BGE 106 II 226 | |||
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46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1980 i.S. A. und B. gegen C., D. und E. (Berufung) | |
Regeste |
Kündbarkeit der einfachen Gesellschaft. |
2. Das gesetzliche Kündigungsrecht kann eine unvollständige vertragliche Kündigungsordnung selbst dann ergänzen, wenn eine Gesellschaft auf Lebenszeit eines Gesellschafters vereinbart worden ist (E. 2b und c). | |
Sachverhalt | |
A.- Der 1908 geborene A. und seine Söhne B., C., D. und E. schlossen sich anfangs 1969 zu einer einfachen Gesellschaft zusammen, die auf unbestimmte Zeit, mindestens aber bis zum Ableben des Vaters bestehen sollte. Dass der Vertrag vorher gekündigt werden konnte, ist seinem Text nicht zu entnehmen. Die Gesellschaft befasst sich insbesondere mit der Vermietung von zwei in Zürich gelegenen Liegenschaften, die Gesamteigentum der Gesellschafter sind.
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Im April 1977 kündigten C., D. und E. den Gesellschaftsvertrag auf den 31. Dezember 1977. Vater A. und sein Sohn B. liessen die Kündigung nicht gelten und beharrten auf der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses. D. und E. klagten daraufhin gegen die drei anderen Gesellschafter mit dem Begehren, vorfrageweise die Auflösung der Gesellschaft auf den 31. Dezember 1977 festzustellen und sodann die Beklagten zu verpflichten, die Gesellschaft zusammen mit den Klägern zu liquidieren.
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B.- C. unterzog sich der Klage. Das Bezirksgericht Zürich nahm davon Vormerk und hiess die Rechtsbegehren der Kläger am 6. Juli 1979 dahin gut, dass es Vater A. und dessen Sohn B. verpflichtete, die Gesellschaft zusammen mit den andern Gesellschaftern zu liquidieren.
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Vater A. und sein Sohn B. appellierten an das Obergericht des Kantons Zürich, das am 22. Februar 1980 im gleichen Sinne entschied.
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C.- Gegen diesen Entscheid haben Vater A. und sein Sohn B. Berufung eingelegt mit den Anträgen, ihn aufzuheben und die Klage abzuweisen oder die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
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C., D. und E. schliessen auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
2. Nach dem Gesellschaftsvertrag haben sich die Parteien mit Wirkung ab 1. Januar 1969 auf unbestimmte Zeit, mindestens aber bis zum Tod von Vater A. zu einer einfachen Gesellschaft im Sinne von Art. 530 ff. OR zusammengeschlossen. Das Obergericht hielt Art. 546 Abs. 1 OR für anwendbar, wonach jeder Gesellschafter den Vertrag auf sechs Monate kündigen kann, wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters vereinbart worden ist. Es fand, diese Bestimmung sei gemäss herrschender Lehre zwingender Natur, weshalb nichts darauf ankomme, ob die Parteien über die Kündbarkeit des Vertrages angeblich einen von dessen Wortlaut abweichenden übereinstimmenden Willen gehabt haben; die Rechtslage wäre selbst dann keine andere, wenn die Parteien eine Gesellschaft gründen wollten, die mindestens bis zum Ableben von Vater A. bestehen sollte, denn auch dieser Fall unterstehe der zwingenden Vorschrift des Art. 546 Abs. 1 OR.
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Mit der Berufung wird dagegen die Meinung verfochten, diese Bestimmung sei auf die zwischen den Parteien bestehende Gesellschaft nicht anwendbar, weshalb das angefochtene Urteil Bundesrecht verletze; durch die Abrede, die Gesellschaft solle mindestens bis zum Ableben von Vater A. dauern, sei eine Kündigung des Vertragsverhältnisses ausgeschlossen worden und eine Gesellschaft auf unbestimmte Dauer jedenfalls insoweit zu verneinen. Es liege aber auch keine Gesellschaft auf Lebenszeit eines Gesellschafters vor, da mit der streitigen Abrede nur die Mindestdauer einer an sich auf unbestimmte Zeit vereinbarten einfachen Gesellschaft habe festgelegt werden wollen und eine auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossene Gesellschaft stets eine solche mit bestimmter Dauer sei. Art. 546 Abs. 1 OR habe zudem nicht zwingenden Charakter.
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a) In bezug auf diesen Charakter entspricht das angefochtene Urteil BGE 90 II 341 E. 5a, wo ohne nähere Begründung erklärt worden ist, Art. 546 Abs. 1 OR sei zwingender Natur. Die gleiche Meinung wird auch in einem Teil der Lehre vertreten (SIEGWART, N. 20 und 21 zu Art. 545/47 OR; BECKER, N. 1 und 3 zu Art. 546 OR; HARTMANN, N. 21 zu Art. 547 OR). Nach neuerem Schrifttum ist die Streitfrage dagegen zu verneinen (JÄGGI, Von der Gesellschaft auf Lebenszeit, in Mélanges Roger Secrétan, S. 122 ff.; PATRY, Précis de droit suisse des sociétés, 1 S. 264; GAUCH, System der Beendigung von Dauerverträgen, S. 48 ff.; ZÄCH, Vertraglicher Ausschluss der Kündbarkeit bei den Personengesellschaften, Diss. Genf 1970 S. 73 ff. und 99/100). Die neuere Auffassung leuchtet nicht bloss ein, sondern ist namentlich aus den von JÄGGI angeführten Gründen auch sachlich gerechtfertigt.
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Dieser Autor bemerkt vorweg mit Recht, dass sich die Frage, ob die jederzeitige Kündbarkeit zwingenden Rechts sei, bei einer Gesellschaft auf unbestimmte Dauer gar nicht stellt, weil eine zwingende Regel sich einzig gegen die Abrede der Parteien richten könnte, die Kündbarkeit sei ganz oder teilweise auszuschliessen (S. 122). Bei Verträgen auf Lebenszeit eines Gesellschafters sodann wäre eine solche Regel ein Fremdkörper innerhalb des Gesellschaftsrechts, da das Gesetz selbst für Gesellschaften, die auf eine kalendermässig bestimmte Zeit fest abgeschlossen werden, keine höchstzulässige Dauer vorschreibe; zudem gehe es nicht an, auf dem Umweg über eine Sonderbestimmung, deren Wortlaut einzig einen Nebentatbestand betreffe, für den wichtigen und dem Gesetz wohlbekannten Vertrag auf bestimmte Zeit (Art. 545 Abs. 1 Ziff. 5 OR) eine so einschneidende Regel abzuleiten. JÄGGI hält nur eine Vorschrift wie die in Art. 27 Abs. 2 ZGB enthaltene für sinnvoll, welche die Freiheit der Parteien, die Vertragsdauer zu ordnen, für alle Gesellschaftsverträge in gleicher Weise beschränkt (S. 123 ff.). Aus diesen stichhaltigen Gründen ist die in BGE 90 II 341 vertretene Rechtsauffassung aufzugeben, Art. 546 Abs. 1 OR folglich als dispositive Regel anzusehen.
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Ordentlich kündbar sind in der Regel nur Verträge, die auf unbestimmte (Art. 304 Abs. 1, 545 Abs. 1 Ziff. 6, 546 Abs. 1 OR) oder nicht bestimmte (Art. 267 Abs. 1, 336 Abs. 1, 418q Abs. 1, 476 Abs. 2 OR) Dauer oder Zeit abgeschlossen werden; solche auf bestimmte Dauer oder Zeit gelten dagegen als unkündbar. Durch die Abrede einer Mindestdauer treffen die Parteien für die davon erfasste Zeit eine abschliessende Beendigungsordnung, die der gesetzlichen Kündigungsregel nicht bloss vorgeht, sondern ihre Anwendung schon begrifflich ausschliesst. Ausserordentliche Beendigungsgründe, wie z.B. Auflösung des Vertrages aus wichtigen Gründen oder wegen übermässiger Bindung, werden davon nicht berührt, denn die ordentlichen Kündigungsbestimmungen ergänzen nur Abreden über die ordentliche Vertragsbeendigung (JÄGGI, a.a.O. S. 122; GAUCH, a.a.O. S. 23 und 41).
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b) Dass Art. 546 Abs. 1 OR nach seinem Wortlaut und dem allgemeinen Sinn der Begriffe, die er verwendet, an sich auch eine Gesellschaft der vorliegenden Art umfasst, kann im Ernst nicht bestritten werden. Nach dem Vertragstext wollten die Parteien die beiden Tatbestände, die das Gesetz einander gegenüberstellt, aber mit der gleichen Kündigungsmöglichkeit verbindet, freilich nicht gleich behandelt wissen. Sie vereinbarten grundsätzlich zwar ein Vertragsverhältnis "auf unbestimmte Dauer", fügten jedoch ausdrücklich bei, dass die Gesellschaft "mindestens... bis zum Ableben" von Vater A. bestehen solle. Das ist nicht nur bei der Anwendung von Art. 546 Abs. 1 OR, sondern auch bei der Auslegung der streitigen Abrede zu beachten. Zu prüfen ist vorläufig bloss die Kündbarkeit des Vertrages während der vereinbarten Mindestdauer; die Frage, wie es sich damit nach der zweiten Möglichkeit verhält, stellt sich erst nach Ablauf dieser Dauer und unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaft bei Ableben von Vater A. nicht aufgelöst wird.
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Ist der Vertrag der Parteien wegen der streitigen Abrede jedenfalls zur Zeit als ein solcher auf eine bestimmte Mindestdauer zu werten, so können die Kläger dessen Kündigung auf Ende 1977 nicht damit rechtfertigen, dass Art. 546 Abs. 1 OR auch eine Gesellschaft, die auf Lebenszeit eines Gesellschafters geschlossen wird, für kündbar erklärt. Diese Bestimmung wird deswegen allerdings nicht bedeutungslos; sie bleibt anwendbar, wo sich eine unbestimmte Vertragszeit dadurch ergibt, dass die Parteien mit ihrer Befristung der Gesellschaft auf das Leben eines Gesellschafters lediglich deren Höchstdauer festgelegt haben oder die Möglichkeit einer früheren Beendigung, insbesondere durch eine ordentliche Kündigung gemäss Gesetz, nicht ausschliessen wollten (GAUCH, a.a.O. S. 48). JÄGGI räumt ebenfalls ein (a.a.O. S. 121/22), dass selbst eine Gesellschaft auf Lebenszeit eines Gesellschafters durch eine unvollständige vertragliche Beendigungsordnung gekennzeichnet sein kann und diesfalls namentlich dann, wenn ein Beendigungsgrund zwar vereinbart wurde, von dem der Zeitpunkt des Eintritts aber ungewiss ist, sich die Vermutung rechtfertigt, dass die Parteien andere Beendigungsgründe nicht ausschliessen wollten (ebenso ZÄCH, a.a.O. S. 97 ff.).
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c) Fragen kann sich im vorliegenden Fall daher bloss, ob die Parteien entgegen dem Wortlaut der streitigen Abrede oder als Ergänzung dazu einen solchen Willen gehabt haben; denn der übereinstimmende innere Wille der Parteien geht gemäss Art. 18 Abs. 1 OR nicht nur unklaren, sondern auch unvollständigen Willensäusserungen vor und schliesst deshalb eine Auslegung des Vertrages nach dem Vertrauensprinzip aus. Dass die Parteien nach den Umständen des Vertragsabschlusses, an dem auch ein Anwalt mitwirkte, sich der Kündbarkeit bewusst waren, ist im angefochtenen Urteil festgestellt; streitig ist gleichwohl, welchen Schluss sie daraus gezogen haben. Feststellungen darüber betreffen tatsächliche Verhältnisse, die vom kantonalen Richter abzuklären sind, wenn eine Partei prozesskonform sich darauf berufen und dafür Beweise angeboten hat (BGE 100 II 27 E. 1a, BGE 99 II 285 E. 2, BGE 98 II 6 E. 2, BGE 95 II 146 mit weiteren Hinweisen).
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Die Beklagten Vater A. und sein Sohn B. machten bereits vor Bezirksgericht geltend, bei der Gründung sei die übereinstimmende Willensmeinung sämtlicher Gesellschafter dahin gegangen, dass die Gesellschaft zunächst bis zum Ableben des Vaters dauern, der Vertrag folglich bis dahin unkündbar sein solle. Sie hielten daran auch vor Obergericht fest. Die drei anderen Gesellschafter behaupteten im kantonalen Verfahren dagegen, dass man auf das ordentliche Kündigungsrecht nicht verzichtet habe. Die Vorinstanz hat die Streitfrage offengelassen, weil die Rechtslage so oder anders gleich sei. Dies trifft nach den vorstehenden Ausführungen indes nicht zu. Das angefochtene Urteil ist daher gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG aufzuheben und die Sache zur Abklärung der Frage, ob die Parteien über die Kündbarkeit des Vertrages während der vereinbarten Mindestdauer einen vom Vertragstext abweichenden übereinstimmenden Willen gehabt haben, an die Vorinstanz zurückzuweisen; diese hat sodann je nach dem Ergebnis neu zu entscheiden.
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Die Kläger haben sich im kantonalen Verfahren für den Fall, dass der Richter die Kündigungsmöglichkeit während der vereinbarten Mindestdauer verneinen sollte, auf Art. 545 Abs. 1 Ziff. 7 OR berufen, der die richterliche Auflösung der einfachen Gesellschaft aus wichtigen Gründen vorsieht. Die Vorinstanz hat sich dazu weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht geäussert. Sie wird - prozesskonforme Behauptungen und Beweisanträge vorbehalten - den Sachverhalt allenfalls auch in diesem Punkte ergänzen müssen, um über den Eventualstandpunkt der Kläger entscheiden zu können.
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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