BGE 107 II 301 | |||
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46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. September 1981 i.S. W. gegen W. und Appellationshof des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV; Willkür. Art. 8 EMRK; Recht auf Familienleben. Besuchsrecht des geschiedenen Ehegatten gegenüber seinen Kindern. | |
Sachverhalt | |
In einem Streit zwischen den geschiedenen Ehegatten W. um das Besuchsrecht des Vaters gegenüber den beiden der Mutter zur Pflege und Erziehung zugeteilten Kindern verlangte der Vater die gerichtliche Vollstreckung seines durch das Scheidungsurteil festgelegten Besuchsrechts. Das Vollstreckungsbegehren wurde vom Gerichtspräsidenten I von Thun mit Rücksicht auf die Interessen der Kinder zur Zeit abgewiesen. Die Mutter hatte in der Zwischenzeit beim Amtsgericht Luzern-Land eine Klage um Abänderung des Scheidungsurteils im Sinn der Aufhebung des Besuchsrechts des Vaters eingereicht. Auf Appellation hin entschied der Appellationshof des Kantons Bern gleich wie der Gerichtspräsident (Urteil vom 1. April 1981). Hiegegen erhebt der Vater gestützt auf Art. 4 BV sowie Art. 8 und 12 EMRK staatsrechtliche Beschwerde, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
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Aus den Erwägungen: | |
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"Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, üben die Eltern ihn pflichtwidrig aus, haben sie sich nicht ernsthaft um das Kind gekümmert oder liegen andere wichtige Gründe vor, so kann ihnen das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden."
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Mit diesen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1976, die seit dem 1. Januar 1978 in Kraft stehen und daher vom Vollstreckungsrichter zu beachten waren, ist das frühere, absolute Recht des nicht im Besitze der elterlichen Gewalt befindlichen Elternteils auf persönlichen Verkehr mit den Kindern dahingefallen (vgl. dazu HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, S. 109 ff.). Die Rüge der Verletzung eines unantastbaren Persönlichkeitsrechtes geht daher fehl.
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Nach heute allgemein anerkannter Auffassung soll zur Durchsetzung des Besuchsrechtes auf die Anwendung direkten Zwangs gegenüber Kindern verzichtet werden, da ein solcher dem Sinn des Besuchsrechtes zuwiderliefe (BGE 81 II 318; HEGNAUER, a.a.O., S. 111, Ziff. 2; Komm. BÜHLER/SPÜHLER, N. 354 zu Art. 156 ZGB; REDAY, a.a.O., S. 73 Ziff. 127; U. HAUBENSAK, Die Zwangsvollstreckung nach der zürcherischen Zivilprozessordnung, Diss. Zürich 1975, S. 55). Demnach hätte höchstens noch die Möglichkeit bestanden, durch mittelbare Zwangsmassnahmen wie die Androhung von Ungehorsamsstrafe gegen die Mutter vorzugehen. Es fehlt aber an schlüssigen Anhaltspunkten dafür, dass die Mutter die beiden Kinder bewusst gegen den Vater beeinflussen würde, und es liess sich demgemäss ohne Willkür die Auffassung vertreten, ein solcher Druck auf die Mutter hätte an der Einstellung der Kinder - von denen mindestens das ältere die gegebene Situation schon mit einer gewissen Selbständigkeit zu beurteilen vermag - kaum etwas geändert. Bei dieser Sachlage war es nicht unhaltbar, wenn die kantonalen Instanzen das Vorliegen einer neuen Tatsache im Sinne von Art. 409 Ziff. 2 der bernischen Zivilprozessordnung bejahten und demgemäss die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Beschwerdeführer für den heutigen Zeitpunkt ablehnten.
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Nach ständiger Rechtsprechung der Europäischen Konventionsorgane umfasst das Recht auf Familienleben gemäss Art. 8 Abs. 1 EMRK auch das Recht eines Elternteils auf Zugang zu seinem Kind und auf Kontakt mit diesem, so dass der Staat in Ausübung dieses Rechts nur unter den strengen Voraussetzungen, die in Abs. 2 des Artikels angeführt sind, eingreifen darf. Danach ist der Eingriff in die Ausübung dieses Rechts zulässig, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft u.a. zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Die Konventionsorgane betrachten eine gesetzlich vorgesehene Beschränkung des Rechts des geschiedenen Vaters auf Verkehr mit seinem Sohn, welche den Zweck verfolgt, die Interessen des Kindes zu schützen, im Sinn dieser Bestimmung als rechtmässig. Das ausschlaggebende Kriterium für die Beurteilung des Verkehrsrechts eines Elternteils mit seinem Kind ist auch nach ihrer Rechtsprechung das körperliche und seelische Wohlbefinden des Kindes (Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 4. März 1980 i.S. X gegen Bundesrepublik Deutschland, in EuGRZ 7/1980, S. 458; vom 13. März 1980 i.S. Y gegen Niederlande, in EuGRZ 7/1980, S. 487 E. 1; vom 16. Januar 1963 i.S. X gegen Niederlande, in Annuaire de la Convention Européenne des Droits de l'Homme 6/1963, S. 267; vgl. auch JACOBS, European convention on Human Rights, Oxford 1975, S. 133; STOLZLECHNER, Der Schutz des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) im Licht der Rechtsprechung des VfGH und der Strassburger Instanzen, Österreichische Juristen-Zeitung 35/1980, S. 124). Die angefochtene Massnahme steht demnach mit diesen Grundsätzen im Einklang. Aus Art. 12 EMRK ergibt sich nichts Zusätzliches. Die Rüge der Verletzung der EMRK ist somit ebenfalls nicht begründet.
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