interesse der Minderheit an der Auflösung bejaht (E. 7b, c). | |
Sachverhalt | |
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Erwägungen: | |
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Streitig ist vor Bundesgericht einzig, ob die vom Handelsgericht festgestellten Tatsachen als wichtige Gründe die Auflösung der Beklagten zu rechtfertigen vermögen. Das angefochtene Urteil stützt sich dabei einerseits auf Missachtung der Kontrollrechte des Klägers als Aktionär und der Vorschriften über die Einberufung der Generalversammlung und anderseits ![]() | 3 |
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a) Da das Geschäftsjahr der Beklagten mit dem Kalenderjahr zusammenfiel, hätte die Generalversammlung gemäss Art. 699 Abs. 2 OR jeweils spätestens Ende Juni des folgenden Jahres stattfinden sollen. In den ersten Jahren nach dem Mehrheitserwerb durch Smith wurde dieser Vorschrift nicht nachgelebt, so dass es für die vier Geschäftsjahre 1965-1968 eines Einberufungsbegehrens an den Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich bedurfte. Während sich für die Geschäftsjahre 1969-1971 keine Beanstandung ergab, spitzten sich die Dinge für das Geschäftsjahr 1972 zu: Für eine erste Generalversammlung war nicht fristgerecht eingeladen worden, weshalb der Kläger beim Handelsgericht Anfechtungsklage erhob. Weil die Beklagte die in diesem Verfahren vereinbarte Wiederholung der Generalversammlung unterliess, ersuchte der Kläger den Einzelrichter um einen entsprechenden Befehl. Dieser erging, blieb jedoch wirkungslos, worauf der Einzelrichter im Vollstreckungsverfahren die Durchführung der Generalversammlung durch den zuständigen Notar anordnete und Smith in Fr. 100.- Ordnungsbusse verfällte. Die Beklagte rekurrierte sowohl gegen den Befehl wie gegen seine Vollstreckung an das Obergericht, führte dann aber die Generalversammlung durch; ihre Rekurse wurden teils zu ihren Lasten abgeschrieben, teils abgewiesen. Für die Geschäftsjahre 1973-1976 wurde die ordentliche Generalversammlung rechtzeitig abgehalten. Im ![]() | 5 |
b) Im Zusammenhang mit nicht ordnungsgemässer Einberufung der Generalversammlung kam es so zu zwölf gerichtlichen Verfahren. Alle diese Verfahren gingen, wie das Handelsgericht festhält, zugunsten des Klägers aus, wenn nicht durch Gutheissung oder Anerkennung, so doch durch Gegenstandslosigkeit zulasten der Beklagten. Dabei handelte es sich um leichtere Verstösse, die für sich allein keine Auflösung der Beklagten rechtfertigen. Die Verhältnisse haben sich zudem seit 1969 deutlich gebessert, vom Geschäftsjahr 1972 abgesehen, für welches Smith allerdings eine ungewöhnliche Renitenz bekundete. Die Beklagte macht unter Berufung auf Bürgi geltend, in kleinen Familiengesellschaften werde mit Formvorschriften allgemein grosszügig umgegangen. Das mag zutreffen, denn wo ein Vertrauensverhältnis besteht, werden Förmlichkeiten oft als unnötig empfunden. In Fällen aber, in denen ein Vertrauensverhältnis fehlt, weil die persönliche Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern getrübt sind, können und müssen die Formvorschriften eine Schutzfunktion erfüllen. Das trifft auch hier jedenfalls seit dem Mehrheitserwerb durch Smith im Jahre 1965 zu. Dass die Beklagte sich über die erwähnten Bestimmungen so leichtfertig hinwegsetzte, kann daher nicht ausser Acht gelassen werden.
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3. a) Hinsichtlich der Kontrollrechte des Aktionärs insbesondere im Sinne von Art. 696 und 697 OR kam es seit 1965 ebenfalls zu zahlreichen Gerichtsverfahren. So wandte sich der Kläger für die Geschäftsjahre 1965, 1966, 1967, 1969, 1970, 1972 und 1973 an den zuständigen Einzelrichter, um Auskünfte zu erhalten, die ihm an den Generalversammlungen nicht oder nur ungenügend erteilt wurden. Für die Jahre 1965, 1966, 1967 und 1969 waren wegen Nichtbefolgung richterlicher Befehle besondere Vollstreckungsverfahren nötig, wobei es in zwei Fällen zur Bestrafung von Smith wegen Ungehorsams durch das ![]() | 7 |
Auseinandersetzungen dieser Art unterblieben für die Geschäftsjahre 1971 und 1974, weil der Kläger mit Rücksicht auf gerichtliche Vergleichsverhandlungen auf Auskünfte verzichtete, bzw. nicht an der Generalversammlung vertreten war. Für die Geschäftsjahre 1975 und 1976 ist streitig, ob an den Generalversammlungen in Lugano Fragen der Tessiner Anwälte des Klägers gehörig beantwortet wurden. Das Handelsgericht lässt offen, ob der Kläger auf weitere Anrufung des Richters nur deshalb verzichtete, weil nun der Sitz der Beklagten in den Kanton Tessin verlegt war. Einen derartigen Zusammenhang bestreitet die Beklagte. Immerhin erklärt sie selbst, es wären ihr allerhand Schwierigkeiten - offenbar mit den Zürcher Gerichten - erspart geblieben, wenn sie die Sitzverlegung schon früher vorgenommen hätte.
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b) Für die Geschäftsjahre 1965-1973 kam es so zu 21 weiteren gerichtlichen Verfahren. Alle diese Verfahren gingen wiederum zu Ungunsten der Beklagten aus. Schon diese Häufung ist eindrücklich, und besondere Widersetzlichkeit zeigte sich jeweils dort, wo es ausser zu erfolglosen Rekursverfahren auch noch zu Vollstreckungsmassnahmen und Bussen kommen musste. Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass dieses Verhalten der Beklagten bzw. ihres Mehrheitsaktionärs als schwere und anhaltende Missachtung der Rechte des Klägers zu betrachten ist. Smith fühlte sich offenbar angegriffen, weil der Kläger namentlich nach seinen persönlichen Bezügen in den verschiedenen Gesellschaften forschte. Die hartnäckig abwehrende Haltung kann aber weder als blosse Zurückhaltung bezeichnet noch mit Einwänden gerechtfertigt werden, die vom Einzelrichter und vom Obergericht bereits widerlegt wurden. Ebensowenig hilft der Hinweis auf zurückhaltende Auskunftspolitik schweizerischer Handels- und Industrieunternehmungen, nachdem der Kläger sich mit solcher Zurückhaltung nicht abfand und seine Rechte wahren wollte. Darin erblickt die ![]() | 9 |
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a) In tatsächlicher Hinsicht stehen folgende Bezüge aufgrund des angefochtenen Urteils unwidersprochen fest:
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- Das Togalwerk Lugano richtete von 1965 bis 1973 an Smith Fr. 700'000.- an festen Vergütungen und Fr. 440'000.- an Tantiemen aus. Es richtete der Beklagten als Alleinaktionärin vorerst keine Dividende, seit 1968 eine solche von jährlich Fr. 3'200.- (4%) aus.
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- In den gleichen Jahren 1965 bis 1973 schüttete die Beklagte (ausgenommen 1967) insgesamt Dividenden von Fr. 575'000.- oder durchschnittlich Fr. 64'000.- jährlich aus, wovon ordnungsgemäss zwei Drittel an Smith und ein Drittel an den Kläger fielen. Ausserdem bezog Smith von der Beklagten 1970 bis 1973 Tantiemen von insgesamt Fr. 250'000.-.
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- Die Bezüge Smiths aus den drei Konzerngesellschaften beliefen sich in den letzterfassten vier Jahren 1970-1973 auf insgesamt Fr. 1'004'600.- oder pro Jahr durchschnittlich Fr. 251'150.-. Nicht berücksichtigt sind die Dividendenleistungen an Smith und ebensowenig die Spesenvergütungen der drei Gesellschaften an Smith mit einem Jahresdurchschnitt von Fr. 15'000.- und jährliche Verwaltungsvergütungen der Beklagten an Smith, die nur für 1972 mit Fr. 6'000.- bekannt sind.
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- Die Verhältnisse nach 1973 sind nur ungenügend bekannt und daher nicht berücksichtigt worden.
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b) Nach der Berufung kann von schwerer finanzieller Benachteilung nur dann die Rede sein, wenn infolge unangemessener Bezüge der geschäftsführenden Mehrheitsaktionäre ein Reingewinn und damit auch eine Dividende entfällt und die Minderheit deshalb leer ausgeht. Die Beklagte beruft sich dafür auf den grundlegenden BGE 67 II 162 ff., welcher diesen Fall jedoch ausdrücklich (S. 165) nur als Beispiel anführt, und gleiches gilt für die von der Beklagten zitierte Literatur. Die Minderheit kann wie durch Wegfall auch durch Kürzung der Dividenden benachteiligt werden, wenn dies missbräuchlich erfolgt und insbesondere auf übermässige Bezüge der Mehrheit zurückzuführen ist (vgl. a. FUNK, Komm. des Obligationenrechtes, II, N. 5 zu Art. 736 Mitte). Hier geht der Hinweis in der Korrespondenz Bürgis fehl, dass sich ein Aktionär zulasten seiner Dividende Abschreibungen und Rückstellungen gefallen lassen muss; bemängelt werden nicht Reservebildungen im Interesse der Gesellschaft, sondern es geht um den Vorwurf persönlicher Bereicherung des geschäftsführenden Mehrheitsaktionärs.
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Die Beklagte richtete fast immer eine beträchtliche Dividende aus, an welcher der Kläger anteilsgemäss partizipierte; diese Zahlungen sind daher nicht weiter zu berücksichtigen. Dagegen ist von Bedeutung, dass sich die persönlichen Bezüge Smiths als Verwaltungsvergütungen und Tantiemen auf den Reingewinn der Unternehmungen und letztlich auf die Dividendenausschüttung der Beklagten auswirkten. So richtete das Togalwerk Lugano, wie erwähnt, seit 1967 an Smith allein an Tantiemen total Fr. 440'000.- aus, während für Dividenden ![]() | 18 |
c) Derartige Vergütungen an Mitglieder der Verwaltung müssen ausser durch die finanzielle Lage der Gesellschaft auch durch die Tätigkeit der Verwaltungsräte gerechtfertigt sein (BGE 86 II 163, BGE 84 II 553 E. 2). Das angefochtene Urteil hebt zu Recht diesen Gesichtspunkt besonders hervor. Die Verwaltung der Beklagten wird durch das Togalwerk Lugano geführt und stellt offenbar keine grossen Anforderungen; Smith bezog dafür eine zusätzliche Verwaltungsentschädigung, die vorstehend mangels genügender Zahlen unberücksichtigt blieb. Die Tätigkeit konzentriert sich offensichtlich beim Togalwerk Lugano, bei dem es sich aber ebenfalls um einen Kleinbetrieb mit nur etwa zehn vollbeschäftigten Angestellten handelt und bei welchem die Bezüge von Smith allein zwei Drittel der Gesamtlohnsumme ausmachen. Wie stark Smith als Verwaltungsrat und Geschäftsführer durch das Togalwerk Wien beansprucht wurde, ist weder von der Vorinstanz festgestellt noch mit der Berufung dargelegt; nachdem seine Bezüge dort erheblich geringer waren als im Togalwerk Lugano, kann angenommen werden, sein dortiger Einsatz halte sich in einem bescheideneren Rahmen.
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Nach Meinung der Beklagten waren die festgestellten Bezüge Smiths für die Führung der drei Unternehmungen nicht übermässig; verglichen mit den üblichen Bezügen der Leiter schweizerischer Unternehmungen seien jährliche Durchschnittsbezüge von Fr. 174'000.- nicht übersetzt. Der genannte Durchschnitt trifft zwar für die neun Jahre ab 1965 zu, doch ergibt sich ein wesentlich höherer Jahresdurchschnitt von über Fr. 250'000.-, wenn nur die letzterfassten vier Jahre 1970-1973 berücksichtigt werden. Vergleiche mit andern Unternehmungen scheitern sodann schon daran, dass die Berufung alle konkreten Angaben vermissen lässt, die einen Vergleich erlauben ![]() | 20 |
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a) Smith bewohnt mit seiner Familie die der Togalwerk Lugano gehörende Villa Maria-Luisa in Lugano-Massagno, welche elf Zimmer mit Nebenräumen enthält und in einem Park von 6273 m2 liegt. Dass die Jahresmiete von Fr. 13'800.- dafür bescheiden ist, wird vom angefochtenen Urteil verbindlich festgestellt und kann nicht mit dem Hinweis widerlegt werden, die Eidg. Steuerverwaltung habe diese Bewertung anerkannt. Eine Vergünstigung liegt sodann unbestritten darin, dass der genannte Mietzins von 1965 bis 1976 unverändert blieb. Als schwerwiegend betrachtet aber offenbar auch die Vorinstanz dieses Mietverhältnis nicht.
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b) Nach dem angefochtenen Urteil liess sodann Smith 1965 seine persönliche Bankschuld von 2,4 Millionen Franken durch die Beklagte übernehmen. Diesem Vorgang kommt heute keine Bedeutung mehr zu, nachdem Smith auf Einspruch des Klägers den entsprechenden Kredit schon 1966 zurückzahlte.
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c) Dagegen schuldet Smith der Beklagten seit 1965 Fr. 123'300.- bzw. seit 1967 Fr. 267'100.- zum (damals) vorteilhaften Zinsfuss von 4 1/2%. Obschon an der Generalversammlung über das Geschäftsjahr 1967 eine Reduktion dieser Position in Aussicht gestellt wurde, unterblieb diese, und es wurde seither gegenteils auch der Zins jeweils zum Kapital geschlagen, das sich bis Ende 1973 bereits auf Fr. 363'300.- belief. Dieses Darlehen verstösst nach Ansicht des Handelsgerichts gegen den statutarischen Zweck der Beklagten und bedeutet einen finanziellen Vorteil, den Smith dank seiner Mehrheitsstellung erlangte. Die Beklagte hält eine solche Darlehensgewährung unter den gegebenen Umständen für durchaus üblich, und auch der Kläger misst ihr mehr nur "als Teil des Mosaiks" Bedeutung zu. Auch hier kann nicht von einem schwerwiegenden Verhalten gesprochen werden, doch lässt dieses ![]() | 24 |
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a) Die Beklagte hält dem entgegen, dass es sich bei der Auflösungsklage um ein ganz ausserordentliches Rechtsmittel handle. Wie sich aus dem von ihr angerufenen BGE 67 II 162 ff. ergibt, ist damit nichts anderes gemeint, als dass an das Erfordernis wichtiger Gründe mit Rücksicht auf die entgegenstehenden Interessen ein strengen Massstab anzulegen ist, was auch der Kläger gelten lässt, und dass dabei der Grundsatz der Subsidiarität oder der Verhältnismässigkeit des Mittels zu wahren ist. Wenn der genannte Entscheid zudem vom Verlust der inneren Existenzberechtigung einer AG spricht (S. 165), wird das nicht zur selbständigen Auflösungsvoraussetzung erhoben, sondern werden damit Gesellschaften beurteilt, in welchen ausschliesslich oder vorwiegend Privatinteressen der Mehrheit verfolgt werden. Es braucht deshalb mit einer Auflösungsklage auch nicht zugewartet zu werden, bis die Gesellschaft finanziell bereits ausgehöhlt ist; wichtige Gründe müssen nach Art. 736 Ziff. 4 OR nicht auf finanziellem Gebiet liegen. Es kommt daher auch nichts darauf an, welche Reserven die Beklagte noch besitzt.
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Wie bei anderen gesetzlichen Bestimmungen, die auf das Vorliegen wichtiger Gründe abstellen, ist der Einzelfall nach Recht und Billigkeit zu beurteilen (Art. 4 ZGB); dabei bedarf es nach zutreffender Ansicht der Vorinstanz stets der ![]() | 27 |
b) Für diese Interessenabwägung ist von besonderer Bedeutung, dass Art. 736 Ziff. 4 OR schon nach seiner Entstehungsgeschichte vor allem den Schutz der Minderheit gegen Machtmissbrauch der Mehrheit gewährleisten soll (BGE 67 II 165; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, a.a.O., S. 275, N. 14; BÜRGI, N. 39 zu Art. 736 OR). Unter diesem Gesichtspunkt fallen auch Individualinteressen eines Minderheitsaktionärs in Betracht. Dass das Minderheitsinteresse nicht allzu geringfügig ist, wird vom Gesetz selbst durch die Einführung eines Quorums (Fünftel des Aktienbesitzes) sichergestellt. Umso weniger darf durch allzu restriktive Auslegung diese Form des Minderheitsschutzes praktisch um die ganze Wirksamkeit gebracht werden, worauf namentlich TERCIER zutreffend hinweist (a.a.O., insbes. S. 70 und 72).
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c) Diesem Minderheitsinteresse an der Auflösung steht ein gewichtiges Interesse der Gesellschaft bzw. ihrer Mehrheit am Fortbestand gegenüber. Zutreffend geht auch das Handelsgericht davon aus, dass eine Auflösung regelmässig nur in Betracht kommt, wenn der Kläger den Missstand nicht durch andere, weniger einschneidende Mittel beheben kann, so durch die Anfechtungs- oder Verantwortlichkeitsklage. In diesem Sinn bezeichnen Lehre und Rechtsprechung die Auflösung als "ultima ratio", unterstellen sie der Subsidiarität oder setzen für sie Verhältnismässigkeit voraus (BGE 67 II 165 f., BGE 84 II 47, BGE 104 II 35; für Verhältnismässigkeit insb. TERCIER, a.a.O., S. 73). Dem trägt das Handelsgericht nach der Berufung zu wenig Rechnung, weil der Kläger die Generalversammlungsbeschlüsse über die Gewinnverteilung und über die Entlastung hätte anfechten und die Verwaltung auf Schadenersatz hätte belangen können. Die geschilderte Rechtsprechung verzichtet aber mit guten Grund auf ein absolutes Erfordernis, sondern formuliert nur eine Regel, die Ausnahmen durchaus zulässt; das ergab sich schon aus BGE 67 II 166, wurde dann in BGE 84 II 47 ausdrücklich hervorgehoben und wird namentlich von BÜRGI betont (N. 43, a.a.O.). Auch dieser bezeichnet zwar die Auflösungsklage als "ultima ratio", sieht darin aber "den fast ![]() | 29 |
d) Nach diesen Grundsätzen ist zu prüfen, ob dem Kläger Rechtsbehelfe offen gestanden hätten und zuzumuten waren, die geeignet waren, die genannten Missstände ohne Auflösung der Beklagten zu beseitigen. Dass der Kläger alles Zumutbare getan hat, um sein Auskunftsrecht und seinen Anspruch auf gehörige Einberufung der Generalversammlung durchzusetzen, bestreitet zu Recht auch die Beklagte nicht; wie dargelegt, kam es zu über dreissig Gerichtsverfahren, darunter zu drei Anfechtungsklagen. Die Beklagte verneint aber einen Auflösungsgrund, weil die Anrufung des Richters dem Kläger jeweils zu seinen Rechten verholfen habe. Dieses Argument verkennt die Intention des Art. 736 Ziff. 4 OR. Die Auflösungsklage soll dann eingesetzt werden, wenn die untragbaren Verhältnisse in der Aktiengesellschaft anders praktisch nicht zu beseitigen sind. Untragbar ist vorliegend die Einstellung der Mehrheit der Beklagten, welche durch eine langjährige Rechtsverweigerung eine missbräuchliche Haltung an den Tag legt. Wohl konnten die einzelnen Verstösse mit Hilfe des Richters behoben werden, dagegen vermochten diese Prozesse infolge einer aussergewöhnlichen Uneinsichtigkeit des Mehrheitsaktionärs an der grundsätzlichen Einstellung der Beklagten ihrem Minderheitsaktionär gegenüber offensichtlich nichts zu ändern. Nichts rechtfertigt daher die Erwartung, der Kläger werde künftig zu seinem Recht kommen, ohne Jahr für Jahr richterliche Hilfe zu beanspruchen. Das ist ihm nicht zuzumuten.
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Ähnlich liegen die Dinge im Zusammenhang mit den Bezügen des Mehrheitsaktionärs. Hier möchte die Beklagte den Kläger auf die Anfechtung von Gewinnverteilungs- und Entlastungsbeschlüssen und auf Schadenersatzklagen verweisen, wovon der Kläger bisher nicht Gebrauch gemacht hat. Nun belegt aber das Verhalten der Beklagten zum Auskunftsrecht des Klägers eindrücklich, dass sie sich auch durch ihr ungünstige Gerichtsentscheide nicht nachhaltig beeindrucken und belehren lässt. Rechtsschritte gegen die Bezüge von Smith hätten daher ebensowenig einen bleibenden Erfolg erzielt, sondern ![]() | 31 |
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a) Die Beklagte verteidigt ihren Mehrheitsaktionär mit der Behauptung, dieser habe als Laie und von seinem Recht Überzeugter fest daran geglaubt, er werde in dem im Tessin anhängigen Prozess mit seiner Darstellung obsiegen, dass der Kläger ihm seinen Aktienanteil verkauft habe; auch wenn das nach dem Prozessausgang nicht zutreffe, habe er sich dem Kläger gegenüber, den er nicht mehr als Aktionär anerkannt habe, doch weitgehend frei gefühlt, sei daher gutgläubig gewesen. Ein solcher Einwand wurde indessen bereits im ersten Auskunftsverfahren zum Geschäftsjahr 1965 zurückgewiesen. Der behauptete Kaufvertrag konnte Smith keinen berechtigten Anlass geben, sich vor einer entsprechenden Gutheissung seiner im Tessin hängigen Klage als Eigentümer der Aktien des Klägers zu gebärden.
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b) Das Handelsgericht lehnt zwar zu Recht eine "Culpa-Kompensation" ab, doch lässt sich das Verhalten der Mehrheit ohne Rücksicht auf dasjenige der Minderheit nicht abschliessend ![]() | 34 |
c) Dem Auflösungsinteresse des Klägers steht das Interesse der Beklagten oder zutreffender ihrer Mehrheit am Fortbestand der Gesellschaft gegenüber. Dabei sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer Auflösung zu berücksichtigen, von welchen allenfalls auch Dritte betroffen werden können (BGE 104 II 35, BGE 95 II 164). Dieses Kollektivinteresse ist aber nicht generell dem Individualinteresse der Minderheit vorzuziehen, sondern diesem im Prinzip gleichwertig (so namentlich ![]() | 35 |
Nachdem feststeht, dass Smith seine Stellung als Mehrheitsaktionär in der beklagten Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht ![]() | 36 |
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