BGE 106 II 315 | |||
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61. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juni 1980 i.S. Dr. X. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Eintragung einer Dienstbarkeit in das Grundbuch. | |
Sachverhalt | |
1 | |
Am 17. Juli 1977 schlossen Dr. X. und Y. mit den Eheleuten Z. eine "Vereinbarung... betreffend Errichtung einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Stockwerkanteile Nr. 23 und 24 und zu Lasten des Stockwerkanteils Nr. 27". Darin wurde unter anderem festgehalten, in der Wohnung Nr. 27 seien gemäss einem Sonderwunsch der Eheleute Z. Bodenplatten anstelle der im Baubeschrieb vorgesehenen Teppiche verlegt worden; eine Abklärung habe ergeben, dass die Trittschallisolation zwischen dieser Wohnung und den darunter liegenden Wohnungen (Unterwohnungen) den Anforderungen für Eigentumswohnungen nicht entspreche (Ziff. 2); die Eigentümer der Unterwohnungen könnten sich mit diesem Zustand nicht abfinden, was zum Abschluss der Vereinbarung führe (Ziff. 3). Ziffer 4 der Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:
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3 | |
- Entrée
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- Korridor
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- Wohnzimmer und
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- Abstellraum gegen die Terrasse und
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Küche mit einem Spannteppich auf Filzunterlage bedecken zu lassen.
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Am zu verlegenden Teppich werden sie Gesamteigentümer als einfache Gesellschaft.
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Alle Parteien nehmen zur Kenntnis, dass Herr und Frau Z. die Kosten des Teppichs und dessen Verlegung vorschiessen. Die Eigentümer der Unterwohnungen treffen keine finanziellen Verpflichtungen. Der Bauunternehmer... wird die entstandenen Kosten im Rahmen der werkvertraglich übernommenen Pflichten letztinstanzlich tragen."
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Mit Verfügung vom 23. Juni 1978 lehnte es das Grundbuchamt ab, gestützt auf die Vereinbarung vom 17. Juli 1977 eine Dienstbarkeit im Grundbuch einzutragen. Dieser Entscheid wurde am 5. März 1979 vom Regierungsrat und am 8. November 1979 vom kantonalen Verwaltungsgericht bestätigt, von diesem im wesentlichen mit der Begründung, die Pflicht zur Duldung eines Spannteppichs in einer Eigentumswohnung könne nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein.
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Das Bundesgericht heisst die von Dr. X. gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Die Vorinstanz führt aus, Ziffer 4 der Vereinbarung vom 17. Juli 1977 regle nur das einmalige Verlegen von Spannteppichen, statuiere aber keine dauernde Pflicht zur Duldung der Teppiche und sage auch nichts aus über deren Erneuerung. Sollte sie damit den Willen der Vertragsparteien zum Abschluss eines Grunddienstbarkeitsvertrages in Frage stellen wollen, könnte ihr nicht gefolgt werden. Wohl wurde in der Vereinbarung nicht ausdrücklich festgehalten, die Teppiche müssten dauernd in der Wohnung der Eheleute Z. bleiben. Der Sinn der Vereinbarung konnte aber kein anderer sein, war diese doch darauf gerichtet, inskünftig Schallimmissionen auszuschalten. Über den Unterhalt der Teppiche brauchten die Parteien keine besondere Vereinbarung zu treffen, zumal dafür eine gesetzliche Regelung besteht (Art. 741, allenfalls in Verbindung mit Art. 737 ZGB). Es ist nach dem Gesagten davon auszugehen, dass der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, Schallimmissionen für eine unbegrenzte Zeit auszuschalten und dieses Ziel mittels einer Grunddienstbarkeit zu erreichen. So wurde es im Ingress der Vereinbarung denn auch ausdrücklich festgelegt.
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a) Eine Grunddienstbarkeit im umschriebenen Sinne auferlegt dem Eigentümer des belasteten Grundstückes entweder eine Duldungs- oder eine Unterlassungspflicht. Ist der erwähnte Eigentümer zu einem Dulden verpflichtet, so ist der Eigentümer des berechtigten Grundstückes zu einem Tun befugt; man spricht von einer positiven oder affirmativen Dienstbarkeit. Ist jener zu einem Unterlassen verpflichtet, so steht diesem die Befugnis zu einem Verbieten zu; es liegt eine negative Dienstbarkeit vor (LIVER, N. 4 zu Art. 730 ZGB).
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Die Eheleute Z. sind gemäss der Vereinbarung vom 17. Juli 1977 verpflichtet, die Böden ihrer Wohnung mit Teppichen belegen zu lassen. Daraus könnte abgeleitet werden, dass ihnen das Dulden von Spannteppichen vorgeschrieben werde. Einem solchen Dulden stünde aber keine Berechtigung der Begünstigten gegenüber, denn diese sind nicht (wie z.B. bei einer Wegdienstbarkeit) befugt, die Spannteppiche ihrerseits zu benützen. Ihrem eigentlichen Sinne nach bezweckt die Vereinbarung die Ausschaltung von Schallimmissionen. Die Eheleute Z. sind verpflichtet, das zu unterlassen, was zu solchen Immissionen führen kann. Konkret müssen sie es unterlassen, die Böden ihrer Wohnung mit nackten Platten belegt zu lassen, d.h. ihre Wohnung so auszustatten und in der Folge zu benützen, wie sie es ursprünglich gewünscht hatten. Sie müssen somit bezüglich der Gestaltung und Benützung der Wohnung auf eine Möglichkeit verzichten, von der sie ohne Vereinbarung im Rahmen von Art. 684 ZGB Gebrauch machen dürften. Die Berechtigten andererseits sind befugt, den Eheleuten Z. zu verbieten, in ihrer Wohnung Bodenplatten zu belassen, die nicht durch eine Filzauflage und Teppiche abgedeckt sind.
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Es geht nach dem Gesagten nicht darum, dass die Eheleute Z. Teppiche zu dulden hätten. Die Feststellung der Vorinstanz, Spannteppiche seien bewegliche Sachen und die Duldungspflicht hinsichtlich solcher könne nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit bilden, stösst deshalb ins Leere.
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b) Die Vorinstanz führt demgegenüber zu Recht aus, die Schutzbedürftigkeit des Rechts und die Vorteile der Eigentümer der berechtigten Stockwerkeigentumseinheiten seien offensichtlich; die Berechtigten hätten ein Interesse an einem wirksamen Schutz gegen Schallimmissionen vom oberen Stockwerk her; die Spannteppiche erfüllten diesen Zweck; der Wert der unterliegenden Wohnungen steige, wenn kein Lärm von oben herabdringe. Wohl könnte die Pflicht, eine Eigentumswohnung mit Spannteppichen zu belegen, obligatorisch oder durch ein Stockwerkeigentümerreglement geordnet werden. Das ändert aber nichts daran, dass auch der Weg der Grunddienstbarkeit offen steht.
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c) Nach Rechtsprechung und Lehre können Unterlassungspflichten, die dem Grundeigentümer schon durch gesetzliche Vorschriften auferlegt sind, nicht zum Gegenstand einer Dienstbarkeit gemacht werden, weil der Berechtigte kein Interesse daran haben kann, ein Recht, das ihm schon von Gesetzes wegen eindeutig zusteht, noch als Dienstbarkeit zu erwerben oder zu sichern (BGE 99 II 33 E. 4 mit Verweisungen). Vielfach steht jedoch nicht von vornherein fest, dass die Anwendung der Gesetzesvorschriften zu dem Ergebnis führt, das mit der Dienstbarkeit erreicht werden will. Besonders im Nachbarrecht kann ein Interesse daran bestehen, bestimmte von einem Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen, die an sich zu den nach Art. 684 ZGB verbotenen Immissionen gehören, durch eine Dienstbarkeit auszuschliessen, weil ungewiss ist, ob der Richter die Einwirkungen als übermässig und ungerechtfertigt betrachten würde (LIVER, N. 93 und 95 zu Art. 730 ZGB).
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Gewiss hat der Stockwerkeigentümer bei der Ausübung seines Eigentumsrechtes sich aller übermässigen Einwirkungen auf die Wohnungen seiner Nachbarn (neben, unter und über ihm) zu enthalten und alle nach Lage und Beschaffenheit der Wohnungen oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Lärmeinwirkungen zu unterlassen. In Fällen der vorliegenden Art ist jedoch ungewiss, ob der Lärm, der durch Herumgehen auf nackten, nicht durch Teppiche belegten Bodenplatten verursacht wird, bereits als übermässige und nach Lage und Beschaffenheit oder Ortsgebrauch ungerechtfertigte Einwirkung im Sinne von Art. 684 ZGB bezeichnet werden könne. Ein vertraglicher Schutz gegen Lärmeinwirkungen kann sodann weiter gehen als der gesetzliche. Die Parteien dürfen durch Dienstbarkeiten auch Lärmeinwirkungen ausschalten, die aufgrund der gesetzlichen Regelung noch geduldet werden müssten. Unter den angeführten Umständen kann nicht gesagt werden, dass im vorliegenden Fall das vertraglich angestrebte Ziel mit dem gesetzlichen Immissionenverbot des Art. 684 ZGB identisch sei.
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d) Die Grunddienstbarkeit muss eine Beschränkung des Eigentums an der belasteten Stockwerkeinheit zum Inhalt haben. Bei der negativen Dienstbarkeit besteht jene darin, dass der Belastete eine Benutzung zu unterlassen hat, die ihm als Eigentümer zustünde, wenn seine Stockwerkeinheit nicht belastet wäre. Es geht dabei unter anderem um den körperlichen Zustand und die äussere Erscheinung der Stockwerkeinheit; es muss eine störende, belästigende oder schädigende Wirkung nach aussen gegeben sein. Eine Beschränkung in der persönlichen Betätigungsfreiheit (im Gegensatz zur Freiheit der Stockwerkeinheitsbenützung) kann dagegen nicht zum Inhalt einer Dienstbarkeit gemacht werden (LIVER, N. 106, 107 und 110 zu Art. 730 ZGB).
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Die Vorinstanz bemerkt in diesem Zusammenhang, die bestimmungsgemässe Benutzung der Wohnung werde durch das Vorhandensein eines Spannteppichs nicht beeinträchtigt; der belastete Stockwerkeigentümer sei nur in der Gestaltungsfreiheit als Wohnungsbenützer eingeschränkt, indem er sich mit dem Vorhandensein eines bestimmten Ausrüstungsgegenstandes abfinden müsse; dies sei eine Beschränkung der persönlichen Betätigungsfreiheit, die sich nicht verdinglichen lasse.
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Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach Art. 712a Abs. 1 ZGB ist der Stockwerkeigentümer berechtigt, seine Wohnung ausschliesslich zu benützen und innen auszustatten. Dazu gehört, dass er die Böden der Wohnung nach seinem Belieben gestalten und belegen darf. Durch die Verpflichtung, sie mit einer Filzunterlage und Spannteppichen abzudecken, wird er demnach in der Ausübung seines Eigentums beschränkt; er hat etwas zu unterlassen (das Anbringen von nackten Bodenplatten), wozu er als Eigentümer an sich berechtigt wäre. Die Unterlassungspflicht bezieht sich nicht auf die persönliche, sondern auf die mit der Eigentumsausübung zusammenhängende Betätigungsfreiheit, die den körperlichen Zustand und die äussere Erscheinungsform der Wohnung zum Gegenstand hat.
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e) Die Dienstbarkeit kann den Eigentümer der belasteten Stockwerkeinheit grundsätzlich nur zu einem Dulden oder Unterlassen, nicht aber zu einer Leistung verpflichten. Eine Pflicht zur Vornahme von Handlungen darf mit der Dienstbarkeit nur verbunden werden, wenn jene im Verhältnis zur Dienstbarkeit sowohl dem Inhalt wie dem Umfang nach von nebensächlicher Bedeutung sind. Dem Inhalt nach ist eine Handlung dann von nebensächlicher Bedeutung, wenn sie lediglich dazu dient, die Ausübung der Dienstbarkeit zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. Dem Umfang nach ist sie es, wenn die Leistungspflicht nicht die hauptsächliche Last darstellt (LIVER, N. 154, 194, 195, 202, 204 und 212 zu Art. 730 ZGB).
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Die Vorinstanz erblickt in der Verpflichtung der Eheleute Z., die Böden ihrer Wohnung mit Spannteppichen belegen zu lassen, eine Handlung, die nicht mit einer Dienstbarkeit verbunden werden dürfe. Stellt man jedoch die Pflicht der Eheleute Z., in Zukunft während vieler Jahre etwas zu unterlassen, wozu sie als Wohnungseigentümer an sich berechtigt wären, ihrer einmaligen Pflicht gegenüber, die Böden der Wohnung mit Spannteppichen belegen zu lassen, so erscheint diese als nebensächlich.
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