BGE 107 II 41 | |||
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8. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Januar 1981 i.S. M. gegen Autocenter T. AG (Berufung) | |
Regeste |
Gutgläubiger Eigentumserwerb, Eigentumsvorbehalt. | |
Sachverhalt | |
A.- Die Autocenter T. AG verkaufte am 3. Juni 1975 ein neues Automobil Marke Ford Cougar XR 7, dessen Katalogpreis Fr. 25'000.- betrug, für Fr. 21'500.- an O., wobei sie sich bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises das Eigentum am verkauften Fahrzeug vorbehielt. Am 9. Juli 1975 wurde der Eigentumsvorbehalt ins Eigentumsvorbehaltsregister eingetragen. Obwohl O. noch keinen Rappen des Kaufpreises bezahlt hatte, verkaufte er den Wagen am 28. Oktober 1975 bei einem Kilometerstand von 12'000 zum Preise von Fr. 13'000.- dem Autohändler M. in Zürich. Dieser veräusserte ihn am folgenden Tag für Fr. 13'800.- an den Autohändler W., welcher seinerseits das Auto über den Händler H. zum Preise vom Fr. 18'000.- an einen Herrn X. weiterverkaufte.
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B.- Mit Urteil vom 16. Dezember 1977 hiess das Bezirksgericht Zürich eine Schadenersatzklage der Autocenter T. AG teilweise gut und verpflichtete M., der Klägerin Fr. 18'000.- nebst 5% Zins seit 1. Juli 1976 und Fr. 20.- Zahlungsbefehlskosten zu bezahlen. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte dieses Urteil am 2. Mai 1980 in Abweisung einer Berufung des Beklagten.
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C.- Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Beklagte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung beim Bundesgericht eingereicht. Die erstere wurde vom Kassasionsgericht des Kantons Zürich am 27. Oktober 1980 abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Mit der Berufung wird beantragt, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin lässt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils beantragen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Beide kantonalen Instanzen sind davon ausgegangen, es bestehe keine allgemeine Rechtspflicht, sich vor dem Kauf einer Sache durch Einsicht ins Eigentumsvorbehaltsregister davon zu überzeugen, dass der Dispositionsbefugnis des Verkäufers nicht ein Eigentumsvorbehalt entgegenstehe. Das ist zwar dem Grundsatz nach zutreffend; doch wird von namhaften Autoren die Auffassung vertreten, ein Kaufmann, der gewerbsmässig mit Occasionsautomobilen handle, sei unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 2 ZGB gehalten, vor dem Erwerb eines Gebrauchtwagens ins Eigentumsvorbehaltsregister Einsicht zu nehmen (JÄGGI, N. 125 u. 146 zu Art. 3 ZGB; LIVER, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/I, S. 336), und es liegen auch in diese Richtung weisende kantonale Gerichtsentscheide vor (Obergericht Aargau in AGVE 1956, S. 46/47; etwas zurückhaltender das Kassationsgericht Zürich in SJZ 63/1967, S. 376).
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Es bestehen gute Gründe, dieser Auffassung zu folgen. Automobile pflegen häufig unter Eigentumsvorbehalt verkauft zu werden. Die unbefugte Weiterveräusserung durch den Käufer kommt ebenfalls nicht selten vor, und einem seriösen Kaufmann, der mit Gebrauchtwagen handelt, ist ohne weiteres zuzumuten, sich beim Betreibungsamt am Wohnort des Verkäufers über das Bestehen eines Eintrags im Eigentumsvorbehaltsregister zu erkundigen oder vom Verkäufer eine entsprechende Bescheinigung zu verlangen. Wie es sich damit verhält, braucht indessen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, denn auf jeden Fall ist dem Obergericht darin zu folgen, dass der vereinbarte Kaufpreis dem Beklagten Anlass zu Verdacht hätte geben müssen. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Obergerichtes, die auf einer Würdigung des von ihm eingeholten Gutachtens beruhen, betrug der Verkehrswert des Wagens im Zeitpunkt, da ihn der Beklagte kaufte, Fr. 19'250.-; der sogenannte mittlere Händlerpreis, d.h. der Betrag, den ein Händler mit Gebrauchtwagen vernünftigerweise zu zahlen bereit war, belief sich auf Fr. 16'300.- und die unterste Grenze, die noch als vertretbar betrachtet werden konnte, auf Fr. 15'500.-. Die in der Berufungsschrift gegenüber diesen Zahlen erhobenen Beanstandungen stellen eine unzulässige Kritik an der obergerichtlichen Beweiswürdigung dar. Selbstverständlich war das Obergericht berechtigt, von den Auffassungen des Experten abzuweichen. Ob es diese Abweichung ausreichend begründet habe, ist eine Tatfrage bzw. eine Frage der Beweiswürdigung, nicht eine vom Bundesgericht zu überprüfende Rechtsfrage. Geht man aber von den Zahlen aus, die das Obergericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat, so erweist sich der dem Beklagten gegenüber erhobene Vorwurf, er hätte Verdacht schöpfen müssen, als offensichtlich zutreffend. Der von ihm bezahlte Preis lag 32% unter dem Verkehrswert, 20% unter dem mittleren Händlerpreis und immer noch 16% unter jenem Betrag, der als absolutes Minimum dessen zu betrachten war, was von einem Autohändler vernünftigerweise bezahlt zu werden pflegte. In Zahlen belaufen sich die entsprechenden Differenzen auf Fr. 6'250.-. Fr. 3'300.- und Fr. 2'550.-. Der vom Obergericht angenommene Minimalpreis von Fr. 15'550.- trug bereits allen möglichen Herabsetzungsgründen Rechnung. Jede einigermassen ins Gewicht fallende Unterschreitung dieser Limite musste als ungewöhnlich erachtet werden und hätte dem Beklagten Anlass zu Misstrauen geben müssen. Mit Recht hat das Obergericht unter diesen Umständen weder den Preis, zu dem der Beklagte den Wagen weiterverkauft hat, noch auch die übrigen vom Beklagten angerufenen Umstände des Kaufgeschäftes als prozessentscheidend angesehen, so dass es darüber keinen Beweis abzunehmen brauchte. Schon der verdächtig tiefe Kaufpreis hätte den Beklagten veranlassen müssen, Einsicht in das Eigentumsvorbehaltsregister zu nehmen. Tat er dies nicht, so liess er es an der nach den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit fehlen, weshalb ihm gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB die Berufung auf den guten Glauben zu versagen ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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