BGE 107 II 82 | |||
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12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Januar 1981 i.S. Österreichischer Rundfunk gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) und Rediffusion AG (Direktprozess) | |
Regeste |
Verletzung von Urheberrechten durch unbefugte Verbreitung ausländischer Sendungen; Unterlassungsklage. |
2. Aktivlegitimation des ausländischen Sendeunternehmens, dessen Programme sich weder als Sammelwerke im Sinne von Art. 3 URG ausgeben, noch auf ein selbständiges Urheberrecht stützen lassen (E. 3a); Berufung auf allgemeine Rechtsnormen (E. 3b)? |
3. Unterlassungsanspruch des Sendeunternehmens gestützt auf Abtretung von Urheberrechten; Konkretisierung des Anspruches nach geschützten und freien Programmteilen (E. 4)? |
4. Anwendung von Art. 12 Ziff. 6 URG und Art. 11bis Ziff. 2 RBUe auf ein Kabelunternehmen, das mit Hilfe der PTT ausländische Sendungen über seine Anlagen weiterverbreitet; solidarische Haftung der PTT (E. 5 und 9a-b). Klage mit missbräuchlichem Zweck (E. 9c)? Androhung von Strafe bei Widerhandlung (E. 10)? | |
Sachverhalt | |
A.- Der Österreichische Rundfunk (ORF) betreibt als selbständige öffentliche Anstalt das Fernsehen in Österreich. Zu diesem Zwecke erstellte und unterhält er selbst eine Vielzahl von Sendern und Hilfssendern. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) dagegen benützt Sendeanlagen, die von den PTT-Betrieben errichtet und unterhalten werden. Da mit einem starken Aufkommen des Kabelfernsehens zu rechnen war, erstellten die PTT-Betriebe seit 1976 überdies ein Richtstrahlnetz, um auch ausländische Programme an Unternehmen, die Fernsehanlagen mit Gemeinschaftsantennen betreiben, weiterleiten zu können. Das gilt namentlich für die beiden österreichischen Fernsehprogramme, die mit Empfangsanlagen auf dem Uetliberg aufgefangen und kann vom Albis mittels Richtstrahlen an die Station Ulmizberg bei Bern gesendet werden.
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Die Rediffusion AG betreibt in der Schweiz zahlreiche Fernsehanlagen, die insbesondere aus einer Empfangsantenne und einem Kabelnetz bestehen. In der Region Bern versorgt sie über eine solche Anlage etwa 50'000 Abonnenten mit Sendungen. Sie vermittelt insgesamt 11 UKW-Programme sowie drei schweizerische und je zwei deutsche, österreichische und französische Fernsehprogramme, die sie alle unverändert, als Ganzes und zeitgleich an die Abonnenten weiterleitet. In der ganzen Schweiz sollen rund eine Million Abonnenten über etwa 1700 grössere oder kleinere Fernsehanlagen dieser Art versorgt werden.
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B.- Am 23. August 1976 schrieb der ORF den PTT-Betrieben, dass er die Weiterverbreitung seiner Sendungen im Raume Bern für unrechtmässig halte, solange nicht eine entsprechende Vereinbarung mit ihm abgeschlossen werde. Die PTT verwiesen den ORF an die Kabelunternehmen. Verhandlungen mit der Rediffusion AG führten zu keinem Ergebnis; sie scheiterten teils aus grundsätzlichen, teils aus finanziellen Überlegungen. Der ORF verbot deshalb mit Schreiben vom 22. Dezember 1978 den PTT-Betrieben und der Rediffusion AG, seine Programme in den Raum Bern weiterzusenden. Das Verbot blieb jedoch unbeachtet.
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C.- Am 11. Mai 1979 klagte der ORF beim Bundesgericht gegen die Schweiz. Eidgenossenschaft, vertreten durch die PTT-Betriebe, sowie gegen die Rediffusion AG mit den Begehren: 1. den PTT unter geeigneter Androhung zu verbieten, die Fernsehprogramme FS 1 und FS 2 des Klägers ohne dessen Zustimmung der Rediffusion oder anderen Betrieben mit Gemeinschaftsantennen zur Verbreitung an ihre Abonnenten im Raum Bern zuzuleiten; 2. der Rediffusion in gleicher Weise zu untersagen, die Programme des Klägers ohne dessen Zustimmung über ihr Verteilnetz im Raum Bern zu verbreiten.
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Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Die PTT verkündeten 15 Gemeinden und Kabelunternehmen den Streit; von diesen traten acht dem Prozess bei, während eine weitere Intervention abzuweisen war. Die Rediffusion verkündete ihrerseits sechs Gemeinden den Streit, die jedoch nicht intervenierten.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Rediffusion fand in ihrer Klageantwort, die Klage sei von der Hand zu weisen; sie begründete ihre Auffassung jedoch nicht. In der Folge beschränkte sie sich auf den Antrag, die Klage abzuweisen.
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a) Ob die Passivlegitimation zu bejahen und der Kläger gegen beide Beklagten oder nur gegen eine von ihnen vorgehen darf, beurteilt sich entgegen den Einwänden der PTT nach materiellem Recht. Aktiv- und Passivlegitimation sind nicht Bedingungen im Sinne von Prozessvoraussetzungen, von denen die Zulässigkeit der Klage abhängen würde; sie gehören vielmehr zur materiellen Begründetheit des Klagebegehrens, weshalb ihr Fehlen zur Abweisung und nicht zur Zurückweisung der Klage führt (BGE 100 II 169 E. 3, BGE 97 II 100, BGE 86 II 45 E. 4a). Wird die Passivlegitimation eines Beklagten bejaht, so heisst das zudem bloss, dass der eingeklagte Anspruch sich gegen ihn richtet; ob auch die weiteren materiellen Voraussetzungen für einen Zuspruch der Klage erfüllt seien, der Anspruch überhaupt und in dem vom Kläger behaupteten Umfang bestehe und noch klagbar sei, ist damit noch nicht entschieden.
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Die Rediffusion bestritt schon vor dem Prozess und auch im Verfahren ihre Passivlegitimation, weil nicht sie, sondern höchstens die PTT die Programme des ORF weitersendeten und sie selbst nur Empfangshilfe leiste. Ihre Passivlegitimation hängt insbesondere davon ab, ob die Rediffusion als anderes Sendeunternehmen durch öffentliche Mitteilung im Sinne von Art. 12 Ziff. 6 URG Urheberrechte des Klägers verletze. Diese Frage gehört zur materiellen Prüfung der Streitsache und ist daher in diesem Zusammenhang zu erörtern.
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Den PTT-Betrieben warf der Kläger vorerst ebenfalls eine unmittelbare Verletzung von Urheberrechten vor, weil sie durch ihr Richtstrahlnetz die Verteilung im Raume Bern ermöglichen und das auch beabsichtigt sei. Die PTT bestreiten diese Argumentation, da das Netz aus frequenzpolitischen und baurechtlichen Gründen errichtet worden sei; es handle sich um reine Transporthilfe ohne Beteiligung am Empfang. In der Replik schwächte der Kläger seine Behauptung dahin ab, dass eine mittelbare Rechtsverletzung und zumindest Gehilfenschaft vorliege. Aufrechterhalten bleibt somit nur der schon in der Klage erhobene Vorwurf, die PTT handelten gemeinsam mit der Rediffusion, sei es als Anstifter, Teilnehmer oder Gehilfe. Trifft dies zu, so besteht im Falle einer Urheberrechtsverletzung solidarische Haftung zwischen den Beklagten; die Passivlegitimation der PTT ist daher ebenfalls zu bejahen.
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b) Die Beklagten bestreiten zu Recht nicht, dass die Unterlassungsklage gegen Urheberrechtsverletzungen zulässig ist, obschon sie im URG anders als etwa in Art. 2 UWG nicht genannt wird. Die Unterlassungsklage ist sogar das am meisten und wirksamsten eingesetzte Verteidigungsmittel im gewerblichen Rechtsschutz (TROLLER, Immaterialgüterrecht II S. 1109). Ihre Zulässigkeit folgt auch aus den allgemeinen Grundsätzen, auf die Art. 44 URG verweist, wenn eine Rechtsverletzung gegeben oder für die Zukunft zu befürchten ist (VON TUHR/PETER, OR I S. 442). Mit einer Feststellungsklage, die zwar die Rechtslage klären, aber nicht zu einem vollstreckbaren Urteil führen würde, braucht sich der ORF nicht zu begnügen. Eine Unterlassungsklage muss genau angeben, was dem Beklagten zu verbieten ist (BGE 93 II 59 E. 4, BGE 84 II 457 E. 6). Die Begehren des Klägers sind insoweit nicht zu beanstanden. Dass die PTT das Gegenteil anzunehmen scheinen, hängt offensichtlich mit der Frage der Aktivlegitimation zusammen, die ebenfalls bestritten, aber gesondert zu prüfen ist. Sollte sich das Verbotsbegehren bei der materiellen Beurteilung an sich als begründet, aber als zu umfassen formuliert erweisen, so ist es im Urteil auf das zulässige Mass einzuschränken (BGE 97 II 93 mit Hinweisen; TROLLER, II S. 1110); das ist so oder anders kein Grund, auf die Begehren des Klägers nicht einzutreten.
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a) Von einem schutzwürdigen Sammelwerk gemäss RBUe und URG kann erst gesprochen werden, wenn es als geistige Individualität mehr und anderes darstellt als die blosse Summe der Einzelwerke (TROLLER, I S. 477; KUMMER, Das urheberrechtlich schützbare Werk, S. 43 ff. und 139; F. CURCHOD, La Convention de Berne et la loi fédérale sur le droit d'auteur, Diss. Lausanne 1969, S. 113 ff.). Das Gesamtprogramm eines Sendeunternehmens genügt dieser Anforderung nicht. Sein literarisch künstlerischer Wert wird ausschliesslich durch den Wert der einzelnen Sendungen bestimmt. Der Fernsehabonnent wählt denn auch nicht zwischen mehreren Gesamtprogrammen, sondern zwischen verschiedenen Einzelsendungen.
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Der Kläger beruft sich für seine gegenteilige Auffassung auf das Referat von PEDRAZZINI am Schweiz. Juristentag 1977 (ZSR 96/1977 II S. 85 ff.). Dieser Autor hält die sammelnde, sichtende und ordnende Tätigkeit der Programmgestaltung für relevant und die für den Werkcharakter erforderliche bescheidene Individualität im Durchschnitt für gegeben (S. 88). An anderer Stelle erachtet er ein solches Vorgehen jedoch selber für problematisch und befürwortet daher eine Sonderregelung in einem neuen Leistungsschutzgesetz (S. 95/6). Im Schrifttum zum URG und zur RBUe wird der Werkcharakter ganzer Radio- oder Fernsehprogramme ebenfalls verneint (KUMMER, S. 47; H.R. DENZLER, Der privatrechtliche Schutz der Rundfunksendung vor gewerblicher Verwertung, Diss. Zürich 1953, S. 74 ff.; J.H. MÜLLER, Die Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen in der internationalen konventionsrechtlichen Entwicklung, Diss. Basel 1974, S. 164 und 170: J. POULAIN, La protection des émissions de radiodiffusion, Paris 1963, S. 34 ff.). Ein vom Kläger eingelegter Entscheid des Oberlandesgerichts Hamburg von 1952 betrifft kein Gesamtprogramm, sondern die Sendefolge eines Autors; diesfalls kann es sich anders verhalten.
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Dass namentlich die RBUe derartige Sendungen nicht als Werk oder Sammelwerk schützt, ergibt sich ferner aus den internationalen Bemühungen, die Leistungen der Urheber durch besondere Abkommen zu schützen. Dazu gehören das Internationale Abkommen über den Schutz der Ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen von 1961 (Art. 13) und das Europäische Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen von 1960 (Art. 1), die beide den Sendeunternehmen eigene Schutzrechte einräumen, gegen Kabelverbreitung allerdings nur das zweitgenannte (Kommentar NORDEMANN/VINCK/HERTIN, Internationales Urheberrecht, Düsseldorf 1977, S. 263 ff. und 366 ff.; J.H. MÜLLER, S. 111 ff. und 160 ff.; PEDRAZZINI, S. 99 f.). Im Unterschied zu Deutschland (§ 87 des deutschen URG) ist die Schweiz bisher weder dem einen noch dem andern dieser Abkommen beigetreten; sie besitzt auch kein entsprechendes nationales Leistungsschutzgesetz. Nach dem Bericht des zuständigen Bundesamtes ist auch noch nicht abzusehen, in welcher Richtung sich das Landesrecht entwickeln wird. Gemäss dem geltenden Gesetz kann der Kläger sich für seine Programme aber nicht auf ein selbständiges Urheberrecht berufen.
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b) Die nationalen und internationalen Bemühungen, die Rechte der Sendeunternehmen an den Sendungen zu schützen und dafür eine Grundlage zu schaffen, zeigen ferner, dass entsprechende Lücken im Urheberrecht oder im Leistungsschutz sich nicht gestützt auf allgemeine Rechtsnormen schliessen lassen. In einer Eventualbegründung beruft der Kläger sich gleichwohl auf unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und unlauteren Wettbewerb. Die Beklagten widersprechen dem zu Recht. Es kann offen bleiben, ob der Kläger aus Art. 62 oder Art. 423 OR Ersatzansprüche geltend machen könnte; denn mit diesen Bestimmungen lassen sich die Unterlassungsbegehren des Klägers zum vorneherein nicht begründen.
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Auf unerlaubte Handlung und Verstoss gegen die gute Sitte beruft sich der Kläger zu Recht nur für den Fall, dass das Vorgehen der Beklagten urheberrechtlich verboten wäre; er kann das Fehlen der urheberrechtlichen Legitimation jedoch nicht auf diese Weise umgehen. Ebensowenig kann er aus den Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb etwas für den Schutz seiner Programme ableiten, gleichviel ob die dafür notwendige Voraussetzung, dass die Parteien miteinander im Wettbewerb stehen, erfüllt sei. Wenn die Beklagten von den streitigen Sendeleistungen profitieren, ohne dabei eigene Rechte des Klägers an den Sendungen zu verletzen, bedeutet das noch nicht einen Verstoss gegen Treu und Glauben im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UWG (BGE 95 II 468, 87 II 63). Es geht auch nicht an, über das UWG Lücken im URG schliessen zu wollen (TROLLER, II S. 1056 und 1104). Aus diesen Gründen wird im Schrifttum die Möglichkeit, die Streitfrage gestützt auf allgemeine Rechtsnormen zu lösen, denn auch durchweges verneint (H.J. STERN, Die Weiterverbreitung von Radio- und Fernsehsendungen, Diss. Zürich 1970, S. 94 ff.; DENZLER, S. 79 ff.; POULAIN, S. 46 ff.). Die davon abweichende Auffassung von B. NATER (Der künstlerische Leistungsschutz, Diss. Zürich 1977, S. 70 ff.) bezieht sich nicht auf Sendeunternehmen. einen Schutz seiner Programme kann der Kläger daher auch unter diesen Gesichtspunkten nicht beanspruchen.
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4. Zu Recht nicht bestritten ist dagegen, dass dem Kläger insoweit ein Unterlassungsanspruch zusteht, als Programmschaffende, Autoren und Künstler ihm ihre Rechte an einzelnen Werken abgetreten haben (Art. 9 URG). Wie aus den vorgelegten Formularverträgen erhellt, schliesst der Kläger regelmässig solche Verträge und erwirbt dadurch ausser den Senderechten für Österreich auch jene mit oder ohne Draht für das Ausland. Das entspricht offenbar auch dem Vorgehen der SRG (D. STAUFFACHER, Der Sendevertrag, Diss. Zürich 1979, insbesondere S. 155 ff.; STERN, Diss. S. 122).
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a) Die Beklagten wollen sich damit aber nicht begnügen, sondern verlangen konkrete Behauptungen und Beweise für genau zu bezeichnende Werke, damit namentlich auch die Frage der Schutzwürdigkeit überprüft werden könne. Der Kläger hält dies nach der Natur des Sache für unmöglich. Dem ist beizupflichten. Da es um das Verbot künftiger Sendungen geht, müsste er diese im einzelnen nachweisen; das ist schon angesichts des wechselnden Programmangebots ausgeschlossen. Die vom Kläger vorgelegte "Rechtsdokumentation", die namentlich aus Verträgen und Sendeprotokollen besteht, zeigt deutlich, wie umfangreich ein solches Unterfangen schon für einen einzigen Sendetag ist.
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Anerkannt ist sodann, dass nicht alle Programmteile urheberrechtlich geschützt sind und dass der Kläger zudem nicht von allen geschützten Werken die Rechte erwirbt, die hier interessieren. Nach seiner Ermittlung standen ihm z.B. am 10. Mai 1979, den er als Stichtag anführt, an 40% des Programms FS 1 und an 97% des Programms FS 2 ausschliessliche Senderechte zu. Wieweit Sendungen über das Tagesgeschehen, die Wettervoraussage, Sportveranstaltungen usw. als geschützte Werke anzusehen sind, ist umstritten, jedoch unerheblich. Festzuhalten ist dagegen, dass der Kläger hinsichtlich eines erheblichen, aber eben nur eines Teils seiner Programme über die Sende- und Kabelrechte auch im Ausland verfügt.
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b) Das Dilemma, das sich daraus für den Richter ergibt, ist offensichtlich. Entweder hat er bei Gutheissung der Klage den Beklagten auch die Übernahme von Sendungen zu untersagen, die nicht geschützt sind oder an denen nicht der Kläger berechtigt ist, oder er hat bei Abweisung der Klage die Rechtsverletzung durch die Beklagten hinsichtlich der übrigen Sendungen hinzunehmen. Das bewog den Kläger offenbar zur Erklärung, sein Begehren sei eventuell auf den gerichtlich anerkannten Umfang und die Bestimmung der massgebenden Kriterien, die noch in der Vollstreckung konkretisiert werden könnten, zu reduzieren. Dem halten die Beklagten mit Recht entgegen, dass das Urteil die verbotenen Handlungen selbst anzugeben hat und das nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen darf (BGE 97 II 93 mit Hinweisen). Dies wiederum ist aus den gleichen Gründen nicht zu verwirklichen, die dem Kläger eine Konkretisierung seines Anspruchs verunmöglichen. Es entspräche auch nicht den Interessen der Beklagten, dass sie fortlaufend zu prüfen hätten, welche Sendungen des Klägers sie übernehmen dürften und welche nicht, betonten sie doch stets, dass sie die Programme des Klägers als Ganzes, zeitgleich und unverändert übernähmen. Sie müssen sich dieses Argument, mit dem sie sich gegen die Charakterisierung als Sendeunternehmen wehren, auch in diesem Zusammenhang entgegenhalten lassen. Es kann daher offen bleiben, ob ein Ausblenden von Teilen technisch überhaupt möglich wäre.
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Bei realistischer Betrachtung kann der Richter somit in Fällen wie hier nur zwischen den beiden Extremlösungen wählen. Entweder verbietet er die Übernahme der Sendungen schlechthin, weil sie in Teilbereichen nicht ohne Verletzung klägerischer Schutzrechte möglich ist, oder er weist die Klage ab, weil ein Verbot auch die Übernahme freier Programmteile verhindern würde. Beides sind Fragen des materiellen Rechts. Aus der Sicht des Immaterialgüterrechts und der hier im Vordergrund stehenden Autorenrechte muss ersteres vorgezogen und letzteres in Kauf genommen werden. Die Klageberechtigung des ORF ist daher zu bejahen, da eine Durchsetzung des Urheberrechts in diesem Bereiche sonst zum vorneherein vereitelt würde.
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Art. 12 URG sichert dem Urheber das ausschliessliche Recht, sein Werk durch Rundfunk zu senden (Abs. 1 Ziff. 5) und es zudem "mit oder ohne Draht öffentlich mitzuteilen, wenn diese Mitteilung von einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird" (Ziff. 6); die öffentliche Mitteilung des Werkes durch eine Fernsehsendung ist der Rundfunksendung gleichgestellt (Abs. 2). Diese Bestimmungen sind vom schweizerischen Gesetzgeber bewusst und wörtlich aus Art. 11bis Ziff. 1 und 2 RBUe übernommen worden (Botschaft vom 12. Oktober 1954 zur Revision des URG, BBl 1954 II 654). Der Kläger hält dieses Abkommen hier unter Hinweis auf dessen Art. 4 Abs. 1 und Art. 68bis URG zu Recht für unmittelbar anwendbar. Während die PTT diese Ansicht offenbar teilen, versucht die Rediffusion aus dem Vorbehalt der nationalen Gesetzgebung in Art. 11bis Abs. 2 RBUe etwas Abweichendes abzuleiten, räumt aber ein, dass die Schweiz von diesem Vorbehalt keinen Gebrauch gemacht hat: sie anerkennt ferner, dass Lehre und Rechtsprechung zum Abkommen auch für die Auslegung von Art. 12 Ziff. 5 und 6 URG von Bedeutung sind. Deswegen berufen die Parteien sich denn auch auf die Entstehungsgeschichte der übernommenen Normen, auf ausländische Urteile und internationale Bemühungen, das Abkommen in diesen Punkten auszulegen und der technischen Entwicklung gemäss fortzubilden.
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(Es folgen Ausführungen gemäss BGE 107 II 63 ff. E. 3-6 über die Auslegung von Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 1 und 2 RBUe, über deren Bedeutung für das Landesrecht sowie über die Voraussetzungen, unter denen der Urheber sich auf Senderechte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Ziff. 6 URG berufen kann.)
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a) Die Rediffusion ist ein von den PTT und der SRG unabhängiges Unternehmen. Als solches bedurfte sie für die Kabelverbreitung der Sendungen einer neuen Urhebererlaubnis, da eine solche Verbreitung aus den in BGE 107 II 63 ff. E. 3-6 angeführten Gründen eine öffentliche Mitteilung gemäss Art. 12 Ziff. 6 URG und Art. 11bis Ziff. 2 RBUe darstellt. Indem sie unbekümmert um die nötige Erlaubnis handelte, verletzte sie die den Urhebern in diesen Bestimmungen vorbehaltenen Rechte. Das Rechtsbegehren des Klägers ist ihr gegenüber daher grundsätzlich zu schützen.
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Ob die PTT durch den Betrieb ihres Richtstrahlnetzes an sich schon Urheberrechte verletzen, braucht nicht entschieden zu werden. Sie haften aus Art. 50 Abs. 1 OR solidarisch für die unerlaubte Handlung, wenn sie auch nur als Gehilfe an der Rechtsverletzung der Rediffusion teilhaben. Diese Voraussetzung ist erfüllt; die Rediffusion kann die ORF-Sendungen im Raum Bern nur mit Hilfe des Richtstrahlnetzes, das ihr die PTT zur Verfügung halten, gleichwertig verbreiten. Das URG kennt zwar keine besondere Teilnahmevorschrift wie etwa Art. 66 lit. d PatG oder Art. 24 lit. d MSchG. Die Sonderregelung von Art. 60 URG setzt eine gemeinsame Haftung mehrerer aber als möglich voraus, und diese ergibt sich nach der Verweisung in Art. 44 URG aus allgemeinen Grundsätzen, insbesondere aus Art. 50 Abs. 1 OR (BGE 101 II 107, BGE 100 II 169 E. 3b; TROLLER, II S. 1026). Dass die Beklagten ihr Vorgehen möglicherweise für rechtmässig gehalten haben, befreit sie nicht.
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Die Rediffusion bedarf wie andere Kabelunternehmen für ihre Tätigkeit einer Konzession der PTT. Diese Konzession behält Drittrechte ausdrücklich vor und bestimmt, dass die Konzessionärin "allfällige Urheberrechte selber abzugelten hat". Dass dies lediglich interne Bedeutung hat und die PTT dem Kläger gegenüber nicht entlastet, ist zu Recht von keiner Seite bestritten worden. Dagegen lässt sich nicht sagen, dass die PTT schon als Inhaberin des Regals für die Beachtung der Urheberrechte durch die Rediffusion einzustehen hätten, wie in der Klage behauptet wird. Unerheblich für die Mitverantwortung der PTT ist schliesslich, ob die von ihr erhobenen Gebühren für den Betrieb des Richtstrahlnetzes kostendeckend sind, weshalb darauf nicht näher einzutreten ist.
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b) Die Klage ist daher auch gegenüber den PTT gutzuheissen, soweit diese zusammen mit der Rediffusion gehandelt haben. Das Unterlassungsbegehren gegen die PTT geht allerdings über jenes gegen die Mitbeklagte hinaus, da ihnen auch die Versorgung der anderen Unternehmen, die im Raum Bern Fernsehanlagen mit Gemeinschaftsantennen betreiben, verboten werden soll. Es handelt sich dabei offenbar um die Unternehmen, denen die PTT den Streit verkündet haben und die teilweise dem Prozess beigetreten sind. Das für die Versorgung der Rediffusion Gesagte lässt sich indes nicht ohne weiteres auf diese Unternehmen übertragen, weil nach BGE 107 II 70 E. 5 bei kleinen Anlagen das Erfordernis der öffentlichen Mitteilung fehlen kann. Soweit danach im Einzelfall die Verbreitung erlaubt wäre, könnte auch nicht von einer Gehilfenschaft der PTT die Rede sein. Wie es sich damit bei den anderen Unternehmen mit Gemeinschaftsantennen im Raume Bern verhält, ist insbesondere den Vorbringen des Klägers, der dafür behauptungspflichtig ist, nicht zu entnehmen; das wirkt sich zu seinem Nachteil aus mit der Folge, dass diese Unternehmen vom Verbot auszunehmen sind.
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Freilich könnte der Kläger verlangen, dass auch die Versorgung von weiteren Unternehmen verboten wird, wenn die Tätigkeit der PTT schon für sich allein, unbekümmert um die Grösse der angeschlossenen Gemeinschaftsantennen als Urheberrechtsverletzung anzusehen wäre. Das würde voraussetzen, dass das Richtstrahlnetz der PTT als solches urheberrechtlich relevant ist. Ob das zutrifft, kann aber offen bleiben, da der Kläger den Vorwurf einer unmittelbaren Urheberrechtsverletzung durch die PTT ausdrücklich fallenliess. Am Ergebnis würde sich übrigens so oder anders nichts ändern. Zwar leiten auch die PTT die ORF-Sendungen als anderes Unternehmen weiter; sie senden sogar und leisten nicht blosse Empfangshilfe, wie sie meinen. Das ist aber nicht entscheidend. Massgebend ist vielmehr die öffentliche Mitteilung, die mit Richtstrahlen allein nicht möglich ist, sondern eine besondere Empfangsanlage erfordert und erst durch die Verbreitung der Sendung über ein Kabelnetz stattfindet. Dafür ist wiederum die individuelle Charakterisierung massgebend, die nur für die Rediffusion, nicht aber für die Anlagen anderer Unternehmen bekannt ist.
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c) Die Beklagten halten die Unterlassungsklage des ORF für missbräuchlich, weil dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse fehle; er sei zugegebenermassen an einer Verbreitung seiner Programme in der Schweiz interessiert und wolle das Verbot nur als Druckmittel zur Erlangung unangemessener Vergütungen einsetzen. Von Missbrauch kann im Ernst indes keine Rede sein. Das Wesen des Urheberrechts besteht darin, dass der berechtigte einen ausschliesslichen Anspruch hat (TROLLER, I S. 74); es steht grundsätzlich in seinem Belieben, ob er die Benützung seines Werkes untersagen oder ob er sie erlauben und welche Bedingungen er dafür stellen will. Die Erlaubnis ist geradezu das Mittel, um sich eine Vergütung zu sichern (J.F. EGLI, Le droit de la radiodiffusion en Suisse, in ZSR 87/1968 S. 334). Da eine Rechtsverletzung vorliegt, haben weder die Rediffusion noch die PTT einen Anspruch darauf, dass der Kläger sich mit einer nicht frei von ihm festgesetzten, sondern angemessenen und gerichtlich zu überprüfenden Vergütung abfindet. Das liefe darauf hinaus, den Beklagten zulasten des ORF eine gesetzliche Lizenz zu erteilen, für die jede Rechtsgrundlage fehlt, weil die Schweiz von der mit Art. 11bis Abs. 2 RBUe gebotenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Damit ist auch allen Einwänden der Boden entzogen, welche die PTT der neuen österreichischen Gesetzgebung entnehmen: diese sieht für die Drahtverbreitung ausländischer Sendungen in § 59a ausdrücklich eine Lizenz vor.
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Nur die Gutheissung der Klage ermöglicht den Urhebern, die ihnen zustehenden höheren Vergütungen zu beanspruchen. Ob in einer Zwischenphase der Kläger allein davon profitiert, ist demgegenüber weniger von Belang und zudem die Folge der von ihm abgeschlossenen Verträge. Insoweit kann im vorneherein nicht gesagt werden, durch ein Verbot würden die eigentlichen Urheber benachteiligt. Eine Benachteiligung ergibt sich auch nicht für Autoren, welche die ausländischen Sende- oder Kabelrechte für sich zurückbehalten haben und nach der Darstellung der Beklagten gehindert würden, sich direkt mit ihnen zu verständigen. Wie das praktisch vor sich gehen sollte, ist unerfindlich, da die Beklagten die Berechtigten nicht rechtzeitig kennen und diese von der Weiterverbreitung kaum etwas erfahren werden.
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In teilweiser Gutheissung der Klage wird:
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a) den PTT verboten, die Fernsehsendungen FS 1 und FS 2 des Klägers ohne dessen Zustimmung der Rediffusion AG zur Verbreitung an deren Abonnenten im Raum Bern zuzuleiten;
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b) der Rediffusion AG verboten, die Fernsehsendungen FS 1 und FS 2 des Klägers ohne dessen Zustimmung an die Abonnenten ihres Verteilnetzes im Raum Bern zu verbreiten.
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