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54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Dezember 1980 i.S. K. gegen T.(Berufung) | |
Regeste |
Adoption, internationales und intertemporales Recht. |
Das Adoptivkind behält daher sein Erbrecht gegenüber seinem in der Schweiz verstorbenen leiblichen Vater (E. 1). |
Art. 214 Abs. 3 ZGB. |
Die ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten unterliegt der Herabsetzung, soweit die Pflichtteilsrechte der Nachkommen verletzt sind (E. 2; Bestätigung der Rechtsprechung). | |
Sachverhalt | |
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In einem Ehe- und Erbvertrag vom 29. November 1962 hatten die Eheleute Albert und Hedwig K. nach der Feststellung, dass der Ehemann nichts und die Ehefrau Fr. 6'000.-- in die Ehe eingebracht hätten, vereinbart, der gesamte in der Ehe erzielte Vorschlag falle dem überlebenden Ehegatten zu. In einer öffentlichen letzwilligen Verfügung vom 8. Juli 1974 hatte Albert K. diesen Ehevertrag bestätigt und erklärt, er werde demzufolge voraussichtlich keinen Nachlass hinterlassen; sollte das trotzdem der Fall sein, so setze er seine Ehefrau Hedwig zur Universalerbin ein. Für den Fall, dass er seine Ehefrau überlebe, hatte er anderweitige Verfügungen getroffen.
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B.- Mit ihrer am 3. August 1977 beim Bezirksgericht Baden gegen Hedwig K. eingereichten Klage verlangte Valeria T. die gerichtliche Feststellung und Teilung des Nachlasses ihres Vaters, wobei der Ehe- und Erbvertrag vom 29. November 1962 und die letztwillige Verfügung vom 8. Juli 1974 insoweit herabzusetzen seien, als sie ihren Pflichtteilsanspruch verletzten. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, die Klägerin habe mit dem Inkrafttreten des neuen schweizerischen Adoptionsrechts am 1. April 1973 gemäss der revidierten Fassung von Art. 267 Abs. 2 ZGB das Erbrecht gegenüber ihrem leiblichen Vater verloren.
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Das Bezirksgericht Baden fällte am 15. März 1979 folgendes Urteil:
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2. Der gesetzliche Pflichtteil der Klägerin beträgt 9/16 des Nettonachlasses, entsprechend Fr. 244'521.60.
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3. Die Zuweisung des gesamten Vorschlags aus der Ehe des verstorbenen Albert K. mit der Beklagten an diese wird um die Höhe des Pflichtteils der Klägerin, d.h. um Fr. 244'521.60, herabgesetzt.
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4. Der gesamte Nachlass des verstorbenen Albert K. gemäss amtlichem Inventar vom 25. Januar/4. Februar 1977 wird der Beklagten zu Eigentum zugewiesen.
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5. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin aus dem Nachlass deren Pflichtteil mit Fr. 244'521.60 auszubezahlen."
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Das Obergericht des Kantons Aargau wies eine Appellation der Beklagten gegen dieses Urteil mit Entscheid vom 17. April 1980 ab.
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C.- Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Frage der Gültigkeit einer durch eine international zuständige Behörde im Ausland ausgesprochenen Adoption und ihrer Anerkennung durch die schweizerische Rechtsordnung beurteilt sich unter Vorbehalt eines allfälligen Verstosses gegen die schweizerische öffentliche Ordnung nach ausländischem Recht. Welche erbrechtlichen Wirkungen eine im Ausland ausgesprochene und in der Schweiz anerkannte Adoption mit Bezug auf das Erbrecht gegenüber einem Erblasser hat, dessen Erbfolge nach international-privatrechtlichen Regeln dem schweizerischen Recht untersteht, ist dagegen eine Frage des schweizerischen Rechts, jedenfalls soweit die ausländische Adoption der schweizerischen gleichwertig ist. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin im Zeitpunkt der erfolgten Adoption und ihrer Anerkennung und Eintragung im schweizerischen Zivilstandsregister sowohl nach dem italienischen wie nach dem damals geltenden schweizerischen Recht das Erbrecht gegenüber ihrem leiblichen Vater beibehalten hat. Die Adoption ist somit von der Schweiz in der Form der damals einzig zulässigen sogenannten einfachen Adoptionen anerkannt worden. Es ist in keiner Weise einzusehen, weshalb sie ![]() ![]() | 12 |
Geht man davon aus, so hat die Klägerin ihr Erbrecht gegenüber ihrem Vater nicht verloren, da die- in Italien ausgesprochene Adoption nur die Wirkungen einer einfachen Adoption hatte. An diesem vom ausländischen Recht beherrschten Adoptivverhältnis vermochte das Inkrafttreten des neuen schweizerischen Adoptionsrechts nichts zu ändern.
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Die Beklagte macht demgegenüber geltend, der Erblasser sei nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts gestorben, weshalb nach Art. 15 SchlT ZGB das neue Erbrecht massgebend sei. Dieses schliesse nach Art. 267 Abs. 2 ZGB die Erbberechtigung von Adoptivkindern gegenüber ihren leiblichen Eltern aus. Eine Ausnahme hievon statuiere Art. 12a SchlT ZGB nur für altrechtliche schweizerische, nicht aber auch für ausländische Adoptionen. Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. Wohl bezieht sich Art. 12a SchlT ZGB nach seinem Wortlaut nur auf altrechtliche schweizerische Adoptionen. Indessen enthält diese Vorschrift lediglich den ganz allgemein geltenden Grundsatz der Nichtrückwirkung, der sinngemäss auch auf ausländische Adoptionen angewendet werden muss. Es besteht kein vernünftiger Grund, im Ausland ausgesprochene Adoptionen intertemporalrechtlich anders zu behandeln als schweizerische Adoptionen. Ist Art. 12a SchlT ZGB aber sinngemäss auch auf altrechtliche ausländische Adoptionen anwendbar, so fallen solche Adoptionen auch nicht unter Art. 267 Abs. 2 ZGB, es sei denn, es handle sich um Volladoptionen oder es sei eine Unterstellung unter das neue schweizerische Adoptionsrecht vorgenommen worden, was hier nicht der Fall ist. Würde man anders entscheiden, so wäre das vor dem 1. April 1973 im Ausland adoptierte Kind schlechter gestellt als das schweizerische Adoptivkind, das unter gleichen Verhältnissen sein Erbrecht gegenüber seinen natürlichen Eltern nicht verliert. Das wäre stossend. - Welche erbrechtlichen Wirkungen ausländische einfache Adoptionen haben, die nach dem 1. April 1973 ausgesprochen worden sind, ist im übrigen hier nicht zu entscheiden.
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Die Berufung ist daher in diesem Punkte unbegründet.
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2. In zweiter Linie wird mit der Berufung die neue bundesgerichtliche Rechtsprechung in Frage gestellt, wonach die ![]() | 16 |
Es trifft zu, dass der zitierte Entscheid in der Lehre teilweise auf heftige Kritik gestossen ist (alt Notariatsinspektor H. HUBER, ZBGR 58/1977, S. 250 ff.; H.A. KAUFMANN, Ehevertragliche Vorschlagsausbedingung und pflichtteilsrechtliche Herabsetzung, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, S. 233 ff.; Professor H. HUBER, Vertrauensschutz, in: Verwaltungsrecht zwischen Freiheit, Teilhabe und Bindung, Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, S. 316 f.), und dass auch das Obergericht des Kantons Zürich in einem Urteil vom 22. Januar 1980 an der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung festgehalten und die neue kritisiert hat (SJZ 76/1980, S. 166 ff., sowie ZBGR 61/1980, S. 146 ff., mit einer redaktionellen Anmerkung von alt Notariatsinspektor H. HUBER, S. 168). Indessen hat das Bundesgericht für seine Praxisänderung auch Zustimmung gefunden (PIOTET, JdT 125/1977 I, S. 146 ff., und ZBGR 59/1978, S. 1 ff.; vgl. auch die differenzierte Stellungnahme von HAUSHEER, ZBJV 114/1978, S. 178 ff.). Überdies ist auf die Kritik zu verweisen, die die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung in der Lehre immer wieder erfahren hat (vgl. die Zitate in BGE 102 II 320).
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Trotz der Kritik an der in BGE 102 II 313 ff. erfolgten Praxisänderung drängt es sich nicht auf, die Frage der Herabsetzbarkeit der ehevertraglichen Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten erneut zu überprüfen. Der wohl gewichtigste Einwand, der gegen jenen Entscheid erhoben wird, geht dahin, er missachte die Gebote der Rechtssicherheit und der Kontinuität der Rechtsprechung. Dieses Argument hat sich jedoch inzwischen, nach Ablauf von vier Jahren, in sein Gegenteil verkehrt. Zu einer Rückkehr zur alten Praxis besteht sodann heute umso weniger Anlass, als die betreffende Rechtsmaterie gegenwärtig ohnehin einer umfassenden ![]() | 18 |
Die Vorinstanz hat die im Ehevertrag vom 29. November 1962 vereinbarte Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten daher zu Recht der Herabsetzung unterstellt, so dass sich die Berufung auch in diesem Punkt als unbegründet erweist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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