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21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Juni 1981 i.S. Erbengemeinschaft S. gegen Kilintra AG (Berufung) | |
Regeste |
Grundstückkauf, Wegbedingung der Gewährleistung. |
2. Natur der Schadenersatzklage aus Sachmängeln (E. 7a). |
3. Verhältnis von Art. 100 Abs. 1 OR zu Art. 199 OR (E. 7b/c). |
4. Eine Haftungsbeschränkungsabrede ist auch bei der Haftung aus Art. 41 ff. OR, bei der Werkhaftung sowie bei der Geschäftsführung ohne Auftrag zu beachten (E. 8). | |
Sachverhalt | |
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Die Eigentumsübertragung erfolgte am 16. September 1976. Bei den Aushubarbeiten wurde am 18. März 1977 im Aushubmaterial Heizöl entdeckt. Es ergab sich, dass während Jahren Tausende von Litern aus einer defekten Verbindungsleitung zu früher betriebenen Gewächshäusern ausgeflossen sein mussten. Auf Grund der Gewässerschutzbestimmungen ordneten die kantonalen Instanzen vorerst die Abfuhr des Aushubmaterials in eine staatliche Ölerde-Deponie und später die Erstellung eines speziellen Entwässerungssystems an.
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B.- Die Käuferin klagte im Juni 1978 gegen die Verkäufer auf Zahlung von Schadenersatz im Betrage von Fr. 164'263.55 nebst Zins, unter Vorbehalt des Nachklagerechts. Im Verlauf des Verfahrens erhöhte sie den Klagebetrag bis auf Fr. 369'238.70.
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Das Bezirksgericht Meilen wies die Klage ab, weil die Gewährleistung vertraglich wegbedungen sei und für eine ausservertragliche Haftung gemäss Art. 58 OR kein Raum bleibe. Zudem habe die Klägerin die Sache durch Unterlassung rechtzeitiger Prüfung genehmigt.
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Auf Appellation der Klägerin hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Entscheid mit einem Vorurteil von 15. April 1980 auf. Es stellte fest, dass die Beklagten für den Minderwert der Kaufsache und für den der Klägerin durch die Rettungsmassnahmen gegen Gewässerverschmutzung erwachsenen weiteren Schaden haften. Zur Durchführung des Beweisverfahrens über das Quantitativ und zur neuen Entscheidung wurde die Sache an das Bezirksgericht zurückgewiesen.
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Eine von den Beklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde war teilweise erfolgreich, indem das Kassationsgericht am 28. November 1980 die Feststellung des Obergerichts aufhob, gemäss der die Beklagten für den Minderwert der Kaufsache hafteten. Im übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit auf sie einzutreten war.
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C.- Gegen das Vorurteil des Obergerichts haben die Beklagten zudem Berufung eingelegt mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
6. Im Eventualstandpunkt stützen sich die Beklagten auf die ![]() | 10 |
a) Das Obergericht stellt unangefochten fest, dass es sich bei der betreffenden Klausel nicht um eine blosse Vertragsfloskel handelte, die vom Parteiwillen nicht gedeckt und deshalb unwirksam wäre. Da sie nicht von einer Partei verlangt, sondern vom Urkundsbeamten vorgeschlagen worden sei, habe ihr aber offenbar in jenem Zeitpunkt keine der Parteien grosse praktische Bedeutung beigemessen. Wer die Klausel vorschlug, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Bundesgericht bindet. Offen bleiben kann, ob Gleiches hinsichtlich der Schlussfolgerung gilt, die Parteien hätten ihr damals keine grosse praktische Bedeutung zuerkannt. Dass der Vertrag ausdrücklich festhält, die Parteien seien über die Bedeutung der Klausel orientiert, zeigt immerhin, dass sie als solche ernst gemeint war. Im übrigen ist es eine Erfahrungstatsache, dass bei Landkäufen derartigen Ausschlussklauseln keine besondere Bedeutung beigemessen wird. Das heisst aber nur, dass - zu Recht oder zu Unrecht - bei solchen Geschäften keine grossen Risiken erwartet werden.
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b) Die Vorinstanz geht auf den inneren Willen der Parteien ein und hält fest, die Klägerin habe die Klausel als im Liegenschaftenhandel übliche Regelung verstanden, während die Beklagten in ihr einen umfassenden Ausschluss erblickt hätten. Zwar hätten diese einen inneren Willen beider Parteien behauptet, jedoch nicht dargetan, woraus sich die Kenntnis der Klägerin vom Willen der Beklagten ergebe, und dazu auch keine Beweise angetragen, weshalb die Behauptung gemäss § 267 ZPO/ZH nicht berücksichtigt werden könne. Damit steht fest, dass ein übereinstimmender wirklicher Wille der Parteien in dem von den Beklagten behaupteten Sinn nicht nachgewiesen ist. Diese tatsächliche Feststellung ist von den Beklagten erfolglos beim Kassationsgericht angefochten worden, während mit der Berufung gegen sie nicht aufzukommen ist.
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Fehlt es an einem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien, so ist die vereinbarte Ausschlussklausel nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen. Die Ermittlung der Bedeutung, die der Willensäusserung der Beteiligten beim Abschluss der Vertragsklausel nach Treu und Glauben zukommt, ist eine Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren der freien Prüfung durch das Bundesgericht unterliegt (BGE 99 II 285, BGE 96 II 333).
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c) Wegen der Besonderheiten des Grundstückkaufs nehmen Lehre und Rechtsprechung bei der Auslegung von Ausschlussklauseln ![]() | 14 |
d) Bezüglich der subjektiven Situation der Parteien bei Vertragsschluss führt das Obergericht aus, zwar sei die Unkenntnis der Beklagten nur schwer zu verstehen, doch sei im Prozess anerkannt, dass sie vom Mangel weder wussten noch Verdacht hegten. Erst recht habe die Klägerin nicht mit einer Verschmutzung durch Heizöl gerechnet. Sie habe über ein geologisches Gutachten sowie über Bauerfahrung auf Nachbarland verfügt. Diese Ausführungen der Vorinstanz über Wissen und Wollen der Vertragspartner sind tatsächlicher Natur und daher für das Bundesgericht verbindlich (BGE 99 II 285, BGE 98 II 78, 95 II 40). Von Belang sind sie allerdings nur insoweit, als damit feststeht, dass die Beklagten den Mangel nicht arglistig verschwiegen haben (Art. 199 OR) und dass beide Parteien nicht mit einem derartigen Ölschaden rechneten. Nicht beantwortet ist hingegen die entscheidende Frage, ob die Klägerin mit einem solchen Mangel hätte rechnen sollen oder ob dieser völlig ausserhalb dessen lag, womit vernünftigerweise zu rechnen war. Dies ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht aufgrund der festgestellten äussern Umstände und der Lebenserfahrung frei überprüft wird.
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e) Zu bedenken ist dabei, dass beim Kauf von Bauland anders als beim Erwerb eines Gebäudes Sachmängel eine geringe Rolle spielen und für Käufer und Verkäufer im allgemeinen keine grossen ![]() | 16 |
Mit Verunreinigungen durch Heizöl wird vernünftigerweise nicht zu rechnen sein, wenn das Kaufgrundstück bisher nicht überbaut war, sondern stets nur landwirtschaftlich genutzt wurde. Im vorliegenden Fall steht indes fest, dass das Land mit vier Gewächshäusern überbaut war, die bis 1966 als solche betrieben und offenbar 1974 beseitigt wurden. Zum Ölschaden konnte es nur kommen, weil die Gewächshäuser mit Ölheizung versehen waren und die Verbindungsleitung zum Haupttank beim Wohnhaus bis 1973 unter Druck blieb. Dem angefochtenen Urteil ist zwar nicht zu entnehmen, ob die Klägerin von der früheren Benützung des Landes als Gärtnerei mit Gewächshäusern Kenntnis hatte, wie das die Beklagten vor Bundesgericht behaupten und von der Klägerin nicht bestritten wird. Aus den Kaufverträgen ergibt sich jedoch, dass die beiden Kaufparzellen mit einem Gewächshaus bestanden und bezüglich der Heizanlage servitutsberechtigt waren. Das erlaubt dem Bundesgericht gestützt auf Art. 64 Abs. 2 OG die Feststellung, dass den Parteien bei Vertragsschluss die frühere Verwendung der Grundstücke samt dem Vorhandensein einer Heizanlage bekannt war. Sodann steht ausser Frage, dass im damaligen Zeitpunkt die Risiken undichter Öltanks oder Ölleitungen und die möglicherweise schweren Folgen hinsichtlich des Gewässerschutzes allgemein bekannt waren, erst recht für die branchenerfahrene Klägerin. Ebenfalls geläufig war, dass derartige Schäden manchmal erst nach geraumer Zeit erkannt werden. Der eingetretene Ölschaden lag daher, auch in seinem grossen Ausmass, nicht völlig ausserhalb dessen, womit vernünftigerweise beim Erwerb solcher Parzellen hätte gerechnet werden müssen.
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Das führt zum Schluss, dass die Gewährspflicht der Beklagten für den Mangel der Kaufsobjekte aufgrund der Vertragsklausel entfällt.
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a) Das Bundesgericht betrachtet die Schadenersatzklage aus ![]() | 20 |
b) Weil das Obergericht die Anwendung der Vertragsklausel auf den eingetretenen Ölschaden überhaupt ablehnt, prüft es diese nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 100 Abs. 1 OR, gemäss dem die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit nicht im voraus wegbedungen werden kann. Es behält aber grundsätzlich diese Bestimmung vor und nimmt in anderem Zusammenhang grobe Fahrlässigkeit an.
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In der neueren Lehre wird die Auffassung vertreten, Art. 100 Abs. 1 OR gelte für Freizeichnungsklauseln bei Kauf neben Art. 199 OR (GIGER, N. 6 zu Art. 199 OR; FURRER, a.a.O., S. 85, LÖRTSCHER, a.a.O., S. 144 ff.). Eine gegenteilige herrschende Lehre tritt für einen Ausschluss des Art. 100 OR durch die Spezialnorm von Art. 199 OR ein (BECKER, N. 6 zu Art. 100 OR; VON TUHR/ESCHER, S. 119 Anm. 34). Ebenso hat das Bundesgericht bisher jeweils nur Art. 199 OR angewandt, freilich ohne Art. 100 Abs. 1 OR ausdrücklich auszuschliessen (BGE 91 II 348, 73 II 223, 66 II 139). Daran ist jedenfalls unter den gegebenen Umständen festzuhalten. Es handelt sich hier nicht darum, dass der Verkäufer nach Wegbedingung der Gewährleistung absichtlich oder grobfahrlässig den Mangel herbeiführt und dadurch den Kaufvertrag ![]() | 22 |
c) Auf diese Fragen kommt nichts an, wenn im Gegensatz zum angefochtenen Urteil eine grobe Fahrlässigkeit verneint wird. Diese soll nach Meinung des Obergerichts darin liegen, dass die Beklagten die Ölleitung von 1966 bis 1973 unter dem Druck des Heizöls im Haupttank beliessen, obschon die Gewächshäuser nicht mehr in Betrieb waren. Die Beklagten hätten pflichtwidrig weder die Zuleitung abgestellt noch die Leitung überwacht. Die dem Vorwurf zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen sind erfolglos beim Kassationsgericht angefochten worden und können auf Berufung hin nicht überprüft werden. Rechtsfrage ist dagegen, ob sich daraus eine grobe Fahrlässigkeit ergibt. Eine solche ist zu bejahen, wenn elementare Vorsichtspflichten missachtet wurden, die sich unter den gegebenen Umständen jedem vernünftigen Menschen aufdrängen mussten (BGE 95 II 340, 578 mit Hinweisen). Der Betrieb der Gewächshäuser wurde 1966 eingestellt. ob das als Dauerlösung oder als Provisorium gedacht war, ist nicht bekannt, zumal die Gewächshäuser noch während Jahren stehen blieben. Es wäre gleichwohl richtig und vorsichtig gewesen, die Verbindungsleitung zu entleeren. Wurde diese Leitung vergessen, so unterblieb natürlich auch ihre Kontrolle. Ungeklärt sind die personellen Gründe der Unterlassung, etwa der Hinweis der Beklagten darauf, dass der 1966 verstorbene Erblasser die Heizungsanlage gewartet hatte. Obwohl im Rahmen von Art. 100 Abs. 1 OR die Klägerin für das Verschulden der Beklagten beweispflichtig sein dürfte, konnte die Vorinstanz angesichts der Sorgfalt, die im Umgang mit Ölheizungsanlagen angebracht ist, durchaus eine Fahrlässigkeit seitens der Beklagten annehmen. Diese ist indes nicht als grob im Sinne der Umschreibung der Rechtsprechung zu bezeichnen.
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Damit entfällt Art. 100 Abs. 1 OR von vornherein und unbekümmert darum, ob die Bestimmung neben Art. 199 OR überhaupt anwendbar ist.
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a) Die Vorinstanz bejaht eine Haftung aus Art. 41 ff. OR. Dass dieser Deliktsanspruch an sich neben einem Gewährleistungsanspruch bestehen kann, trifft gemäss Rechtsprechung zu (BGE 90 II 88, BGE 67 II 136). Indessen ist auch in dieser Hinsicht eine Haftungsbeschränkungsabrede zu beachten (GIGER, N. 24 zu Art. 199 OR; LÖRTSCHER, a.a.O., S. 121 mit Hinweisen). Selbst wenn es sich dabei nur um eine Regel handelt, ist vorliegend kein Grund für eine Ausnahme ersichtlich. Dass gemäss Wortlaut der Vertragsklausel die Gewährspflicht der Verkäufer für Sachmängel aufgehoben wurde, gibt dazu jedenfalls nicht Anlass. Auch der Sinn der Klausel kann in guten Treuen nicht dahin verstanden werden, dass bei fahrlässiger Herbeiführung eines Mangels durch den Verkäufer gleichwohl gehaftet werde. Dadurch könnte ja bei ungenügendem Unterhalt einer Liegenschaft die vereinbarte Wegbedingung der Gewährleistung völlig illusorisch werden.
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b) Das Obergericht prüft und verwirft den eingeklagten Anspruch unter den Gesichtswinkeln der Werkhaftung und der Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Beklagten pflichten dem bei und machen überdies geltend, dass auch solche Ansprüche wegbedungen wären, weil es Treu und Glauben widerspräche, durch diese Hintertüren die wegbedungene Haftung wieder einzuführen. Die Klägerin beruft sich eventuell auf die genannten Haftungsgründe, bestreitet jedoch zu Recht nicht, dass sie gegebenenfalls ebenso von der Wegbedingungsklausel erfasst würden. Vereinbarten die Parteien einen Auschluss der Gewährleistung für Sachmängel, der auch die aufgetretene Ölverschmutzung und die daraus abgeleiteten vertraglichen und ausservertraglichen Schadenersatzansprüche umfasste, so muss das erst recht für Ansprüche gelten, die aufgrund anderer rechtlicher Konstruktionen allenfalls noch in Betracht kommen konnten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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