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45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. November 1979 i.S. CSS Computer System Supplies AG gegen Feller AG, CCS Computer Consulting Services GmbH, Zivilgerichtspräsidenten und Obergericht des Kantons Glarus (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 168 OR. Gerichtliche Hinterlegung einer streitigen Forderung. |
2. Der Schuldner hat die Identität der streitigen Ansprüche zumindest glaubhaft zu machen, wenn die Voraussetzungen der Hinterlegung nach kantonalem Recht vom Richter vorfrageweise zu prüfen sind (E. 2). |
3. Erwächst ein Prozessvergleich über gegenseitige Forderungen in Rechtskraft, so kann der Schuldner die Vergleichssumme nicht mit der Begründung hinterlegen, dass ein Dritter sie ebenfalls beansprucht (E. 3). |
4. Der Richter handelt willkürlich, wenn er die Hinterlegung gleichwohl bewilligt (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Bereits am 20. April 1978 teilte die Konkursverwaltung der CCS Computer Consulting Services GmbH in Ascona (CCS Ascona) den Parteien mit, dass ein allfälliges Guthaben der CSS Glarus von der Konkursmasse beansprucht werde. Da die Beteiligten sich nicht verständigen konnten, ersuchte die Feller AG am 16. August 1978 den Richter, den von ihr noch geschuldeten Betrag im Sinne von Art. 168 Abs. 1 OR hinterlegen zu dürfen.
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B.- Mit Verfügung vom 25./28. August 1978 hiess der Zivilgerichtspräsident von Glarus dieses Gesuch gut und stellte fest, dass der streitige Betrag von Fr. 37'390.50 bereits bei der Glarner Kantonalbank hinterlegt war. Er setzte der Konkursmasse der CCS Ascona zehn Tage Frist ab zweiter Gläubigerversammlung, um ihren Anspruch im Prätendentenprozess geltend zu machen, andernfalls die hinterlegte Summe zugunsten der CSS Glarus freigegeben würde.
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Die CSS Glarus führte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Obergericht des Kantons Glarus am 27. November 1978 abgewiesen wurde.
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C.- Die CSS Glarus hat gegen die Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten und den Entscheid des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde eingelegt mit den Anträgen, sie wegen Verletzung von Art. 4, 22ter und 61 BV aufzuheben und der Feller AG die Hinterlegung des Betrages zu verweigern.
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Die Feller AG und die kantonalen Instanzen beantragen, die Beschwerde abzuweisen, während nach Auffassung der Konkursmasse der CCS Ascona darauf nicht einzutreten ist.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Konkursmasse der CCS Ascona hat in dem von ihr angestrengten Prätendentenprozess darauf beharrt, dass die ![]() | 7 |
Das Obergericht durfte die Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten gemäss Art. 336 ZPO nur in beschränktem Masse überprüfen. In solchen Fällen kann nach der Rechtsprechung neben dem Kassationsentscheid auch das Sachurteil, das ihm vorangegangen ist, mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, und zwar auch mit Rügen, die im Kassationsverfahren nicht erhoben werden konnten (BGE 100 Ia 123 und 267 mit Hinweisen).
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Die Beschwerdeführerin wirft den kantonalen Instanzen ausser Willkür im Sinne von Art. 4 BV insbesondere vor, ihr für die Dauer der Hinterlegung die freie Verfügung über ihren Anspruch entzogen zu haben, was einem verkappten Arrest gleichkomme und mit der Eigentumsgarantie gemäss Art. 22ter BV nicht zu vereinbaren sei. Durch die gerichtlich bewilligte Hinterlegung werde zudem ihr Rechtsöffnungsanspruch gefährdet und die Vollstreckung eines rechtskräftigen zürcherischen Zivilurteils entgegen der Vorschrift des Art. 61 BV durch die Glarner Gerichte verunmöglicht. Diese Vorwürfe haben indes keine selbständige Bedeutung. Halten die angefochtenen Entscheide vor Art. 4 BV stand, so können sie auch nicht gegen die Eigentumsgarantie oder gegen den Anspruch auf interkantonale Vollstreckung eines Zivilurteiles verstossen.
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Die Kantone, die im übrigen das Verfahren bestimmen, können demnach das Hinterlegungsverfahren auf die Bezeichnung der Hinterlegungsstelle beschränken und die Prüfung der materiellrechtlichen Hinterlegungsgründe gänzlich dem ordentlichen Richter überlassen (so Tessin in SJZ 59/1963, S. 58 Nr. 19; Genf in Sem. jud. 70/1948, S. 174). Das kantonale Recht kann den Hinterlegungsrichter statt dessen anweisen, vorfrageweise das Bestehen von Hinterlegungsgründen zu prüfen (so schon OSTERTAG in SJZ 19/1923, S. 353; STAEHELIN, a.a.O., S. 229/30; BIEDERMANN, a.a.O., S. 120, 128, 147; als Beispiel § 220 zürch. ZPO). Dabei darf jedoch nicht mehr als blosse Glaubhaftmachung verlangt und das Hinterlegungsgesuch nur dann abgewiesen werden, wenn es offensichtlich unbegründet ist. Anders würde der Schuldner ernstlich benachteiligt, weil die Verweigerung der Hinterlegung ihn endgültig dieser Erfüllungsmöglichkeit beraubt, während der Gläubiger sich wie dargelegt über eine zu Unrecht bewilligte Hinterlegung hinwegsetzen kann.
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Das Glarner Prozessrecht enthält keine besonderen Bestimmungen über das Hinterlegungsverfahren. Das Obergericht legt jedoch dar, dass bei einer Hinterlegung auf Grund von Art. 168 OR Identität der streitigen Ansprüche vorliegen und zumindest glaubhaft gemacht werden müsse. Es wird von keiner Seite bestritten, dass demnach dem Glarner Hinterlegungsrichter eine vorläufige Prüfung der materiellrechtlichen Hinterlegungsgründe obliegt. Zu Recht besteht sodann Übereinstimmung darin, das Art. 168 OR unbekümmert darum Anwendung findet, ob der Streit zwischen den beiden angeblichen ![]() | 13 |
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a) Der Vergleich, auch der gerichtliche, ist ein Vertrag, mit dem ein Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Zugeständnissen beigelegt wird (BGE 100 II 27 E. 1b und 144/5, BGE 95 II 423 /4 mit Hinweisen). Dabei ersetzen die Parteien ein bestehendes Rechtsverhältnis häufig im Sinne von Art. 116 OR durch ein neues. Das gilt namentlich dann, wenn sie sich bei einem komplexen Rechtsverhältnis, wie hier, auf eine Saldozahlung einigen, beide Parteien also auf weitere Ansprüche gegeneinander verzichten. Im Gegensatz zur blossen Vertragsänderung wird durch die Novation die Identität der Forderung aufgehoben (BGE 69 II 302, BGE 60 II 333), und Einreden und Schwächen, die den dadurch abgelösten Ansprüchen anhafteten, gehen in der Regel unter. Als Vertrag kann der Vergleich jedoch wegen Willensmängeln aufgehoben werden, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, die sich aus seiner Natur ergeben.
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Für den Prozessvergleich bestehen Besonderheiten, wenn er zu einem Erledigungsentscheid mit materieller Rechtskraft führt, was nach § 191 Abs. 2 zürch. ZPO zutrifft. Dazu gehört insbesondere, dass der Willensmangel grundsätzlich im Rechtsmittelverfahren geltend zu machen ist (BECKER, N. 38 zu Art. 24 OR; VON TUHR/PETER, OR S. 300 Anm. 11; STRÄULI/MESSMER, N. 25 zu § 188 und N. 9 zu § 293 ZPO).
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b) Die Konkursmasse der CCS Ascona behauptet nicht, die Vergleichssumme als Rechtsnachfolgerin der CSS Glarus von dieser erworben zu haben. Die Beschwerdegegnerinnen sind vielmehr der Auffassung, dass ihnen der Vergleich nicht entgegengehalten werden dürfe, weil sonst die Konkursmasse als wahre Berechtigte um ihre Rechte geprellt würde. Das Obergericht sodann hält es jedenfalls für vertretbar, dass aus einem Urteil oder Vergleich auch unter dem Gesichtspunkt der Novation nichts gegen Dritte abgeleitet werden dürfe. Wenn der gerichtliche Vergleich nur die Prozessparteien bindet und deren Einigung wie hier die Bedeutung einer Novation hat, ist diese Tatsache indes auch bei der Frage nach der Identität der Forderung gemäss Art. 168 Abs. 1 OR zu beachten.
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Die Feller AG macht geltend, vor Handelsgericht sei die Aktivlegitimation der CSS Glarus nicht behandelt und die Frage der zweimaligen Zession der Vertriebsrechte nicht aufgeworfen worden; sie habe erst nach der rechtskräftigen Erledigung erfahren, dass die Forderung von zwei Gesellschaften beansprucht werde. Die Aktivlegitimation der CSS Glarus war im Prozess indes so oder anders zu prüfen; sie wurde zudem von der Feller AG mit dem Vergleich anerkannt, weshalb nichts darauf ankommt, ob diese im Prozess eine entsprechende Einrede erhoben habe (GULDENER, a.a.O., S. 379). Sollte die Feller AG sich geirrt haben, so konnte sie den Vergleich im Rechtsmittelverfahren anfechten, was von ihr allerdings als nicht opportun bezeichnet wird. Sie hätte allenfalls schon den Abschreibungsbeschluss des Handelsgerichts vom 29. Mai 1978 verhindern können, zumal die Konkursmasse der CCS Ascona ihren Anspruch bereits mit Schreiben vom 20. April 1978 geltend machte. Wieso es sich bei diesem Schreiben um eine Streitverkündung gehandelt haben soll, ist unerfindlich, ![]() | 19 |
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Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob das Obergericht zutreffend den Anspruch der Konkursmasse der CCS Ascona unter Art. 423 OR subsumiert und ob es der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang das rechtliche Gehör verweigert habe.
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Im Hinblick auf die bezüglich der Rückzahlung erforderlichen konkreten Anordnungen ist davon abzusehen, zugleich die Verweigerung der Hinterlegung anzuordnen, wie das mit der Beschwerde beantragt wird. Es kann deshalb offen bleiben, ob einer solchen Anordnung nicht schon die kassatorische Funktion der staatsrechtlichen Beschwerde entgegenstünde (BGE 101 Ia 113, 439 mit Hinweisen).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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