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35. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Mai 1979 i.S. "Waadt"-Versicherungen, Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (Berufung) | |
Regeste |
Motorfahrzeughaftpflicht |
- Verteilung des Schadens auf die beteiligten Haftpflichtigen gemäss Art. 60 Abs. 2 SVG (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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In der Folge richtete der Bund als Arbeitgeber Bischofs dessen Witwe sowie dem von ihm hinterlassenen Sohn Lukas die in Art. 73 der Angestelltenordnung (SR 172.221.104) vorgesehenen Leistungen aus. Die Witwe Bischofs trat deshalb in ihrem eigenen Namen sowie im Namen ihres Sohnes Lukas im Sinne von Art. 73 Abs. 6 der Angestelltenordnung die Ansprüche auf Ersatz der Bestattungskosten und des Versorgerschadens gegen einen allfällig haftpflichtigen Dritten an den Bund bis auf die Höhe dessen Leistungen ab.
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B.- Im Februar 1978 erhob die Schweizerische Eidgenossenschaft gegen die "Waadt"-Versicherungen, Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, den Haftpflichtversicherer des Lastwagenhalters Kressig, Klage auf Zahlung von Fr. 428'893.- nebst Zins. Damit machte sie den Versorgerschaden der Witwe Bischofs, seines Sohnes Lukas sowie den Ersatz der Beerdigungskosten geltend.
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Mit Urteil vom 12. Juli 1978 hiess das Kantonsgericht von Graubünden die Klage zur Hälfte, nämlich im Betrage von Fr. 214'446.50 nebst Zins, gut.
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C.- Gegen das kantonsgerichtliche Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerin stellt den Antrag auf Verwerfung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Vorinstanz berechnet den infolge des Todes von Raimund Bischof entstandenen Schaden, nämlich den Versorgerschaden seiner Witwe und seines Sohnes Lukas, auf über Fr. 428'893.-. Diese Schadensberechnung wird von der ![]() | 7 |
Die Klägerin, Zessionarin der Geschädigten, belangt die Beklagte als Versicherer des Lastwagenhalters Kressig. Sie stützt sich damit auf Art. 65 SVG, wonach dem Geschädigten im Rahmen der vertraglichen Versicherungsdeckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen den Versicherer zusteht.
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Am in Frage stehenden Unfall war der Lastwagen Kressigs beteiligt. Unbestritten ist, dass den Führer des Lastwagens kein Verschulden trifft, dass auch höhere Gewalt als Unfallursache ausscheidet und dass schliesslich der Lastwagen in betriebsbereitem Zustand war. Zu prüfen ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 59 Abs. 1 SVG somit nur noch, ob Bischof den Unfall durch grobes Verschulden verursacht habe. Die Beklagte behauptet dies sinngemäss, indem sie vorträgt, Bischof habe elementare ![]() | 11 |
Das angefochtene Urteil hält fest, dass das von Bischof gesteuerte Fahrzeug auf die linke Fahrbahnhälfte geraten sei. Gemäss den eingeholten Gutachten sei der Unfall nicht auf einen technischen Mangel des Bundesfahrzeuges zurückzuführen. Ausser Betracht falle auch, dass Bischof im kritischen Zeitpunkt geblendet worden sei. Aber auch ein menschliches Versagen seitens Bischofs sei nicht ersichtlich. Weder habe dieser ein unbedachtes Überholmanöver ausführen wollen, noch sei er übermüdet oder alkoholisiert gewesen, noch gebe es Anhaltspunkte für Selbstmord. Auf Grund des Berichtes des medizinischen Sachverständigen sei es aber möglich, dass Bischof wegen der Residuen einer abgelaufenen Herzmuskelentzündung von einem Unwohlsein oder einer Bewusstlosigkeit befallen worden sei und dass das zum Unfall geführt habe. Gewissheit darüber bestehe indes nicht, doch komme eine Bewusstlosigkeit Bischofs mit "einiger Wahrscheinlichkeit" als Unfallursache in Frage.
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Aus diesen vom Kantonsgericht festgestellten Umständen folgt, dass die Urteilsfähigkeit Bischofs im Zeitpunkt des Unfalles nicht erstellt ist. Auf Grund der im Interesse des Geschädigten aufgestellten besonderen Beweislastvorschrift des Art. 59 Abs. 1 SVG hat die Beklagte das grobe Verschulden und damit auch die Urteilsfähigkeit Bischofs im Zeitpunkt des Unfalles zu beweisen. Sie beruft sich deshalb in diesem Zusammenhang vergeblich darauf, dass nach Art. 16 ZGB die Urteilsfähigkeit Bischofs zu vermuten sei. Auf der Hand liegt zwar, dass Bischof objektiv eine Verkehrsregel verletzte, indem er sein Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn geraten liess (Art. 34 Abs. 1 SVG), und damit rechtswidrig handelte. In subjektiver Hinsicht setzt ein Verschulden zwar nicht voraus, dass sich Bischof dieser Rechtswidrigkeit bewusst war (BGE 91 II 42, BGE 82 II 317 E. 3). Zu einem solchen gehörte aber, dass er eine ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzte und in bezug darauf auch urteilsfähig war (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Zürich 1975, S. 142 und 154; vgl. BGE 104 II 98 E. 2, BGE 97 II 126 E. 2 und 3, BGE 93 II 341 E. 6, BGE 91 II 189 E. 2c). Gerade ![]() | 13 |
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b) Nach Art. 60 Abs. 2 SVG ist der Schaden auf die beteiligten Haftpflichtigen unter Würdigung aller Umstände zu verteilen, wobei in erster Linie das von den betreffenden Motorfahrzeughaltern zu vertretende Verschulden massgebend sein soll, es sei denn, "besondere Umstände, namentlich die Betriebsgefahren", rechtfertigten eine andere Verteilung.
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Auszugehen ist nach dem Gesagten davon, dass keiner der Halter der am Unfall beteiligten Fahrzeuge ein Verschulden zu vertreten hat. Abzustellen ist somit nach Art. 60 Abs. 2 SVG "namentlich" auf die Betriebsgefahren der Unfallfahrzeuge. In diesem Zusammenhang machen die Beklagten mit der Berufung geltend, dass nicht auf die latente, sondern allein auf die verwirklichte Betriebsgefahr abzustellen sei. Demgemäss dürfe nur die Betriebsgefahr des von Bischof gelenkten Fahrzeuges als für den Schaden kausal betrachtet werden. Für die Verwirklichung ![]() | 16 |
In Anbetracht des fehlenden Verschuldens beider Fahrzeugführer und der erheblich höheren verwirklichten Betriebsgefahr des Lastwagens erscheint die von der Vorinstanz vorgenommene hälftige Aufteilung des Schadens auf die Fahrzeughalter als angemessen. Das fährt zur Abweisung der Berufung und zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Ergibt sich somit, dass Bundesrecht nicht verletzt ist, so spielt auch keine Rolle, dass die Vorinstanz Art. 60 SVG in seiner alten Fassung zitiert.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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