![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Januar 1981 i.S. Nandrò Bergbahnen AG gegen Gerhard Müller Maschinenbau AG (Berufung) | |
Regeste |
Art. 368 Abs. 2 OR. | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Die Sektion I, zu der auch die Mittelstation gehört, wurde anfangs Dezember fertiggestellt und vom Eidg. Amt für Verkehr (EAV) mit Inspektionsbericht vom 7. Januar 1970 abgenommen, jedoch mit einem Vorbehalt wegen der baulichen Ausführung der Mittelstation. Der Vorbehalt wurde zwar am 27. Mai 1971 zurückgezogen, doch wies die Mittelstation zahlreiche weitere Mängel auf, was zu einer Auseinandersetzung zwischen der Gerhard Müller Maschinenbau AG und der von dieser beigezogenen Baufirma Stefan Barandun führte. Die Nandrò Bergbahnen AG lehnte die Genehmigung der Mittelstation ab und liess durch das Ingenieurbüro Menn resp. Rigendinger ein Gutachten erstatten, welches am 18. November 1971 die Baumeisterarbeiten der Mittelstation generell als schlecht bezeichnete. Der Experte empfahl eine Sanierung, um die Gebäudestabilität zu gewährleisten und die Einsturzgefahr abzuwenden. Gestützt auf eine Schätzung der Sanierungskosten durch den Experten teilte die Nandrò Bergbahnen AG der Gerhard Müller Maschinenbau AG am 2. März 1972 mit, sie werde vom vertraglichen Werklohn Fr. 90'000.- zurückbehalten, nämlich Fr. 45'000.- für die behebbaren Mängel, je Fr. 10'000.- pro Station wegen Wertverminderung und Fr. 25'000.- für weitere Mängel.
| 2 |
In der Folge wurde der Ausgang des Prozesses zwischen der Gerhard Müller Maschinenbau AG und der Firma Barandun abgewartet, in welchem ein Gutachten Canova die frühere Expertise weitgehend bestätigte. Am 1. März 1974 forderte die Nandrò Bergbahnen AG, die vom EAV zur Sanierung gedrängt wurde, die Gerhard Müller Maschinenbau AG zur unverzüglichen Vornahme der Arbeiten auf. Diese Aufforderung sowie eine Fristansetzung blieben erfolglos, vielmehr verlangte die Gerhard Müller Maschinenbau AG die Restzahlung von Fr. 90'000.-. Darauf liess die Nandrò Bergbahnen AG die Sanierungsarbeiten im Winter 1975/76 selbst ausführen. Die betreffenden Kosten von Fr. 135'271.40 machte sie im September 1976 unter Abzug der Fr. 90'000.- Restschuld mit Fr. 45'271.40 gegen die Gerhard Müller Maschinenbau AG geltend.
| 3 |
B.- Die Gerhard Müller Maschinenbau AG hatte die Streitsache bereits am 3. Oktober 1975 beim Vermittleramt ![]() | 4 |
C.- Die Beklagte hat gegen das obergerichtliche Urteil Berufung eingelegt mit dem Antrag, es aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen, eventuell sowohl Klage als auch Widerklage abzuweisen.
| 5 |
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
| 6 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
7 | |
a) Die Beklagte wendet ein, dem Werkvertrag hätte nur eine vorbehaltlose Abnahme durch das EAV entsprochen. Ausserdem sei der Vorbehalt nicht schon am 27. Mai 1971, sondern erst mit Verfügung vom 15. April 1976 zurückgezogen worden. Letzteres widerspricht der eindeutigen tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz und ist gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG unbeachtlich. Ob als massgebender Abnahmetermin der 7. Januar 1970 oder der 27. Mai 1971 zu betrachten ist, kann hinsichtlich der Widerklage offen bleiben. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die bei der Auslegung des Werkvertrages anzuwenden sind, ist entscheidend, dass das EAV die Betriebsbewilligung erteilte und der Bedeutung in dem Sinn, dass die ![]() | 8 |
b) Das Kantonsgericht stellt fest, die Beklagte habe die ab 7. Januar 1970 gerechnete Fünfjahresfrist versäumt, da sie ihre Widerklage erst in der Sühneverhandlung vom 3. März 1977 erhoben habe. Demgegenüber will die Beklagte die Frist, gerechnet ab 27. Mai 1971, rechtzeitig unterbrochen haben. Gemäss Leitschein sei nämlich die Litispendenz für Klage und Widerklage am 3. Oktober 1975 eingetreten.
| 9 |
Soweit die Beklagte eine Missachtung kantonaler Verfahrensvorschriften geltend macht, ist dies im Berufungsverfahren unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Ob aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz eine Unterbrechungshandlung anzunehmen sei, ist dagegen eine Frage des Bundesrechts, namentlich von Art. 135 Ziff. 2 OR. Nach dem angefochtenen Entscheid wurde der Prozess zwar am 3. Oktober 1975 eingeleitet, die Widerklage jedoch erst in der Vermittlungsverhandlung vom 3. März 1977 erhoben. Als Unterbrechungshandlung behauptet die Beklagte daher nicht die Erhebung ihrer Widerklage, sondern die Ladung zum amtlichen Sühneversuch. Gemäss Leitschein und vorinstanzlichem Urteil war es indes die Klägerin, die am 3. Oktober 1975 das Vermittlungsbegehren stellte. Nichts lässt darauf schliessen, dass die Beklagte ihrerseits damals die Vermittlung verlangt oder eine Widerklage angemeldet habe. Die Ladung zum Sühneversuch, deren Datum übrigens weder festgestellt noch behauptet ist, vermag aber von Bundesrechts wegen und selbstverständlich die Verjährung nur zugunsten des jeweiligen Klägers zu unterbrechen, nicht auch zugunsten des Beklagten für allfällige Gegenforderungen, die erst später geltend gemacht werden.
| 10 |
Die Widerklage ist daher von der Vorinstanz zu Recht wegen Verjährung abgewiesen worden.
| 11 |
12 | |
![]() | 13 |
Dieses Vorbringen der Klägerin ist neu und deshalb vor Bundesgericht unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Das Bezirksgericht hielt fest, unbestrittenermassen sei der Klägerin die Expertise unmittelbar nach Vorliegen zugestellt worden. Vor Kantonsgericht machte die Klägerin ausschliesslich geltend, in der Zustellung des Gutachtens liege keine Mängelrüge. Nachdem dieser Einwand zurückgewiesen wurde, folgt nun - nach den Akten erstmals - die Behauptung der Verspätung. Zwar hat der Besteller wie der Käufer die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge zu beweisen, doch ändert das nichts daran, dass es dem Unternehmer obliegt, die mit verzögerter Mängelrüge eintretende Genehmigung des Werkes vorzubringen, wobei dies im Rahmen des prozessualen Novenrechts zu geschehen hat (GIGER, N. 99 und 106 zu Art. 201 OR). Dass der Richter die Rechtzeitigkeit von Amtes wegen ermitteln müsste (GAUCH, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2. Auflage, Ziff. 782), kann um so weniger zutreffen, als es dabei stark auf die Umstände des Einzelfalles, auf Handelsübungen und dergleichen ankommt.
| 14 |
b) Somit ist davon auszugehen, dass der Beklagten infolge gehöriger Rüge die Einreden wegen vorhandener Mängel erhalten blieben. Das anerkennt auch die Vorinstanz, doch verneint sie sinngemäss aufgrund von Art. 120 Abs. 3 OR eine Verrechungsmöglichkeit. Nach dieser Bestimmung kann eine verjährte Forderung zur Verrechnung gebracht werden, wenn sie zur Zeit, wo sie mit der andern Forderung verrechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. Das Kantonsgericht stellt fest, die Beklagte habe bis zum Eintritt der Verjährung am 7. Januar 1975 nicht Minderwert geltend gemacht, sondern allein unentgeltliche Nachbesserung verlangt, was eine Verrechnung mit dem Werklohn ausschliesse. Erst am 2. September 1975 habe sie auf Nachbesserung verzichtet und in der Folge die Mängel durch einen Dritten beheben lassen.
| 15 |
![]() | 16 |
Nun legt aber die Vorinstanz zu Recht nicht dar, dass die Gegenforderung der Beklagten schon verjährt gewesen wäre, als die klägerische Forderung auf Werklohn entstand. Sie argumentiert gegenteils, die Ersatzforderung sei erstmals geltend gemacht worden nach Verjährung der Mängelrechte und sei ebenfalls verjährt. Darauf kommt jedoch nichts an, weil im vorliegenden Zusammenhang nur noch eine Einrede zu beurteilen ist. Es genügt, dass eine rechtzeitige Mängelrüge erfolgte. Die Verrechnungsmöglichkeit ist um so eher gegeben, als die Ersatzforderung ohnehin erst nach der Klageforderung entstanden ist (BGE 48 II 334).
| 17 |
Auf die Verrechnungseinrede der Beklagten ist deshalb einzutreten.
| 18 |
19 | |
Zu prüfen ist, ob das Recht des Bestellers zur Beseitigung des Mangels auf Kosten des Unternehmers eine richterliche Ermächtigung voraussetzt. BGE 96 II 353 E. 2c gesteht dem Besteller, der die Möglichkeit der Verbesserung des Werkes wählt, gegenüber dem dazu nicht gewillten oder nicht fähigen Unternehmer das Recht zu, die Nachbesserung durch einen Dritten ausführen zu lassen und vom Unternehmer dafür Ersatz ![]() | 20 |
Die Vorinstanzen haben daher zu Unrecht die Verrechnungseinrede gegenüber dem Klagebetrag von Fr. 90'000.- nicht zugelassen. Da tatsächliche Feststellungen über die Begründetheit und Höhe der Gegenforderung der Beklagten fehlen, ist dem Bundesgericht diesbezüglich eine Beurteilung nicht möglich. Das muss hinsichtlich der Hauptklage zur teilweisen Gutheissung der Berufung und Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht zur neuen Entscheidung führen (Art. 64 Abs. 1 OG).
| 21 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 22 |
Hinsichtlich der Hauptklage wird die Berufung teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 5. März 1980 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
| 23 |
24 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |