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39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juli 1979 i.S. Landschaft und Gemeinde Davos gegen Schumacher (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Rechtsnatur der Beziehungen zwischen einer öffentlichen Anstalt und deren Benützern. | |
Sachverhalt | |
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B.- Im Mai 1976 musste das EWD in der Transformatorenstation "Meierhof" Sicherungen ersetzen lassen, weil die Freileitungsdrähte von Lastwagen mit aufgekippten Ladebrücken berührt worden waren, was Kurzschlüsse zur Folge hatte. Als Ursache bezeichnete das EWD den Umstand, dass Hans Schumacher unter seiner elektrischen Hauszuleitung mit einer Terrainaufschüttung begonnen habe, ohne das Werk zu benachrichtigen. Aus Sicherheitsgründen wurde in der Folge die betreffende Freileitung verlegt. Gestützt auf Art. 6 Ziff. 10 des Reglementes vom 12. Januar 1961 stellte das EWD Hans Schumacher am 28. Oktober 1976 für diese Verlegungsarbeiten Rechnung in der Höhe von Fr. 2'811.65. Schumacher lehnte die Bezahlung des geforderten Betrags ab.
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C.- Mit Klageschrift vom 25. Juli 1977 erhob das EWD beim Bezirksgerichtspräsidium Oberlandquart gegen Hans Schumacher Klage auf Bezahlung von Fr. 2'811.65. Mit Entscheid vom 10. Februar 1978 erklärte sich der Gerichtspräsident als unzuständig. Eine Beschwerde des EWD gegen diesen Entscheid wurde vom Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 13. Juli 1978 abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, die Forderung des EWD stütze sich auf öffentliches Recht, so dass die Zivilgerichte zu deren Beurteilung nicht zuständig seien.
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D.- Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses führt die Landschaft und Gemeinde Davos staatsrechtliche Beschwerde. Für den Fall der Unzulässigkeit dieses Rechtsmittels beantragt sie, ihre Eingabe sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen.
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Hans Schumacher beantragt die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde bzw. der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Das Bundesgericht nimmt die Eingabe als Nichtigkeitsbeschwerde entgegen und weist sie ab.
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2. Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend ausgeführt wird, stellt das EWD eine unselbständige Anstalt des öffentlichen Rechts dar, die als Versorgerin der Gemeinde mit Elektrizität eine öffentliche Aufgabe erfüllt. Das EWD untersteht somit dem öffentlichen Recht. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass auch das Verhältnis zwischen dem Werk und den Energiebezügern vom öffentlichen Recht beherrscht sei. Die Frage nach der Rechtsnatur der Beziehung zwischen einer öffentlichen Anstalt und deren Benützern ist vielmehr kontrovers. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 76 II 104 /105) ist diese Beziehung dann öffentlichrechtlicher Natur, wenn durch sie ein besonderes Gewaltverhältnis begründet wird, kraft dessen die Anstalt dem Benützer gegenüber mit obrigkeitlicher Gewalt ausgestattet ist, was in jedem Einzelfall anhand der konkreten Ausgestaltung der Benützungsordnung zu entscheiden ist. Als Gesichtspunkte gelten dabei insbesondere die unmittelbare Verfolgung öffentlicher Zwecke, im Vergleich zu denen die Absicht auf Erzielung eines Gewinnes von untergeordneter Bedeutung erscheint, sowie die einseitige, unabänderliche Regelung der Anstaltsbenützung durch Gesetz oder Verwaltungsverordnung, im Gegensatz zur freien Bestimmbarkeit der gegenseitigen Beziehungen der Beteiligten auf dem Boden der Gleichberechtigung. Bei einem Elektrizitätswerk kommt es vor allem darauf an, wie zwischen der Anstalt und den Bezügern die Bedingungen für die Stromlieferungen festgelegt werden. Erfolgt dies einseitig durch die Anstalt in zum vornherein feststehenden Bestimmungen in der Weise, ![]() | 8 |
Diese Rechtsprechung, die dem angefochtenen Entscheide zugrunde liegt und die von der Lehre im wesentlichen gebilligt wird (vgl. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 118/119; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung 5. Aufl., Bd. II Nr. 139), wird mit der Beschwerde nicht beanstandet. Die Beschwerdeführerin macht vielmehr geltend, die Vorinstanz habe die genannten Kriterien auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet.
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3. Ausgangspunkt für die rechtliche Qualifizierung des Verhältnisses zwischen dem EWD und dem Beschwerdegegner bildet nach dem Gesagten somit die Benützungsordnung des EWD. Diese ist in dem vom Grossen Landrat erlassenen Reglement für die Abgabe elektrischer Energie des EWD vom 12. Januar 1961 niedergelegt. Nach seinem Art. 1 Ziff. 1 Abs. 1 bilden das Reglement, die gestützt darauf erlassenen Vorschriften und die jeweiligen Tarife die Grundlage für das Rechtsverhältnis zwischen dem EWD und dessen Energiebezügern. Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass das Gemeinwesen die Bedingungen des Energiebezuges einseitig, und zwar kraft eines Hoheitsaktes, festsetzt. Diesen Bedingungen sind die Energiebezüger unterworfen, auch wenn sie mit ihnen nicht einverstanden sind. Das EWD tritt somit seinen Kunden nicht auf dem Boden der Gleichberechtigung gegenüber, sondern als übergeordnete Instanz. Das folgt auch aus einzelnen besonderen Bestimmungen des Reglements. So setzt das EWD nach Art. 4 Ziff. 1 die technischen Anschlussbedingungen von sich aus fest. Ferner ist der Grosse Landrat nach Art. 14 berechtigt, das Reglement unter Beobachtung einer zweimonatigen Frist jederzeit abzuändern. Nach Art. 11 kann der Grosse Landrat auch die Tarife jederzeit abändern, wobei eine Frist von drei Monaten einzuhalten ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann darin nicht ein Kündigungsrecht des Werkes erblickt ![]() | 10 |
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5. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin spricht vor allem Art. 1 Ziff. 2 des Reglementes für die privatrechtliche Natur des Benützungsverhältnisses. Nach dieser Bestimmung kann das EWD in besonderen Fällen, z.B. für die Energielieferungen ![]() | 12 |
Im vorliegenden Fall setzt das Reglement aber nicht nur die Normalbedingungen fest, die lediglich subsidiär, unter Vorbehalt abweichender Vereinbarung, gelten sollen. Für den Normalbezüger - und um solche handelt es sich bei der grossen Mehrheit der Kunden des EWD - sind das Reglement und die gestützt darauf erlassenen Tarife vielmehr unabdingbar. Nur in ganz besonderen Fällen darf davon abgewichen werden. Dass für die Energielieferung an Grossbezüger, für provisorische Anschlüsse und dergleichen besondere Anschlussbedingungen festgesetzt und spezielle Energielieferungsverträge abgeschlossen werden dürfen, liegt in der Natur der Sache und ist unvermeidlich, können doch diese Bedingungen für solche Anschlüsse anders als diejenigen für Normalbezüger schon aus technischen Gründen nicht ein für allemal zum voraus in einem Reglement niedergelegt werden. Dass das EWD die Möglichkeit hat und haben muss, in besonderen Fällen mit seinen Kunden Vereinbarungen über den Energiebezug abzuschliessen, bildet somit keinen Beweis für die privatrechtliche Natur des Benutzungsverhältnisses.
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Soweit in BGE 76 II 106 bei der Beurteilung eines Reglementes, dessen Wortlaut nicht bekannt ist, eine abweichende Ansicht vertreten wurde, ist daran nicht festzuhalten. Im übrigen erklärt sich jener Entscheid aus dem Bedürfnis, dem Anstaltsbenützer zu ermöglichen, seine allfälligen Ansprüche gegen die Anstalt vor dem Zivilrichter geltend zu machen, da damals die Verwaltungsgerichtsbarkeit noch wenig entwickelt war (GRISEL, a.a.O., S. 119). Diese Überlegung hat aber an Gewicht verloren, seitdem es in den meisten Kantonen Verwaltungsgerichte gibt, die auf die Beurteilung von öffentlichrechtlichen Streitigkeiten spezialisiert sind.
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